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WIEN / Leopold Museum: FLÜCHTIGE SCHÖNHEIT

19.11.2015 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Leopold Museum:
FLÜCHTIGE SCHÖNHEIT
Kunst und Design der 1920er Jahre aus der JTI Collection Vienna
Vom 19. November 2015 bis zum 29. Februar 2015

 

Als das Rauchen noch erlaubt war…

Was ist flüchtiger als Rauch? Ein paar Minuten höchstens dauert es, bis sich eine Zigarette in solchen aufgelöst hat. Aber auch eine Zigarettenpackung, die leer geworden ist, zeigt alle Elemente der Vergänglichkeit: Man wirft sie weg. Nun ja, heutzutage ist sie aus Papier. Aber früher verkaufte man sie in harten Pappschachteln, sogar in Metallschacheln, die so kunstvoll ausgestaltet waren, dass zumindest einige von ihnen im Museum landeten. Dass ihre Entwürfe in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von Künstlern gestaltet wurden – das erfährt man nun im Leopold Museum

Von Renate Wagner

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Von der Monarchie nach Japan… Niemand übersetzt gerne die Zeichen „JTI“. Die bedeuten nämlich schlicht und einfach „Japan Tobacco International“ und erzählen uns, dass etwas, das einst die k.u.k. Tabakregie und später „Austria Tabak“ war, heute im Zuge der Globalisierung als Teilbereich „JTI Austria GmbH“ längst in einen japanischen Riesenkonzern mit Millardenumsatz eingegangen ist. Die Bestände des einstigen Tabakmuseums, das zuletzt bis 2003 im MuseumsQuartier „wohnte“ und dann aufgelassen wurde, „lagern“ heute unzugänglich in ehemaligen Klosterräumen in Hainburg. Was als „Sammlung“ (zu Beginn Meerschaumpfeifen!) während der Weltausstellung 1873 begann, ist mittlerweile auf an die 10.000 Objekte angewachsen. Digitalisiert, aber nicht per Internet zugänglich. „Lebendig“ ist die Sammlung nur durch gelegentliche Leihgaben an Museen. Oder durch eine Ausstellung.

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Heimkehr ins MuseumsQuartier Wenn JTI Collection Austria nun in Zusammenarbeit mit dem Leopold Museum in drei Räumen des Hauses im Parterre eine Ausstellung ausrichtet, dann kann man zumindest von einer „Heimkehr“ ins MuseumsQuartier berichten. Und dabei ganz gewaltig in Nostalgie eintauchen (es gab Zeiten, da rauchte man nicht nur ohne Einschränkung, es gab sogar eine „Raucherzeitung“!!!). Hauptanliegen der Ausstellung „Flüchtige Schönheit“ ist allerdings ein gänzlich vergessener Aspekt: Dass nämlich die österreichische Tabakregie 1928 nicht weniger unternommen hat, als für ihr „Design“ die damals angesagtesten der modernen Künstler Österreichs zu einem Wettbewerb einzuladen. Man wollte die „Moderne“ auf der Zigarettenschachtel – und auf der Innenseite auch.

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Die flotten Zwanziger Jahre Die Liste der beteiligten Künstler ist groß, man bat die Herrschaften der Secession und des Hagenbundes, aber auch der „Wiener Werkstätte“, selbst wenn diese bei vielen Herrn Künstlern keinen guten Ruf hatte, weil dort der Anteil der Frauen groß war: Tatsächlich waren es nicht weniger als 11 Damen unter den 40 Beteiligten, also immerhin ein Viertel. Zu den großen Namen, von denen man Entwürfe zu sehen bekommt, zählen Anton Faistauer, Bertold Löffler, Oskar Laske, Carry Hauser, Franz von Zülow, Ludwig Heinrich Jungnickl, Albert Paris Güthersloh, Alfred Gerstenbrand oder Oswald Haerdtl wie u.a. die Damen Gabi Lagus Möschl, Mathilde Flögl oder Maria Strauss-Likarz. Und das Leopold Museum steuert von vielen der vertretenen Künstlern seinerseits Gemälde bei, da schließlich die Zwanziger Jahre auch zum Sammlungs-Schwerpunkt von Rudolf Leopold zählten.

Die Nase vorne Rauchen war in, rauchen war chic, für Frauen galt es als Zeichen der Emanzipation, man musste sich nicht dafür genieren, sich deswegen nicht verstecken. Man kreierte flott neue Sorten wie „Jonny“ (nach Kreneks Jazzoper „Jonny spielt auf“) oder „Asta“ für Damen mit rotem Mundstück (da war dann der Lippenstift nicht zu sehen). Selbst wenn die Zigaretten nur in Pappschachteln verkauft wurden, dann hat man nicht nur die Außenseite von Künstlern gestalten lassen, sondern auch noch die aufgeklappte Innenseite. Und weil man das im Zeichen eines boomenden Tourismus auch gleich verwenden konnte, bestellte man die schönsten Ansichten österreichischer Landschaften, ob Steyr, ob der Semmering, ob das Strandbad… Die Ästhetisierung des Alltags machte einen großen Sprung nach vorne. Und das Werbestrategiedenken auch: Ein Schubert-Jahr? Also ein Zigaretten-Schubert-Design. Bei einem deutschen Sängerfest geht das weg wie warme Semmeln (oder wie Zigaretten…)

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Als die Zigarette Alltag war Wie gesagt, der Nostalgie-Effekt der Ausstellung ist groß, nicht nur durch alte Filme, die überall flimmern: Ein Riesenfoto erzählt von dem Auto der österreichischen Tabakregie, das damals offenbar durch die Straßen fuhr und zumindest noch als Modell erhalten ist. Wie auch das Äußere eines alten Zigarettenautomaten. Oder ein ganz, ganz altes Trafik-Schild… Erwähnt soll auch werden, dass die Tabakregie in den Zwanziger Jahren noch ein Herz für ihre Arbeiter hatten: Die sozialen Leistungen waren überdurchschnittlich. Auch das erfährt man in diesen drei Räumen.

Leopold Museum: Flüchtige Schönheit.
Bis 29. Februar 2016, täglich außer Di 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr

 

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