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WIEN / Leopold Museum: EMIL PIRCHAN

11.12.2020 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Leopold Museum:
EMIL PIRCHAN
Visuelle Revolution
Vom 8. Dezember 2020 bis zum 5. April 2021

„Ich bin dem Theater verfallen“

Emil Pirchan (1884-1957) war einer der besten Schüler von Otto Wagner, aber seine Talente waren zu vielfältig, als dass er sich darauf konzentriert hätte, nur Architekt zu sein. Design, Plakatkunst, Theater waren ebenso seine Welt, er arbeitet als Schriftsteller und Lehrer, und obwohl er im Gegensatz zu vielen, die aus der Welt „um 1900“ kamen, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte, ist er für die Nachwelt nicht allzu bekannt geblieben. Dem hilft eine Ausstellung ab, die das Leopold Museum unter dem Titel „Visuelle Revolution“ nun nach dem Folkwang Museum in Essen präsentiert.

Von Renate Wagner

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Emil Pirchan   Geboren in die schlesisch-mährische Welt, die damals zum Habsburger Reich gehörte, kam Emil Pirchan 1884 in Brünn als Sohn eines akademischen Malers zur Welt (seine Großmutter mütterlicherseits und die Großmutter von Josef Hoffmann waren übrigens Schwestern). Es war ein künstlerisches Ambiente, in dem er aufwuchs. Der Weg von Emil Pirchan – wie der aller Künstler, die etwas werden wollten – führte zuerst nach Wien, nachdem er in seiner Heimatstadt die Staatsgewerbeschule absolviert hatte. Eine renommiertere Ausbildung als in der Meisterklasse von Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste konnte man nicht erhalten. Aber, wie gesagt, er konnte und wollte zu viel, arbeitete unermüdlich. Als Architekt entwarf er weit mehr, als gebaut wurde, während sich ihm als wahren Meister der Plakatkunst unendliche Arbeitsmöglichkeiten eröffneten. Die „angewandte Kunst“ hatte im Zeitalter der Wiener Werkstätte ein breites Tätigkeitsfeld – auch hier war Pirchan als Designer tätig. Er ging 1908 nach München – das von ihm eröffnete „Atelier für Graphik, Bühnenkunst, Hausbau, Raumkunst und Kunstgewerbe“ zeigte, was er alles im Sinn hatte. Seiner Liebe zum Theater konnte er schon in München, vor allem aber in Berlin (1921–1932), frönen, wo er als Ausstatter einen ebenso verdienten wie exzeptionellen Ruf erwarb. Nach Theater-Jahren in Prag (1932–1936) wählte er nach einer Berufung als Professor an die Akademie der bildenden Künste Wien zu seinem Aufenthaltsort (1936–1957). Er zog sich zur Zeit des Nationalsozialismus auf die Schriftstellerei zurück, verfasste Romane und Sachbücher (u.a. über Klimt, Makart, Otto Wagner und Daffinger, über Fanny Elssler, Marie Geistinger, Therese Krones oder Henriette Sontag, erzählte von Künstlern, zeichnete Theatergeschichten auf, verfasste eine Kostümkunde – vieles davon während des Krieges entstanden). war danach ein geschätzter Lehrer. Er wurde nach seinem Tod 1957 – wie Klimt, wie Fanny Elssler, über die er geschrieben hatte, wie viele prominente Künstler .- am Hietzinger Friedhof beigesetzt.

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Die Ausstellung   Es war Emil Pirchans Enkel  Beat Steffan, der die Wiederentdeckung des Großvaters in die Wege leitete, indem er die Kisten öffnete, die seine Mutter in Zürich gehütet, aber nie angesehen hatte. Pirchan hatte seine Gattin Johanna Diehl 1913 geheiratet, sie bekamen einen Sohn, Peter, und eine Tochter, Sibylle, sein Nachlass bleibt bei der Familie. Im Endeffekt kamen 1.300 Originalskizzen, 1.500 Drucke, weiters Skizzenbücher, Biographisches und auch Pirchans Bibliothek zum Vorschein, reichlich Material, um eine Persönlichkeit aufzuschließen. Der Nachkomme tat es auch in dem von ihm verantworteten, mit aller Liebe gestalteten Katalog. Die Ausstellung (in Essen ursprünglich nur für Plakate gedacht und dann zu einer enormen Personality-Schau erweitert) ist nun in ihrer Vielfalt überwältigend in Wien zu sehen, mit Möbeln, Architekturmodellen, Bühnenbildentwürfen, Plakaten und Buchillustrationen und mehr. Und auch Persönlichem, wie etwa Pirchans Schreibmaschine, auf der wohl manches seiner Bücher entstanden ist.

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Der Meister des Plakats   Die Bedeutung des Plakats im Jugendstil ist bekannt, es spielte auch im Expressionismus noch eine große künstlerische Rolle, und Pirchan war stets dabei. Wesentlich an einem Plakat ist, dass es auffällt, dass es den Blick fesselt, dass es darüber hinaus seine Aussage präsentiert, was den Zusammenklang von Bild und Text bedingt. Pirchan hat als „Gebrauchsgraphiker“ so fraglos Kunst gemacht wie später als Bühnenbildner, hat Stilwillen und Einfallsreichtum verbunden, und obwohl er ein Sohn seiner Zeit war, doch eine eigene Handschrift entwickelt. Im Grunde lädt jedes seiner Plakate dazu ein, näher hinzusehen.

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„Regimentstochter“ à la Pirchan

„Ich bin dem Theater verfallen, mit Pinsel und Feder, mit Herz, Hirn und Hand“ – das schrieb Emil Pirchan, und das bietet jenen Ausstellungsbesuchern, die ihrerseits dem Theater verfallen sind, in der „kleinen“ Form des Bühnenbildentwurfs besondere Erlebnisse. Die damals „Modernsten“, etwa Leopold Jessner – an der Konstruktion von dessen legendärer „Treppe“ war er mitbeteiligt (1919 für eine „Wilhelm Tell“-Inszenierung mit Fritz Kortner) – sicherten sich seine Mitarbeit, von Pirchan hieß es: „Mit Leopold Jessner fegte er den Theaterplunder von der Bühne.“ Tatsächlich gibt es von ihm „mitgestaltende“ Bühnenbilder, die weit weniger den Realismus, als den Ausdruck und gezielten Formwillen bedienten. Eine so komische „Regimentstochter“, wie er erdacht hat, möchte man heute sehen, und seine Abstraktionen für Wagner sind mit Stimmungselementen verbunden, die heute kaum mehr ein Bühnenbildner aufbringt.

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Der Mann, der alles konnte   Betrachtet man die Architekturskizzen, sieht man die geschmackvollen Möbel (einige sind „zimmerartig“ in der Ausstellung arrangiert), betrachtet man Buchillustrationen oder Ex libris-Entwürfe, sieht man, was den Brasilianern  entgangen ist, weil sie ihn das kuppelförmige Opernhaus nicht bauen ließen, das im Modell vorhanden ist, nimmt man eines seiner Bücher in die Hand – es ist klar, dass Pirchans Talent von jeder Herausforderung gereizt wurde und wohl jede angenommen hat.

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Leopold Museum:
EMIL PIRCHAN. Visuelle Revolution
Bis zum 5. April 2021,
Mittwoch bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr

 

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