Fotos: Renate Wagner
WIEN / Leopold Museum:
AMAZING:
THE WÜRTH COLLECTION
Vom 5. April 2023 bis zum 10. September 2023
Das Beste vom Besten
„Amazing“ ist der denkbar passendste Titel für die Auswahl der Werke, die das Leopold Museum derzeit aus der Würth Collection bietet. Erstaunlich tatsächlich, wie hier in knapp 200 durchwegs hochrangigen Werken ein „Spaziergang“ durch die Kunstgeschichte seit der zweiten Hälfte des 19- Jahrhunderts geboten wird. Es handelt sich um eine überwältigende Sammlung großer Namen, die alle „-ismen“ der Kunst seit dem Impressionismus bedienen, wie Direktor Hans-Peter Wipplinger formulierte, der für die Auswahl der Werke zuständig war.
Von Heiner Wesemann
Das Imperium Würth Adolf Würth begründete die Firma 1945 für den Handel mit Schrauben und Gewinden in Künzelsau (Bezirk Stuttgart). Reinhold Würth übernahm nach dem Tod des Vaters 1945 als 19jähriger das Unternehmen, das heute unter den größten Familienunternehmen Deutschlands Platz 18 einnimmt. Längst kümmern sich Enkel und Enkelinnen des Paares Reinhold (*1935) und Carmen (* 1937) um alle Bereiche der Firma, zu denen auch Museen für die gut 20.00 Werke aus den Bereichen Malerei, Skulptur und Grafik gehören.
Reinhold Würth Wie er im Vorwort zu dem opulenten Katalog schreibt, hat Reinhold Würth Wien an der Hand der Eltern als Sechsjähriger besucht, und er hält es für möglich, dass die überwältigenden kulturellen Eindrücke dieser Reise seine „spätere Leidenschaft für Klassik und Kunst“ geweckt haben. Die Familie ist nicht nur mit ihren Produkt-Standorten Österreich eng verbunden. Während das von ihm geleitete väterliche Unternehmen wuchs und wuchs, begann Reinhold Würth das erworbene Vermögen in Kunstwerke umzusetzen. Heute gibt es 15 selbst gegründete Museums-Standorte für die Würth-Sammlung mit ihren rund 20.000 Werken. Der Gründer grüßt die Besucher im Foyer des zweiten Untergeschosses in Form jener Büste, die Alfred Hrdlicka von ihm hergestellt hat. Ein Foto zeigt Künstler und Modell bei der Arbeit.
C
Chronologie und Schwerpunkte Hans-Peter Wipplinger hat schon in seinen früheren Tätigkeiten, vor allem in Passau, Beziehungen zu den Würths geknüpft. Das Ergebnis ist eine Ausstellung im Leopold Museum mit rund 200 Werken erster Güte, die chronologisch zusammen gestellt wurden. Es beginnt mit Max Liebermann als Ausgangspunkt und endet mit den heutigen deutschen Meistern.
Dabei zeigt schon der Eingangsraum mit spektakulären Werken, dass Wipplinger auch großes Gewicht auf die Skulptur legte. Tony Cragg setzt hier mit einer „Roten Figur“ einen unübersehbaren Blickfang. Zudem hat Wipplinger den Österreich-Bezug betont und zwei Säle mit Werken heimischer Künstler bestückt. Im übrigen werden immer wieder Schwerpunkte bei einzelnen großen Namen, von Beckmann und Picasso bis Botero, gesetzt.
Der Weg durch die –ismen Impressionismus, Surrealismus, Konstruktivismus, Abenteuer Abstraktion sind die thematischen Schwerpunkte, zu denen es jeweils beeindruckende Höhepunkte gibt, etwa einen dämonischen „Vampir“ von Edvard Munch. Auswahl, Gliederung und Hängung sind beispielhaft. Man beginnt in diesem zweiten Untergeschoß, um ins erste Untergeshoß „aufzusteigen“. Dort setzen die großen deutschen Namen Schwerpunkte – Kiefer, Lüpertz, Richter.
Von Baselitz gibt es nicht nur eine übergroße blaue Skulptur, sondern auch den raren Fall einer nicht verkehrt, sondern gerade stehenden Figur. Besonders originell ist der Christo und seiner Frau gewidmete Raum: Da ist nicht nur eine verpackte Sitzecke amüsant, sondern auch eine verpackte Violine, auf der man dann natürlich nicht spielen kann…
Reich bestückte Österreicher Da die Würth-Museen abseits der üblichen Trampelpfade von Reisenden liegen, bietet diese Auswahl auch bei den Österreichern viel Unbekanntes.
Wipplinger hat neben Hausner (der großartige „Trauriger Europäer“-Kopf gleich in der Eingangshalle) eine breite Palette ausgewählt – Damisch, Brus, Attersee, Bohatsch, Kappa, Scheibl, Brandl, Messensee. Dazu Bemerkenswertes von Maria Lassnig, einen ganz „diskreten“ Nitsch, und von Ernst Wurm hängt „Stürzendes Wasser“ aus Blech und Öl von der Wand. Außerdem gibt es Skulpturen von Wotruba, Hrdlicka, Hoflehner, Anzinger.
Die Soli der „Superstars“ Vier Künstlern sind besondere Schwerpunkte gewidmet: Gleich zu Beginn Max Liebermann mit typischen Meisterwerken. Dann Max Beckmann, dessen Bildnis seiner Gattin, „Quappi in Blau im Boot“, auch als Plakatmotiv dient. Eine unglaubliche Sammlung von Picassos, viele aus seiner kubistischen Periode. Und schließlich Fernando Botero, von dem es nicht nur hoch eindrucksvolle Bildnisses seiner „dicken Damen“ gibt, sondern auch ein ganz besonderes Werk: „Massaker der Unschuldigen“ erinnert (fast vier Meter breit und einen halben Meter hoch) an alte Kirchengemälde – oder auch Comics-Streifen. Erzählt wird eine grausame politische Geschichte von Kirche und Militär, satten Bürgern und gequälten Geschöpfen, voran Kindern…
Leopold Museum, Zweites und erstes Untergeschoß
AMAZING. THE WÜRTH COLLECTION
Bis 10. September 2023.
Täglich außer Dienstag von 10 bis 18 Uhr
An Feiertagen geöffnet