WIEN / Bank Austria Kunstforum:
MERET OPPENHEIM. Retrospektive
Vom 21. März 2013 bis zum 14. Juli 2013
Die Damenspende für den Surrealismus
Am 6. Oktober jährt sich zum hundertsten Male der Geburtstag von Meret Oppenheim, der gebürtigen Berlinerin, die eine so weibliche Note in den Surrealismus brachte. Mag es auch viel Gejammere geben, wie schwer Künstlerinnen aufgrund ihres Geschlechts ihren Platz in der „Szene“ finden, so ist es Meret Oppenheim gerade durch den weiblichen Aspekt gelungen, ihren Ruf zu erringen – welcher Künstler wäre schon mit 23 Jahren mit der Idee einer „Pelztasse“ nachhaltig berühmt geworden? Die Ausstellung im Bank Austria Kunstforum zeigt allerdings, dass es über Meret Oppenheim noch viel, viel mehr zu zeigen und zu sagen gibt als die leicht fasslichen Schlagworte.
Von Renate Wagner
Meret Oppenheim Geboren 1913 in Charlottenburg, aufgewachsen in der Schweiz, beschloss sie mit noch nicht 20 Jahren Künstlerin zu werden und reiste nach Paris. Dort waren die Möglichkeiten, sich als „Muse“ zu etablieren, anfangs größer als jede andere – aber welche Muse wäre schon nachhaltig berühmt geworden, es sei denn jene Gala, die sich auch im Kreis um André Breton bewegte, die später Dali heiratete und mit der Meret Oppenheim immerhin Max Ernst als Liebhaber gemeinsam hatte… Mit der „Pelztasse“ erlebte Meret Oppenheim 1936 ihren künstlerischen Durchbruch, stellte aus, musste allerdings lange mit Modeentwürfen ihr Brot verdienen. Nach Schaffenskrisen und dem Krieg etablierte sie sich in der Schweiz im Kreis um Daniel Spoerri, klingte sich in die feministische Diskussion ein, war als Künstlerin auf vielen Gebieten höchst erfolgreich und erlebte bis zu ihrem Tod am 15. Oktober 1985 viele Ehrungen.
Das Gesicht der Meret Oppenheim Die Ausstellung zeigt nicht nur gut 200 Werke, die Kuratorin Heike Eipeldauer für diese Retrospektive des Kunstforums (die erste in Österreich) zusammen getragen hat, sondern auch dokumentarisches Material. Sich in der Jugend von Man Ray nackt fotografieren zu lassen, war damals mutiger als heute. Spätere Bilder ihres immer härter werdenden Gesichts fallen unter den Begriff „Maskeraden“ (das Plakatfoto zeigt sie mit abenteuerlicher Gesichtssbemalung, wie man sie bei Naturvölkern findet), und sich selbst als (auch zunehmend androgynes) Kunstwerk zu zelebrieren, gehörte wohl zum surrealen Selbstbewusstsein.
Woher die Einfälle einfallen… Die Formulierung „Man weiß nicht woher die Einfälle einfallen“ stammt von Meret Oppenheim selbst, und erst wenn man durch die Wiener Ausstellung geht, spürt man auch die thematische Vielfalt dieser Künstlerin, die im ersten Raum links ihre klassische Seite zeigt – die Auseinandersetzung mit Weiblichkeit, Erotik, Fetischismus, und da gehören bei Frauen ja Pelz, Schuhe, Handschuhe, Accessoirs dazu. Das Kunstforum konnte zwar die Pelztasse nicht bekommen, aber die Pelzhandschuhe à la surreal und das verfremdete Eichhörnchen (ein Bierkrügerl mit Pelzschwanz) sind ebenfalls Eyecatcher – und das „Büstenhaltercollier“ erst recht.
Verspielt und sehr frech Die Ausstellung schreitet zahlreiche Themenschwerpunkte der Meret Oppenheim aus, ob „Natur“, „Träume und Unbewusstes“, Fabelwesen, das Spielerische an sich, das in ihrem Schaffen eine so große Rolle innehat – nicht nur in ihren Maskenparaphrasen. So vieles an ihren Plastiken etwa wirkt einfach wie der verspielte Versuch, „irgendetwas“ zu machen, wie Kinder es tun, und als „Kunst“ akzeptiert man es dann nur im Zusammenhang mit dem großen Namen (da ist sie nicht die einzige).
Verbindungen allerorten Es sind wohl bewusste Zitate, nicht Nachahmungen (damit wäre sie nicht weit gekommen), denen man in der Ausstellung immer wieder begegnet – ob sie Magrittes Eisenbahn, die aus einem Kamin kommt, paraphrasiert (allerdings in einem Holzkasten, mit der faktisch nicht zu belegenden Bezeichnung „tierköpfiger Dämon“), ob sie der „Eat Art“ von Spoerri ein Beispiel hinzufügt, ob sie in ihrer Malerei faktisch an die meisten ihrer großen Kollegen erinnert. Das Besondere der Meret Oppenheim bleibt letztlich das, was sie von anderen unterscheidet – der weibliche Aspekt, die mit leichter Hand beschworene Erotik. Womit man dann doch wieder beim Klischee angelangt ist…
Bis 14. Juli 2013, täglich 10 bis 19 Uhr, Freitag bis 21 Uhr
Katalog im Hatje Cantz Verlag