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WIEN / Kunsthistorisches Museum: HÖHERE MÄCHTE

19.05.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Alle Fotos: KHM

WIEN / Kunsthistorisches Museum:
HÖHERE MÄCHTE
Vom 18. Mai 2021 bis zum 15. August 2021

Drittabschlagen der Häuser

Dass Not erfinderisch macht, ist nicht nur ein Sprichwort, sondern eine Notwendigkeit und folglich auch eine Realität. Die Museen haben in der Pandemie einiges an Kreativität erzeugt, die abseits vom Mainstream üblicher Überlegungen angesiedelt sind. So war angeblich die Pestsäule am Wiener Graben, nach einer anderen Pandemie (wobei man sich die Pest wohl noch schrecklicher vorzustellen hat) errichtet, Auslöser für die Idee, sich an das Publikum zu wenden: Welche Amulette verwendet man noch heutzutage, um Schlimmes abzuwenden – Aberglaube oder nicht (der ja unter dem Motto: „Wenn’s nichts nützt, schadet’s nichts“ figuriert). Das Ergebnis: Eine Ausstellung namens „Höhere Mächte“ in drei Teilen, bestückt aus drei Museen.

Von Renate Wagner

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Häuser-übergreifend denken     Das Kunsthistorische Museum hat schon seit längerer Zeit zwei sehr wichtige Häuser in seine „Schirmherrschaft“ unternommen. Das frühere „Museum für Völkerkunde“, heute „Weltmuseum“ genannt und noch immer ein bisschen auf der Suche nach seiner Konzeption. Und das Theatermuseum im Palais Lobkowitz, das über kurz oder lang einer Neupositionierung bedarf. Beide Dependancen sind reich an Objekten (und wohl auch Ideen), sie können das Thema der Höheren Mächte vom Künstlerischen ins Völkerkundliche und Theaterhistorische erweitern. So sind es an die 100 Ausstellungsstücke aus (dank dem Weltmuseum) fünf Kontinenten geworden.

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Die Mächte der Natur    Wenn Peter Paul Rubens eine Gewitterlandschaft malt, mit zuckenden Blitzen, Bäumen, die sich unter dem Sturm biegen, wild herabstürzendem Wasser, dann weiß man, was die Kunst zu den Kräften der Natur beizutragen hat – ebenso wie Arcimboldo, der in seinen „Komposit-Bildern“ nicht nur die Vier Jahreszeiten, sondern auch die Vier Elemente dargestellt hat: Hier sieht man seinen Kopf aus Feuer. Überall auf dieser Erde sind die Menschen den Elementen ausgesetzt und wissen um deren Kraft, die sie letztendlich nicht bewältigen können. So wundert es nicht, dass es am Amazonas Sturmdämonen gibt, und es ist reizvoll, wenn die Allegorie der „Luft“ in einer Oper vorkam („Il Lutto del Universo“, von Kaiser Leopold I. komponiert) – und Ernst Fuchs ihr ein seltsames Kostüm mit schauriger Maske schuf. Einen lieblicheren „Sturm“ malte einst Oskar Laske zu Shakespeares gleichnamigem Theaterstück…

Die Mächte der Menschen   Man mag es in Verfassungen schreiben, dass alle Menschen frei und gleich geboren seien, es ist nie wahr und wird nie wahr sein. In der Stufenpyramide der menschlichen Hierarchien sind Fürsten und Herrscher „ganz oben“, und sie zeigen es mit den Kronen, die sie sich aufs Haupt setzen, mit den überkostbaren Gewändern, in die sie sich kleiden, den Insignien, mit denen sie sich umgeben. Da gibt es Beispiele auch aus der österreichischen Geschichte, etwa jenen Stich, der die „Erbhuldigung“ Maria Theresias zeigt, eine riesige Prozession am Graben (vor besagter Pestsäule übrigens), die Herrscherin in der Kutsche, die Insignien werden ihr vorangetragen. Weit mehr Menschen, als in der Realität am „schmalen“ Graben in Wien je Platz haben würden, sind hier verewigt, einfach, um die Bedeutung des Ereignisses zu betonen. Und man sollte nicht glauben, dass ein Kriegskleid aus der Südsee (logischerweise aus vielen Federn hergestellt) weniger pompös war als ein Prunkharnisch, mit denen Fürsten im europäischen Mittelalter ihre Bereitschaft zum Kampf zeigten. Aber ein Gegenstand muss gar nicht prunkvoll sein, um Macht zu verkörpern – wenn man aus dem Weltmuseum den klassischen Tropenhelm zeigt, den der „weiße Mann“ in den Dschungeln und Wüsten trug die er eroberte, eine Kopfbedeckung, die ihn als die Kolonialmacht auswies. Macht von Menschen über Menschen hat in seltenen Fällen positive Aspekte.

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Und schließlich: die Religion   Wie schützt sich der Durchschnittsmensch vor den Mächten, denen gegenüber er hilflos ist? Religion und Rituale sind in der ganzen Menschheitsgeschichte nachzuweisen, Priester und Schamanen, zwischengeschaltet zwischen Mensch und Gottheit. Man betet in Gotteshäusern, vor Altären, vor Heiligenstatuen – ja, und die Amulette, Talismane, Gebetsschnüre und andere vermeintlich schutzbringende Gegenstände zählen auch dazu. Velasquez hat den kleinen Infanten Philipp Prosper gemalt, der so bleich dasteht und dessen Gewand mit helfenden Schmuckstücken übersät ist (die, wie man weiß, ja doch nicht geholfen haben, der Junge starb – ein Ergebnis vieler Generationen Habsburgischer Inzucht zwischen Wien und Madrid – ja doch mit knapp vier Jahren). Man weiß auch, wie intensiv etwa im 17. Jahrhundert versucht wurde, den Lauf des Schicksal aus den Sternen zu lesen, Rudolf II. tat es, Wallenstein tat es, von ihm gibt es ein Horoskop-Amulett mit Figuren und Schriftzeichen, an denen vermutlich viel herumgedeutet wurde… Von Südamerika bis Indien reichen die Zeugnisse dessen, wie die Menschen versuchen, Gott (oder die Götter) zu erreichen und milde zu stimmen. Denn der Mensch, die angebliche Krone der Schöpfung, ist ja wohl nur eine „arme Haut“ im Vergleich zu dem, was ihm gegenübersteht. Und das gilt für alle Menschen überall, die Beschäftigung damit nimmt nur immer andere Formen an. Das in aller Buntheit aufzufächern, ist die Stärke dieser Ausstellung.

Kunsthistorisches Museum: HÖHERE MÄCHTE
Bis zum 15. August 2021
Geöffnet im Mai: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr. Ab Juni: täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr

 

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