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WIEN / Leopold Museum: BIEDERMEIER

Gar nicht brav und gar nicht fad

10.04.2025 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Leopold Museum im MuseumsQuartier (
Zweites Untergeschoß
BIEDERMEIER
Eine Epoche im Aufbruch
Vom 10. April 2025 bis zum 27. Juli 2025

Gar nicht brav und gar nicht fad

Jene Epoche, die man als „Biedermeier“ bezeichnet, umfasste knapp dreieinhalb Jahrzehnte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und war kulturell so reich, dass sie in den österreichischen Museen wieder und wieder behandelt wurde. Dabei verfestigten sich allerdings auch Klischees, die den Blick auf Kunst und Künstler, auf die Zeit und ihre Menschen verengten. Es ist dem Leopold Museum gelungen, mit seiner „Biedermeier“-Ausstellung den Blick zu weiten und nicht, wie sonst üblich, eine „brave“ und ein bißchen „fade“ Epoche des in sich versponnenen Stillstands, sondern „Eine Epoche des Aufbruchs“ zu zeigen.

Von Renate Wagner

Das „Biedermeier“ – eine uns verwandte Zeit    Die Französische Revolution hatte 1789 mehr Ströme von Blut als echte Befreiung gebracht, auch wenn das feudale System der Bourbonen beendet wurde. Doch im folgenden Vierteljahrhundert hat Napoleon Europa mit einer Unzahl nie endender Kriege überzogen, die den Kontinent erschütterten. Mit dem Wiener Kongress 1814/ 15 ordnete man nicht nur Europa neu, sondern drehte auch das Rad der Zeit zurück. Die Nachwelt konnte nicht genug, über das „Metternich’sche System“ der Unterdrückung bürgerlicher Freiheit herabsehen. Wir allerdings, die  wir auch nicht mehr unsere Meinung sagen dürfen, wo die Zensur sogar in literarische Meisterwerke eingreift, die wir bespitzelt und denunziert werden, können uns sehr gut vorstellen, wie man sich im Biedermeier gefühlt hat. Mitsamt den Reaktionen – Rückzug ins Private, Zuflucht in der Kunst und der Natur. Und doch waren viele Bürger damals weit mehr als nur Hausmusik betreibende Spießer… von denen mancher bei der Revolution von 1848 auf die Barrikaden stieg und für das Ende des „Biedermeier“ kämpfte.

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In die Ferne schweifen…   Das Habsburgische Reich war groß, sehr groß, und man konnte nie sagen, dass die Herrscher sich nicht dafür interessierten. Sie konnten nicht ins Flugzeug steigen, um alles schnell zu besichtigen, und sie konnten auch keine Kamerateams ausschicken, um ihnen zu berichten, wie es in allen Ecken und Enden ihrer Monarchie zuging. Die Kaiser reisten selbst, mit ihnen reisten die Künstler, und diese wurden auch solo ausgeschickt, um zu malen. Und man darf nicht vergessen, dass Ungarn mit Budapest, dass Böhmen und Mähren mit Prag, dass auch (tragischen Angedenkens) Galizien (die heutige Ukraine) mit Lemberg bedeutende Großstädte hatten, die mehr oder weniger unter denselben Bedingungen lebten wie Wien. Die Wiener Ausstellung blickt aber auch in den Süden, man hat vergessen, dass die Lombardei und Venetien einst zur Monarchie gehörten (und sich später blutig von ihr befreit haben) – auch hier gab es Künstler, die dem österreichischen Biedermeier zuzuordnen sind, wenn man auch viele Namen nicht mehr kennt. In der Technik, in dem handwerklichen Können standen die Künstler der Kronländer jenen der Kaiserstadt um nichts nach, wie die sorgliche Auswahl der rund 190 vielfältigen Objekte durch Kurator Johann Kräftner zeigt, der sich in vielen Jahren als Leiter der Liechtensteinischen Sammlungen mit viel kostbarem Biedermeier konfrontiert sah. So beginnt die Ausstellung mit jenen Städte- und Landschaftssujets, die die Kaiser (es waren damals nur Franz I. und später sein Sohn Ferdinand, Franz Joseph kam erst nach der Revolution von 1848 zur Herrschaft) von ihrem Reich malen ließen – auch, um die Bilder in den so genannten Guckkästen anzusehen, die schon eine technische Neuerung waren, die später zum Film führten.  Vor allem Hubert Sattler (dessen Familie das berühmte Salzburg-Panorama gestaltet hat) reiste buchstäblich um die Welt.

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Die Expedition von hochkarätigen Naturwissenschaftlern und auch Malern, die Kaiser Franz seiner Tochter Leopoldine mitgab, als sie nach Brasilien reiste, um dort Kaiserin zu werden, haben nicht nur das Naturhistorische Museum um viele Schätze bereichert, sondern auch die Erfahrungen der Menschen dieser Zeit, die von Thomas Ender erfuhren, wie Brasilien aussah… Mit Hubert Sattler  durfte man bis Ägypten blicken (wie Abu Simbel damals aussah), nach Konstantinopel, und damals schon malten die Österreicher orientalische Potentaten und Schönheiten in ihren Gewändern und wurden zu Vorläufern des „Orientalismus“ (heute wohl ein verpöntes Wort), der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufblühte. Und dennoch – die Ausstellung vergißt auch nicht, dass in einem Gauermann-Gemälde heimische Kühe hergetrieben werden. Diese „Heimkehr vor dem Gewitter“ ist übrigens für die Geschichte des Leopold Museums interessant, weil es eines der ersten Bilder war, das Sammler Leopold in jungen Jahren kaufte. Heute kann man es in der Biedermeier-Ausstellung als Beweis nehmen, dass man damals zwar interessiert in die Ferne blickte, aber auch die Nähe nicht vergessen hat..

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Filigran und deliziös    Das Biedermeier war ein Gesamtkunstwerk, Die Dichter Grillparzer, Raimund und Nestroy zeigen bei genauer Betrachtung, dass sie keinesfalls harmlos waren. Die Musik von Schubert und Beethoven ist nicht nur „schön“, sondern unendlich tiefgründig und dämonisch, und die Malerei wird in vielen, sonst vernachlässigten Facetten aufgeblättert.

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Aber man zeigt auch die Mode – Napoleons Epoche, wo die Damen die Kleider bequem unter dem Busen schnürten, war vorbei, die Taille wurde zur Wespentaille, das Dekolleté betont, alles war scheinbar einfach und doch raffiniert, wie einige Kleidungsstücke der Ausstellung ebenso zeigen wie die filigranen Möbel, die mehr dekorativ als bequem waren und auf die man edle Objekte aus böhmischem Glas stellte.

Der andere Blick     Je weiter die Ausstellung fortschreitet, umso klarer wird, dass man das Gängige gemieden und das Ungewöhnliche, wenig Beachtete gesucht hat. Natürlich gibt es die Porträts (die zeigen, wie viel Geld ein Großbürgertun damals schon dafür ausgab, sich konterfeien zu lassen) und die Familienbilder, sind zahlreich  denn „Familie“ war ein ideologisches Zentrum der Zeit. Aber man sieht wenig der so berühmten Genre-Bilder, und wenn, sollen sie einen anderen Blickwinkel einnehmen als üblich.

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Josef Danhausers „Der Pfennig der Witwe“ wirkt fast parodistisch in der Darstellung eines feisten, selbstgefälligen Bürgertums, das sich für seine Spende sogar von den Priestern die Hand küssen lässt. Und Eduard Swoboda thematisierte mit seinem Bild „Va banque“ das Glücksspiel, das wohl nur hinter verschlossenen Türen stattfand. Es gibt Beispiele zu Thematiken, die man gar nicht mit dem Biedermeier in Zusammenhang bringt, etwa Religiöses oder Allegorisches (wie es dann die Malerei der Ringstraßenzeit wieder in hohem Maße aufnahm).

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Eine „Josefine“ ließ sich von dem Prager Künstler Josef Manes fast verschämt mit nacktem Busen im Stil der italienischen Renaissance malen, und die „Schlummernde Frau“ von Johann Baptist Reiter ist von einer Bettdecke nur unzulänglich verhüllt und kann in ihrer durchaus lasziven Haltung und Semi-Nacktheit damals wohl fast einem Soft-Porno entsprochen haben. Biedermeier? Mehr als man denkt!

Leopold Museum im MuseumsQuartier
BIEDERMEIER
Eine Epoche im Aufbruch
Vom 10. April 2025 bis zum 27. Juli 2025
täglich außer Dienstag, 10 bis 18 Uhr,
Juli und August täglich geöffnet

 

 

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