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WIEN / Leopold Museum: GABRIELE MÜNTER

20.10.2023 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Wien / Leopold Museum:
GABRIELE MÜNTER
Retrospektive
Vom 20. Oktober 2023 bis zum  18.Februar 2024

Wanderung durch ein Künstlerinnen-Leben

Plötzlich ist der Hype ausgebrochen. Bislang zu wenig beachtet, wie es heißt, häufen sich nun die Ausstellungen über die Malerin Gabriele Münter (1877–1962). Dabei wurde der Fokus oft auf Schwerpunkte ihres Schaffens wie Porträts oder Landschaften gelegt. Im Wiener Leopold Museum, wo Direktor Hans-Peter Wipplinger stolz darauf ist, als erste Institution in Österreich eine umfassende Münter-Retrospektive zu zeigen, ging Kurator Ivan Ristić einen anderen Weg. Man begleitet die Künstlerin stationenweise durch ihr Leben, das jeweilige  Schaffen wird in die Entstehungszeit eingebettet – was die Vielfalt, aber auch stilistische Uneinheitlichkeit des Werks reflektiert. Immer wieder als „Expressionistin“ bezeichnet, hat Münter ihre Kunst in vielen Stilen und Zugangsweisen gesucht und gefunden. Die Wiener Ausstellung spannt den Bogen mit rund 130 Exponaten aus öffentlichen und privaten internationalen Sammlungen mit Ölgemälden, Druckgrafiken, Zeichnungen, Fotografien sowie kunsthandwerklichen Objekten.

Von Renate Wagner

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Gabriele Münter     Geboren am 19. Februar 1877 in Berlin, konnte sie die ersten Jahrzehnte ihres Künstlerinnen-Lebens dank der Tatsache führen, dass ihre deutschen Eltern, die in Amerika wohlhabend geworden waren, ihr genug Geld hinterließen, um sie vor Ehe oder Brotberuf zu befreien. Als das Vermögen rund um den Ersten Weltkrieg schmolz, war es weit weniger leicht, obwohl sie künstlerisch schon anerkannt war, von der Malerei zu leben. Bis zu ihrem Ende am 19. Mai 1962 in Murnau am Staffelsee (Oberbayern) war ihr Leben von Problemen und Unruhe gezeichnet, immer wieder von Ort zu Ort ziehend, neue Umgebungen und Eindrücke suchend und findend – was sich auch in ihrer Malerei niederschlug.

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Das erste Talent: Fotografieren   Schon früh zeigte sich ihr Talent für Zeichnen und Malen, aber akademische Institutionen waren Frauen damals noch verschlossen. Gabriele Münter erhielt Privatunterricht, aber das erste einschneidende Erlebnis war wohl die große  zweijährige Amerikareise, die sie mit Anfang 20 mit ihrer Schwester unternahm. Diese hatte ihr eine damals übliche Foto-Kamera geschenkt, die in der Ausstellung ebenso zu sehen ist wie mehrere der Schwarzweißbilder, die Gabriele Münter in den USA gemacht hat – unspektakuläre, aber genau beobachtete Alltagsszenen.

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Der erste Lebensmensch: Wassily Kandinsky    Wieder in Deutschland, zog Gabriele Münter nach München, nahm dort Privatunterricht und stieß auf die Malschule Phalanx, wo der Russe Wassily Kandinsky (1866-1944) unterrichtete. Dass die beiden ein Paar wurden, war für Gabiele Münter künstlerisch zweifellos inspirierend – dass sie jedoch in erster Linie als die „Frau an der Seite Kandinskys“ in die Kunstgeschichte eingehen sollte, hat ihr Werk lange  abgewertet. Das Paar, das keines sein durfte (Kandinsky war verheiratet, ein Heiratsversprechen an Gabriele Münter hat er gebrochen) war viel auf Reisen, sammelte Eindrücke und ließ sich schließlich im bayerischen Murnau (in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen) nieder, wo Gabriele Münter ein Haus kaufte. Es ist heute ein ihr gewidmetes Museum,.

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Damals wurde es zum Künstlertreff, u.a. einer stark russisch geprägten Gemeinde, mit dem Paar Marianne von Werefkin  (1860-1938) und Alexej von Jawlensky (1864-1941). Man gab einander Ratschläge, man malte einander: Das eindrucksvolle Porträt der Marianne von Werefkin ist Signaturbild von Plakat und Katalog in Wien, Jawlensky malte Gabriele Münter in einer Art gemütlicher häuslicher Szene neben der großen Lampe über dem Tisch.. Die Bewohner von Murnau nannten die Münter-Villa das „Russenhaus“…

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Der blaue Reiter     Die Russen, dazu Franz Marc, Paul Klee, August Macke und auch Arnold Schönberg, hier in seiner Eigenschaft als Maler, fanden sich 1911 zu einem Projekt zusammen, das sie „Der blaue Reiter“ nannten. In Gemeinschaftsausstellungen prägten sie mit ihren Bildern entscheidend den deutschen Expressionismus. Wichtig war die von ihnen allen herausgegebene Publikation gleichen Namens, an der Gabriele Münter herausragend mitarbeitete und alles auch noch mit Fotos dokumentierte. Auch ihre Bilder wurden in den Ausstellungen gezeigt, sie stand allerdings im Schatten der Männer. Dafür, dass sich der „Blaue Reiter“, der nie eine wirkliche Vereinigung gewesen war, schon 1914 zu Beginn des Weltkriegs auflöste, hat er tiefe Spuren in der deutschen Kunstgeschichte hinterlassen. Für Gabriele Münter bedeutete der Krieg auch das Ende der Beziehung zu Kandinsky, der nach Russland zurück ging, dort heiratete und später mit ihr nur im Kampf um seine in Murnau zurück gebliebenen Bilder und Sachen verkehrte.

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Der zweite Lebensmensch: Johannes Eichner    Für Gabriele Münter begannen unruhevolle und einsame Jahre. Sie verbrachte den Krieg in Skandinavien, erst Schweden, dann Dänemark, wohl in der Hoffnung, Kandinsky dort treffen zu können. Sie war als Malerin durchaus anerkannt, musste aber – die Ausstellung zeigt Beispiele – einfach für ihren Lebensunterhalt Porträts malen. Ihre Landschaften, Stillleben und Genreszenen sind stilistisch schwer einzuordnen, manchmal streift sie die Abstraktion, manchmal scheint die Neue Sachlichkeit zu grüßen, manchmal ein Rückfall in den Expressionismus – sie hat stets etwas anderes probiert, was dem für Künstler so wichtigen (und verkaufsträchtigen) Wiedererkennungswert ihrer Bilder  schmälert. Erst in unseren Tagen erreichen sie auf Auktionen hohe Summen.

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Glückhaft war die Begegnung mit dem Kunsthistoriker Johannes Eichner (1886-1958), den sie 1927 in Berlin kennen lernte, mit dem sie 1931 nach Murnau zog, lebenslang zusammen blieb und heute in einem Grab liegt. Eichner führte sie behutsam und unbehelligt durch die Zeit des Nationalsozialismus, der Gabriele Münter zwar nicht als „entartet“ ausstellte, aber ihre Kunst nicht mochte. Ihre eigenen Werke, jene Kandinskys und jene der Blauen Reiter-Gruppe, die sie besaß, verstecke man während des Krieges sorglich im Keller. Danach, als die Wiederentdeckung des Expressionismus einsetzte, blieb Gabriele Münter in der allgemeinen Wahrnehmung als Künstlerin am Rande, trotz der unverzichtbaren Interpretationen, die bereits Johannes Eichner über ihr Werk veröffentlichte.

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Bewahrerin der Schätze    Es war Gabriele Münters Großleistung, als sie 1957 ihre Schätze (über 100 Objekte) – eigene Werke, auch jene, die sie Kandinsky nicht zurück gegeben hatte – dem Lenbach Haus in München schenkte, das damit nicht nur zu einer führenden Institution für den Blauen Reiter wurde, sondern auch viel getan hat, die Leistung Gabriele Münters wieder in den Fokus des allgemeinen Bewusstseins zu rücken.

Leopold Museum:
GABRIELE MÜNTER
Retrospektive
Vom 20. Oktober 2023 bis zum  18.Februar 2024
Täglich außer Dienstag

 

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