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WIEN / Kunsthistorisches Museum: ARCIMBOLDO – BASSANO – BRUEGEL

Als die Natur zur Kunst wurde

08.03.2025 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Kunsthistorisches Museum:
ARCIMBOLDO – BASSANO – BRUEGEL 
DIE ZEITEN DER NATUR
Kuratorin Francesca Del Torre Scheuch
Vom 11. März 2025  bis zum  29. Juni  2025

Als die Natur zur Kunst wurde

Ein Projekt, das noch unter der vorherigen Direktorin Sabine Haag begonnen worden war, konnte Jonathan Fine, der neue Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, als seine erste Großausstellung bieten, und sie ist in vieler Hinsicht spektakulär ausgefallen. Die Neuentdeckung der „Natur“ in der Renaissance wird in einer Fülle großartiger Werke dargeboten, wobei Arcimboldo und Bruegel immer schon zu den Zugpferden des Hauses zählen und die Familie Bassano nun zu ihrem Recht kommt. 140 Objekte zum Thema „Die Zeiten der Natur“ umfassen auch Kleinplastik, Bücher, Tapisserien, Globen und eröffnen schwelgerisch eine Kunst- und Geisteswelt, deren Reiz man immer wieder erliegt.

Von Renate Wagner

Die Renaissance   Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts wurde den Menschen Europas ihre mittelalterliche Welt endlich zu eng. Man blickte sich um, in die Vergangenheit, um die Errungenschaften der griechischen und römischen Antike neu zu entdecken, in die Zukunft, auf der Suche nach künftigem Wissen auf Gebieten der Technik, der Naturwissenschaften, des Fortschritts. Und man sah die Welt, in der man lebte, und entdeckte (abseits der damals schon überfüllten, engen, schmutzigen Städte) die Natur neu. Sie vor allem trat in zahllosen Variationen in die Kunst ein.

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Gewiß hatte es auch in mittelalterlichen Gemälden „Natur“ im Hintergrund gegeben (besonders originell, wenn der Schottenmeister die Heilige Familie vor dem Hintergrund Wiens und des Wienerwalds nach Ägypten fliehen ließ), aber ihren wahren Stellenwert fand die Natur erst in der Renaissance – wenn etwa für Giorgione nicht nur seine „ drei Philosophen“ wichtig waren, sondern fast noch dominierender der dämonische Wald, in dem sie sich befinden…. Die Natur glitt in alle künstlerischen Lebensbereiche, man studierte sie (Albrecht Dürer ist etwa mit seiner berühmten „ Toten Blauracke“ aus der Albertina vertreten, wo er so genau das Gefieder des Vogels wiedergibt), man befragte sie nach allen Richtungen, sowohl in ästhetischer wie in rein praktischer Hinsicht (Bauern, Anbau, Handel).

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Arcimboldo     Drei Namen locken in die Ausstellung, der erste ist jener von Giuseppe Arcimboldo (1526–1593), der aus Mailand stammenden Allround-Künstler, der drei Generationen von Habsburgern diente (zuerst Ferdinand I., dem Bruder von Karl V., dann dessen Sohn Maximilian II., schließlich dessen Sohn Rudolf II. in Prag). Dadurch kam Wien zu seinem besonderen Bestand der so genannten „Komposit-Bilder“, allegorische Gestaltungen der vier Jahreszeiten und der vier Elemente, wo Menschenköpfe etwa aus Blumen („Frühling“), Früchten („Sommer“) oder trockenen Zweigen („Winter“) zusammen gesetzt werden.

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Es ist für diese Ausstellung gelungen, sieben Arcimboldo-Werke nebeneinander zu hängen, weil wichtige Institutionen zu leihen bereit waren (aus der Fürstlichen Sammlung Liechtenstein kam etwa die „Erde“, schaurig zusammen gesetzt aus toten Tieren). Es ist faszinierend, die Bilder so „auf einem Fleck“ zu sehen, aber es gibt noch einen „Drüberstreuer“ – bevor man die Ausstellung verlässt, sieht man, aus Washington geliehen, das schier  unheimlichste Bild des Manierismus, „ Die Vier Jahreszeiten in einem Kopf“.

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Pieter Bruegel    Pieter Bruegel d.A. (1525/30–1569) wurde von den Habsburgern nachdrücklich gesammelt. Drei seiner legendären Landschaftsbilder hängen nun in der Ausstellung direkt nebeneinander, und ob es die herbstliche Darstellung von der „Heimkehr der Herde“ ist, ob die winterliche mit dem Titel„ Jäger im Schnee“, dazwischen der stimmungsvolle „Düstere Tag“,  immer sind die Menschen weniger wichtig als die Natur und die Tiere, denen der Künstler seine besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Auch hier handelt es sich um Bilder zu den „Jahreszeiten“, die damals besonders beliebt waren.

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Die Künstlerfamilie Bassano     Das Kunsthistorische Museum verfügt über einen Bassano-Saal, wo die Pressekonferenzen und Vorträge stattfinden. Dabei sind die Bassanos nie nach Wien gekommen – ihre Werke schon, dank einer intensiven „Werkstatt“-Tätigkeit mehrerer Generationen, die den Markt in ganz Europa belieferten und deren Werke so gefragt waren, dass Fürsten sie als Geschenke unter ihresgleichen verwendeten. Sie hießen eigentlich da Ponte, wurden aber nach ihrer Heimatstadt Bassano genannt. Jacopo Bassano (1510/12–1592), Sohn des Malers Francesco Bassano (um 1475–1539),  erlangte Ruhm weit über Italien hinaus, weil er ein eigenes Genre erfand – die „biblische Pastorale“. Er verband religiöse Thematik mit prachtvollen Naturdarstellungen, die von ebenso viel Liebe zum Sujet wie von höchster Kunstfertigkeit zeugten. Gearbeitet wurde bei den Bassanos in Werkstätten, die von Venedig aus an den damaligen Welthandel der Kunst anknüpften. Sein ältester Sohn Francesco Bassano, genannt der Jüngere (1549–1592), Leandro Bassano (1557–1622) und die weiteren Söhne Giambattista Bassano (1553–1613) und Gerolamo Bassano (1566–1621) waren alle im Familienbetrieb tätig. Kein Wunder, dass die Ausstellung ihnen fast ausschließlich den größten Saal widmet mit ihren großformatigen, detailreichen Werken, in denen die Natur eine so besondere Rolle spielt..

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Die Natur ist überall   Das Kunsthistorische Museum verfügt bekanntlich über viele Abteilungen und hat nicht nur seine Gemäldegalerie für diese Ausstellung geplündert – besonders üppig ist der Beitrag der Kunstkammer, die ja mit Objekten der Renaissance besonders reich bestückt ist. Ob Kleinplastik, ob Geschirr, ob Tapisserien oder wissenschaftliche Werkzeuge, alles ist hier vertreten, und natürlich auch die Globen, denn die Neugierde nach der „Welt“ war groß (und hatte den Habsburgern durch Columbus ja auch ihre überseeischen Provinzen beschert).

 

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Aus Büchern lernen      Und da sind auch noch die Bücher in besonders reicher Zahl. Damals wusste man, was wir angesichts der Smartphones vergessen, dass man aus Büchern lernen, dass man in Büchern Wissen vermitteln und aufbewahren kann. Es gab die Kunst des Buchdrucks, es gab die Kunst von Kupferstich und Holzschnitt, die die Bebilderung erlaubten, und es gab schier unendliches Interesse an der Natur. Flora und Fauna wurden dargestellt, und in der richtigen Erkenntnis bebildert, dass Worte nie ausreichend beschreiben können, was ein Bild zu zeigen vermag… Solcherart war die Welt voll illustrierter Bücher für interessierte Menschen. Glücklicherweise gibt es zumindest im KHM (und in der Albertina) noch Bücher – nämlich Kataloge (die andere Wiener Direktoren wie jener des Wien Museums zum Beispiel glatt verweigern). Auch hier kann man, in Nachbereitung der Ausstellung, die viel zu detailliert ist, um beim ersten Besuch  alles wahrzunehmen, etwas lernen. Und natürlich schauen und staunen.

WIEN / Kunsthistorisches Museum:
ARCIMBOLDO – BASSANO – BRUEGEL 
DIE ZEITEN DER NATUR
Vom 11. März 2025  bis zum  29. Juni  2025
Täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr,
Donnerstag und Samstag bis 21 Uhr

 

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