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WIEN / Leopold Museum: DIE SAMMLUNG SCHEDLMAYER

12.09.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Leopold Museum:
DIE SAMMLUNG SCHEDLMAYER
EINE ENTDECKUNG!
Vom 10. September 2021 bis zum 20. Februar 2022

Als alles „Kunst“ sein sollte

Der Name „Schedlmayer“ ist m Zusammenhang mit Otto Prutscher nachdrücklich im Jahr 2017 aufgetaucht. Damals kam es zu einer großen Schenkung von Werken dieses Künstlers an das MAK, das danach auch eine Ausstellung über diesen in der Erinnerung vernachlässigten und doch so hochrangigen künstlerischen Allrounders brachte. Hermi Schedlmayer (1941-2018) hatte sich damals von 139 Entwürfen, Objekten und Möbeln Prutschers getrennt, die sie mit ihrem Gatten Fritz Schedlmayer (1939-2013) zusammen getragen hatte. Nun haben die drei Kinder und Erben des Ehepaars dem Leopold Museum gut 200 Stücke von dem, was ihnen noch aus dem elterlichen Wohnsitz, der Villa Rothberger in Baden bei Wien, geblieben ist, für eine bestrickend schöne Ausstellung zur Verfügung gestellt.

Von Renate Wagner

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Fritz und Hermi Schedlmayer   Der verstorbene Fritz Schedlmayer ist im Internet noch als Unternehmensinhaber von BSM Diagnostica nachweisbar, und offenbar brachte der Handel mit Arzneimitteln, Parfümeriewaren, Farben und Lacken, Drogeriewaren, Giften und Chemikalien genug ein, um sich den Luxus erlesenen Kunstsammelns zu leisten. Als das Ehepaar Fritz und Hermi Schedlmayer 1989 die (ehemals in jüdischem Besitz befindliche) Villa Rothberger in Baden erwarben, setzte ihre Begeisterung für den Künstler ein, der das Haus einst umgebaut und neu gestaltet hatte: Otto Prutscher. Nicht nur als Sammler von allem, was sie von Prutscher erwerben konnten, sondern auch mit wissenschaftlichem Interesse setzten sie sich auf seine Spuren. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit ist nach dem Tod der beiden vor zwei Jahren, von einem ihrer Enkel herausgegeben, als Doppelband im Buchhandel erschienen.

Zu Unrecht vergessen     Er zählte zu den bemerkenswerten Multitalenten der Jahrhundertwende – nicht umsonst hat das MAK seine seinerzeitige Ausstellung über Otto Prutscher mit dem Titel „Allgestalter der Wiener Moderne“ genannt. Aber die Nachwelt ist nicht immer gerecht – im Schatten von Kollegen, die ähnlich vielseitig waren wie er, die Möbel und alle Gegentände des täglichen Gebrauchs (es konnte auch ein Polsterüberzug sein, der nach künstlerischer Gestaltung verlangte) gestalteten, die wie er Architekten und Designer waren, also vor allem Josef Hoffmann und Kolo Moser, bliebt Prutscher zumindest für die Nachwelt eher im Schatten.

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Otto Prutscher   Geboren 1880 in Wien, gestorben 1949 ebenda, prägte der Tischlerberuf seines Vaters seine Jugend und auch sein künftiges Schaffen – Otto Prutscher hatte eine intensive Beziehung zu Holz, seine Möbelschöpfungen zeigen, wie differenziert er damit umging. Dennoch wollte er nicht „nur“ Tischler sein und studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule u.a. bei Josef Hoffmann. Sein Aufstieg sowohl in die akademische Welt (als Professor) erfolgte ebenso schnell wie in die Praxis, wo er Mitarbeiter der Wiener Werkstätte wurde. Für die legendäre Wiener Kunstschau 1908 gestaltete er einen eigenen Raum. Als Architekt entwarf er Villen, Privathäuser, Geschäftshäuser, Kirchen, Theater, Kaffeehäuser, und er war nach dem Ersten Weltkrieg als Architekt ebenso für das „Rote Wien“ und dessen Wohnhausanlagen zuständig. Er arbeitet auch für die (Bugholz-) Firma Thonet und war nebenbei ein Allround-Gestalter von nie versagender Einfallskraft, ob er mit Holz, Metall, Keramik oder Textilien arbeitete. Im Dritten Reich kalt gestellt, weil er sich nicht von seiner jüdischen Frau trennte, überlebte das Ehepaar unter schwierigen Bedingungen in Wien. Nach dem Krieg wurde er mit dem Österreichischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Zentralfriedhof.

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Die Villa Rothberger       Die Villa Rothberger wird im ersten Raum der Ausstellung, die das zweite Untergeschoß des Leopold Museums füllt, dokumentarisch dargestellt. Otto Prutscher hatte das Gebäude 1912 für den Textilkaufmann Moriz Rothberger umgebaut. (Ein Foto des pompösen Warenhauses Rothberger, einst am Stefansplatz, ist auch in der Ausstellung zu sehen.) Die Badener Villa war leer, als das Ehepaar Schedlmayer sie kaufte, und sie füllten sie mit Werken, die aus der Zeit des Jugendstils und der Wiener Werkstätte stammten. Die elegante Inneneinrichtung ist in zahlreichen Fotos festgehalten.

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Die Sammlung     Das Leopold Museum hat sich für die von Ivan Ristić kuratierte Ausstellung nur zwei Stücke aus dem MAK geborgt, die ganz besondere Vitrine, die 1908 bei der Kunstschau gezeigt wurde, und die „große Vase als Säule“, die regelrecht abstrakt anmutet. Der Rest stammt aus der Villa und war bisher der Öffentlichkeit unbekannt. Alles ist erlesen, gewissermaßen vom Feinsten – die Möbel mit Lüstern, die Lampen, Uhren, Kerzenleuchter, die Vasen, die Gläser (vor allem die für ihn charakteristischen Stängelgläser), Service und Bestecke, Stoffe und Muster, der Schmuck, die Keramik. Hier gibt es als besonders originelles Stück eine Mosaiknische aus dem Dianabad mit einer Puttenfigur. Alles atmet den Geist der Epoche, der Schönheit und künstlerische Gestaltung auch auf Objekte erstreckte, die sonst als triviale Alltagsgegenstände abgetan werden.

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Die Gemälde     Als wäre das alles nicht genug, führt der letzte Raum der Ausstellung in die „Gemäldegalerie“ der Schedlmayers, die auch sehr „in der Zeit“ gesammelt haben, auch viele Frauen, Broncia Koller-Pinell (mit zwei ganz besonderen Frauen-Porträts) oder Emilie Meditz-Pelikan. Man erkennt eine evidente Vorliebe für Porträts und Frauendarstellungen, und vor der „Moderne“ ist das Ehepaar keinesfalls zurück geschreckt. Man findet Jean Egger, Franz Wiegele oder Anton Faistauer, ebenso auch Karl Hofer, Max Pechstein, Christian Rohlfs, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rotluff oder Ernst Wilhelm Nay. Erstaunlich immer wieder, wie viel Hochwertiges sich in Privatsammlungen findet, was ein interessiertes Publikum im allgemeinen nie zu Gesicht bekommt… Immerhin werden nach dieser Ausstellung einige der Gemälde als Dauerleihgabe in das Leopold Museum eingehen.

WIEN / Leopold Museum / Zweites Untergeschoß:
DIE SAMMLUNG SCHEDLMAYER
EINE ENTDECKUNG!
Vom 10. September .2021 bis zum 20. Februar 2022,  
Täglich außer Dienstag: 10 bis 18 Uhr
An Feiertagen geöffnet!

 

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