Fotos aus der Ausstellung : Heiner Wesemann
WIEN / Leopold Museum:
FERDINAND HODLER
WAHLVERWANDTSCHAFTEN VON KLIMT BIS SCHIELE
Vom 13. Oktober 2017 bis zum 22.Jänner 2018
Der Mann und sein Werk
Ferdinand Hodler, geboren 1853 in Bern, starb 1918 – so wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Koloman Moser (oder auch Otto Wagner), die in diesem Jahr ihre Leben beendeten. Und tatsächlich war der Schweizer den Wienern, der Secession, in hohem Maße verbunden. „Wahlverwandtschaften von Klimt bis Schiele“ ist der Untertitel der umfassenden Hodler-Retrospektive (100 Gemälde, 50 Arbeiten auf Papier, einige Büsten, reiches dokumentarisches Material), die nun im Leopold Museum den Künstler zeigt, der als „berühmtester Schweizer Maler“ in der Kunstgeschichte steht. Zu Recht.
Von Heiner Wesemann
Ferdinand Hodler Geboren am 14. März 1853 in Bern, stammte er aus armen Verhältnissen, lernte schon als Kind schwere Verluste kennen (Eltern und Geschwister starben früh), doch er hatte das Glück, als 18jähriger beim Kopieren von Gemälden von dem Maler und Lehrer Barthélemy Menn entdeckt zu werden – dessen berühmtester Schüler er wurde. Reisen nach Spanien, Siege bei Wettbewerben, Ausstellungen in der Schweiz und Paris erwarben ihm Reputation, aber es waren die Maler der Wiener Secession, die ihn für sich „entdeckten“, ausstellten und letztendlich 1904 wirklich berühmt machten. In seiner Heimat ebenso anerkannt wie international, lebte er in der Schweiz bis zu seinem Tod am 19. Mai 1918 in Genf.
Devotionalien und Selbstporträts Gleich zu Beginn der Ausstellung, die mit dem Archiv Jura Brüschweiler in Genf erarbeitet wurde, gibt es „Hodler zum Angreifen“ – zwei seiner Malkästen liegen da, vermitteln ein ganz unmittelbares Gefühl der Nähe. Später, wenn Hodler in viele Spezialthemen „aufgespalten“ und auch sein Verhältnis zur Musik gezeigt wird, sieht man eine Trommel, die er selbst benutzt hat (ein Foto zeigt ihn trommelnd). Immer wieder verweisen Fotografien, Dokumente, Aussagen stark biographisch auf den Mann und flankieren das gezeigte Werk. Wobei, auch gleich zu Beginn der Ausstellung, ein Schwerpunkt auf seine Selbstporträts gelegt wird, die er im Laufe seines Lebens immer wieder gemalt hat. 1873 und 1879, mit Anfang und Mitte 20, hält er sich noch in dunklen Farben, melancholisch im Ausdruck, weit weniger konturiert als in späteren Jahren, wo der kraftvolle Hodler-Strich scharfe Akzente setzt, ob er nun (im Jahr vor seinem Tod) lächeln mag oder skeptisch-aggressiv blickt…
Porträts und Landschaften Porträts und Landschaften waren große Themen für Hodler, wobei es eindrucksvolle Beispiele von Damen-Bildnissen gibt, die in der Intention jenen von Klimt gleichen (seine Geliebte Valerie 1909 mit Hut oder Gertrud Müller als ganze Figur 1911), aber bewusst nicht dessen Raffinesse und Eleganz zeigen, sondern weniger Form als Inhalt beschwören. Beeindruckend auch, dass er die „armen Leute“, aus deren Welt er stammte, als Künstler nicht vergessen hat: „Bildnis eines Unbekannten“ (1887) ist in der schweren Depression, die das Werk ausstrahlt, bewundernswert. Hodlers Landschaften, in der Jugend eindeutig von den Impressionisten beeinflusst, finden später in seinen Berg- und Wasser-Motiven zu jenem expressiven Ausdruck, den er schon 1896 für seinen gewaltigen „Wilhelm Tell“ fand, der mit Armbrust auf den Betrachter zuzustürzen scheint.
Die Secession und ihre Künstler Als Hodler Mitglied der Wiener Secession wurde (er trat auch der Berliner und Münchner Secession bei), ließ er sich fraglos von deren Stil stark beeinflussen. Die Hodler-Forschung notiert diese Werke unter dem Begriff des Symbolismus, wobei in der Esoterik und auch Erotik die Klimt- und Schiele-Verwandtschaft eindeutig ist. Hier arbeitet die Ausstellung stark mit Gegenüberstellungen, die einmal mehr, einmal weniger überzeugen – gegen Schieles legendäre „Vier Bäume“ sinkt Hodlers „Herbstlandschaft“ nicht nur ab, weil sie wesentlich kleiner ist, sondern weil sie sich an Intensität nicht mit dem Vergleichsobjekt messen kann. Sein in sich verschlungenes Liebespaar und eines von Schiele (das Leopold Museum kann aus seinen eigenen Schätzen beisteuern) sind hingegen eng verwandt, Hodlers Blumen („Gartenlaube“, 1910) neben jenen von Klimt („Gartenlandschaft mit Bergkuppe“, 1916) überzeugen ebenso, und die gelegentliche Ähnlichkeit mit Egger-Lienz ist geradezu frappant. Kurz, die Zusammenhänge gibt es fraglos.
Hodler-Allerei Auf den Spuren des Menschen Hodler hat Kurator Hans-Peter Wipplinger, der Direktor des Leopold Museums, noch einige Spezialthemen aufgetan, darunter Hodler und die Musik (offenbar war er gerne mit Akkordeon und Trommel unterwegs) oder Hodler und die Fotografie, wo jene Gertrud Dübi-Müller, die er oft gemalt hat (und die mit dem Kunstmuseum Solothurn so eng verbunden ist), eine große Rolle spielt: Als frühe Pionierin der Fotografie stammen von ihr zahlreiche Fotos des Künstlers, die in sein Privatleben blicken lassen.
Liebe und Tod Der letzte, zweigeteilte Saal der Ausstellung ist in vieler Hinsicht der intensivste: ein abgeschlossener Teil ist seiner Beziehung zu der Pariserin Valentine Godé-Darel (1873-1915) gewidmet, der Hodler 1908 begegnete, die Modell und Geliebte des verheirateten Malers und 1913 Mutter seiner Tochter Paulette wurde. Er hat sie immer wieder gemalt, in ihrer vollen Schönheit, aber auch – und das ist das erschütternde daran – in allen Stadien ihrer Krankheit, im Dahinschwinden, zuletzt am Totenbett als Leiche. Hodler selbst hatte nicht mehr viele Jahre vor sich, und der letzte Raum konzentriert sich nahezu auf seine magischen Gemälde des Genfer Sees, Wasser, Berge, Schatten, Wolken, eine Welt von Blau in Gelb, wohl das Wunderbarste, was er geschaffen hat, als er den Tod nahen fühlte.
Leopold Museum Wien
Ferdinand Hodler. Wahlverwandtschaften von Klimt bis Schiele.
Bis zum 22.Jänner 2018. täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr
Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln