WIEN / Kunstforum:
MAN RAY
Vom 14. Februar 2018 bis zum 24. Juni 2018
Magie aus der Dunkelkammer
Nein, es gäbe kein Jubiläum zu begehen, meinte Ingried Brugger, die Direktorin, Bank Austria Kunstforum Wien, bei der Pressekonferenz (vielleicht mit einem kleinen Seitenhieb auf die anderen Häuser, die runde Gedenktage der Großen auf und ab spielen, sprich ausstellen). Es war das Publikum des Kunstforums, das einst bei einer Befragung, welcher Künstler von Interesse wäre, Man Ray gewählt hat. Mit einiger Sicherheit meinten die meisten damals nur den Fotografen. Kuratorin Lisa Ortner-Kreil allerdings dachte weiter – an den Allroundkünstler Man Ray. Dieser wird nun in über 150 Werken, die aus den großen Kunst-Institutionen aus aller Welt komen, umfassend vorgestellt.
Von Heiner Wesemann
Man Ray Geboren 1890 als Emmanuel Radnitzky in Philadelphia, gestorben 1976 im Alter von 86 Jahren in Paris, wurde er am Cimetière du Montparnasse beigesetzt: Frankreich war seine zweite Heimat. Die ersten 30 Jahre seines Lebens verbrachte Man Ray in den USA, vor allem New York. Er traf in dieser Zeit den französischen Konzeptkünstler Marcel Duchamp, mit dem er ideologisch lebenslang verbunden war. Als Man Ray 1921 nach Paris ging, fand er sich sofort als wichtiges Mitglied in der Welt der Dadaisten und Surrealisten, die sich ja 1924 ideologisch formulierten und in deren Geisteswelt er zuhause war. 1940 ging er auf Flucht vor den Nazis zurück in die USA, wo er bis 1951 in Hollywood lebte, bis er nach Paris zurück kehrte, wo er bis zu seinem Tod blieb. Hatte er sich in seiner Frühzeit als Maler und Zeichner betätigt, wurde er schon in seinen ersten französischen Jahren ein nicht nur gefragter, sondern auch künstlerisch innovativer Fotograf – und das sollte später seinen wahren Weltruhm ausmachen.
Der Maler und Zeichner – die Kollegen lassen grüßen…. Der Besucher im Kunstforum wird in der Eingangshalle mit einem riesigen Foto von Man Ray begrüßt und dann in den linken Saal zu seinem Frühwerk gebeten. Es handelt sich um kraftvoll-farbige Gemälde, die ihren „französischen“ Einfluß nicht leugnen können. Als Fotograf fast ausschließlich „schwarz weiß“ (erst in seinen späten Jahren befasste er sich mit Farbfotografie), ist er – wie man im Lauf der Ausstellung sehen kann – immer wieder zur Malerei zurückgekehrt und verschränkte auch die Thematik zwischen den Künsten: Später malte er seine Fotos, allerdings stets mit großen Veränderungen. Allerdings ist Man Ray gerade als Maler und Zeichner seinen großen Zeitgenossen Picasso und Dali verwandt, aber letztlich nicht ebenbürtig. Sein Gemälde „La Fortune“, ein Billardtisch unter stilisierten Wolkenformationen, atmet Dali, ohne ihn zu erreichen.
Die Kunst der Objekte Da es das Ziel dieser Ausstellung ist, Man Ray in der Vielfalt seiner „Künste“ zu zeigen, hängen hier auch Kleiderhaken über einem Koffer (er hat sich der damals virulenten Kunst der „Ready-mades“, der Alltagsgegenstände in der Kunst, verschrieben). Nicht immer ist er so eindeutig wie mit seinen zwar verfremdeten, aber doch erkennbaren Schachfiguren. Im zentralen Saal sieht man Kleinplastiken, die zu beschreiben nahezu die Möglichkeiten der Sprache übersteigt, weil die Form keine Interpretation zulässt – im Gegensatz zu „klassischen“ surrealen Objekten wie etwa „Mr. Knife und Miss Fork“, Messer und Gabel mit einem per Netz verhüllten Teller dazwischen. Es ist der Ausstellungskuratorin auch gelungen, immer wieder ähnliche Thematik durch verschiedene Kunstformen zu verfolgen. Nicht zu vergessen sind seine surrealen Kurzfilme, die in einem eigenen Raum der Ausstellung gezeigt werden oft mit Jazzmusik unterlegt und auch manche seiner fotografischen Kunststücke umsetzen.
Zauberer in der Dunkelkammer Ein Foto ist bei Man Ray nicht einfach ein Foto, sondern auch ein – oft spielerisch zu begreifendes – bewusstes Kunstwerk. Er hat dazu auch verschiedene Techniken entwickelt, ob es Unschärfe war, Überlappen, Verdoppelungen, Spiegelungen, Einfügungen, Verzerrungen oder das Verändern des Bildes durch beim Entwickeln eingefügte Partikel. Von ihm experimentell entwickelte Techniken sind heute etwa als „Rayographie“ ein Begriff, wo er ohne Kamera arbeitete und Objekte auf Fotopapier legte und beleuchtete. Zusammen mit Lee Miller, die sich ihm als Assistentin antrug und von 1929 bis 1932 eine wichtige und kreative Mitarbeiterin war, entwickelte er die „Solarisation“, die Überbelichtung als künstlerischer Effekt. All dies war nur in der Welt der analogen Fotografie möglich.
Künstler, Mode, Glamour Es ist einer der faszinierenden Widersprüche im Leben von Man Ray, dass er einerseits voll in der Welt der experimentellen, vom Mainstream abweichenden Kunst zuhause war – und dennoch viele Jahre, als er wieder in den USA lebte, auch als Modefotograf für Vogue, Vanity Fair, Harpers Bazaar und andere prestigeträchtigen Magazine tätig war und weltberühmte Porträts seiner Zeitgenossen geschaffen hat. Das betraf nicht nur in der Frühzeit die Dadaisten und Surrealisten wie Tristan Tzara oder Andre Breton, sondern auch Künstlerkollegen wie Picasso und Dali, später Künstler anderer Genres wie Virginia Woolf, Cocteau oder Schönberg, oder Filmstars, wobei das Bildnis von Ava Gardner aus dem Jahr 1950 stammt, Catherine Deneuve (1968) hingegen aus seiner Spätzeit.
Spiel mit dem Porträt Er hat nicht nur Münder, Augen, Hände gezeichnet und verfremdet, Man Ray spielte auch mit dem dreidimensionalen Porträt, ob es ein fiktiver Marquis de Sade war oder – er selbst. Im letzten Raum hängt er mit seinem Autoporträt von 1937 (1971 überarbeitet) an der Wand, das Gesicht aus Bronze, mit grotesken viereckigen Brillen als Plexiglas bereichert. Letztendlich ist er sich selbst immer treu geblieben.
Bank Austria Kunstforum Wien: Man Ray
Bis 24. Juni 2018, täglich 10 bis 19 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr