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WIEN / Kunstforum: PIERRE BONNARD

10.10.2019 | Ausstellungen, KRITIKEN


Fotos: Wesemann

WIEN / Bank Austria Kunstforum:
PIERRE BONNARD
DIE FARBE DER ERINNERUNG
Vom 10. Oktober 2019 bis zum 12. Jänner 2019

Der Wohlfühl-Künstler?

Auf den ersten Blick meint man, man habe seit langem keine Ausstellungsräume so hell, freundlich und farbig erlebt. Das Kunstforum Bank Austria präsentiert eine Großausstellung über Pierre Bonnard (1867–1947), die von der Londoner Tate Gallery, wo sie in der ersten Hälfte des Jahres zu sehen war, nun nach Wien gekommen ist – als erste große Retrospektive Bonnards hierzulande. Damit stellt man einen Künstler zur Diskussion, der sich bei genauer Betrachtung aus der Schar seiner berühmten Zeitgenossen deutlich heraushebt.

Von Heiner Wesemann

Pierre Bonnard Geboren am 3. Oktober 1867 in der Nähe von Paris, Sohn aus einer Beamtenfamilie, schloß er sich schon während seines Kunststudiums der Künstlergruppe „Les Nabis“ und machte die wichtige Bekanntschaft mit einem er führenden Kunsthändler seiner Zeit, Ambroise Vollard. Seine künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten umfassten das Spektrum von Malerei, Graphik und Illustration. Er entwarf Plakate (war auf diesem Gebiet bedeutend), stattete Theaterstücke aus, schuf Möbel. Er reiste viel, beteiligte sich an Ausstelllungen. Nach der Jahrhundertwende „entdeckte“ er Südfrankreich für sich, was für seine Kunst und ihre spezifische Behandlung der Farbe als starkes, zentrales Element entscheidend wurde. Anders als etwa sein Bekannter Toulouse-Lautrec, der die schrille Welt der Pariser Unterhaltung zum Thema machte, bliebt Bonnard lebenslang der „stillen“ Motivik von Landschaft, Meer und weiblichen Akten treu. Als „Post-Impressionist“ eingestuft, starb er hoch geschätzt am 23. Januar 1947 in seinem 80. Lebensjahr der Nähe von Cannes.

Er war anders Er war ein Zeitgenosse der Großen, die der französischen Kunst ihrer Zeit den Stempel aufgedrückt haben. Und gerade im Vergleich zeigt sich, wie „anders“ Pierre Bonnard ist. Er malte nackte Frauen, wobei meist die eigene Geliebte, spätere Gattin Marthe sein Modell war, aber er stellte sie erotisch nicht aus, verweigert üppige sinnliche Nacktheit, ließ sie nicht herausfordernd paradieren, sondern wirkt wie im vertrauten Gespräch mit ihr, quasi wie „privat“. Selbst wenn er eine nackte Frau und einen nackten Mann, sie im Bett, er daneben stehend, zum Thema macht, verschmäht er das erotische Element. Er malt Landschaften, aber er ist bei allem unikatem Einsatz der Farbe auch hier nie vordergründig spektakulär. Das Land und das Meer werden ebenso meditativ betrachtet wie Genreszenen aus dem Alltag, die oft inhaltlich so banal erscheinen, dass man sich fragt, was einen Maler daran interessiert. Aber wahrscheinlich geht es gerade um die Alltäglichkeit. Man begegnet einem Künstler, der weder Schönheit noch Malkunst zelebriert, sondern schlicht und einfach hinstellt.

Der individuelle Blick Bonnard ist kein Realist, nie malt er genau ab, was er gesehen hat, sondern gestaltet die Dinge aus der Erinnerung nach seinen eigenen Wünschen. Oft muss man die Bilder genauer betrachten, um etwa räumliche Zusammenhänge zu erblicken. Er wählt Blickwinkel, die fast befremden (etwa dort, wo die nackte Frau in der Badewanne liegt – ein wiederkehrendes, in Variationen gestaltetes Motiv). Oft scheinen sich die Menschen in seinen Bildern zu verstecken, man entdeckt sie, wie in Vexierspielen, plötzlich hinten auf einem Balkon oder hinter einem Blumenstrauß. Nie ist gewinnende Ästhetik sein Ziel, immer nur seine ureigenste Betrachtungsweise. Womit sich am Ende, beim genauen Hinsehen zeigt, dass seine Welt doch nicht so harmonisch ist, wie es den äußeren Anschein hat.

WIEN / Bank Austria Kunstforum,
1010 Wien, Freyung 8:
PIERRE BONNARD
DIE FARBE DER ERINNERUNG
Bis zum 12. Jänner 2019,
täglich 10 bis 19 Uhr, Freitag bis 21 Uhr

 

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