Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN / Kunstforum: GERHARD RICHTER – LANDSCHAFT

03.10.2020 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Kunstforum:
GERHARD RICHTER – LANDSCHAFT
Vom 1. Oktober bis zum 14. Februar 2021

Der Künstler und die Irritationen

„Landschaft“ ist in der bildenden Kunst ein ganz wichtiges Genre. Im Mittelalter schlich sie sich in den Hintergrund von Heiligenthemen, im Barock war sie Teil und Accessoire von vielen Bildern aus Antike und Mythos, im 18. und 19. Jahrhundert gewann sie Eigencharakter. Jeder Stil, jeder Blickwinkel, jede Stimmung schien möglich, aber eines war klar: „Landschaft“ irritierte den Betrachter so gut wie nie, man kannte sich aus, konnte damit umgehen. Wie viel Irritationen in dem Thema stecken mögen, das zeigt nun die Ausstellung für Gerhard Richter, weltberühmt und in Wien bis dato unterrepräsentiert, wobei man sich im Kunstforum Wien speziell seinen Landschaften gewidmet hat.

Von Renate Wagner

Gerhard Richter    Er ist heute der Doyen der deutschen Malkunst, der 1932 in Dresden geborene Gerhard Richter, dessen Preise im Kunsthandel astronomisch hoch sind. Es heißt, dass der deutsche Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck 2018 seinen Film „Werk ohne Autor“ nach dem Schicksal Richters gestaltet hat – der Junge, der in der Nazizeit die Bombardierung Dresdens überlebte, der in der DDR sein Talent für kommunistische Auftragswerke einsetzen musste, der 1961 mit seiner Frau in den Westen floh und zuerst in Düsseldorf jenen Raum fand, in dem er sich und seine spezielle, gänzlich innovative und anti-akademische Kunst entfalten konnte. Er war in vielem so radikal, dass auch die Bundesrepublik mit ihm so wenig leben konnte wie die DDR (man entzog ihm die Professur). Der Siegeszug von Gerhard Richter, der nach Köln übersiedelte, wo er heute noch lebt und arbeitet, war nicht aufzuhalten und mündete in internationalen Ruhm. Erst vor ganz kurzer Zeit – bevor die Wiener Ausstellung eröffnet wurde – hat er im September 2020 verkündet, dass er nun als 88jähriger „den Pinsel aus der Hand legen“ wollte. Sein Gesamtwerk ist eindrucksvoll genug, umfasst nicht nur verschiedene Genres, sondern Epochen seines Schaffens, in denen er sich immer wieder neu erfand.

Die Ausstellung   Die Wiener Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Zürich entstand und von Seiten des Kunstforums von Lisa Ortner-Kreil betreut wurde (ihre eindrucksvolle Führung anlässlich der Pressekonferenz ist auf YouTube nachzusehen), umfasst in ihrem Endstand nun 130 Werke – Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotoarbeiten, Künstlerbücher und Objekte. In einer Vorbereitungszeit von nicht weniger als fünf Jahren ist es gelungen, Werke von ca. 50 Leihgebern weltweit nach Wien zu bringen. Schon das zeigt den Rang des Unternehmens, wobei die Konzentration auf das eine, so besondere „Landschafts“-Thema ermöglicht, den vielen Gesichtern des Künstlers Gerhard Richter nachzuspüren.

Wolken und Wolken… Ausgeschlossen, dass die deutsche Landschaftsmalerei an Caspar David Friedrich (1774-1840), der übrigens in Richters Geburtsstadt Dresden gestorben ist, vorbei geht. Denn schon er gibt mit seinen unikaten Gemälden vor, dass eine Landschaft nicht nur eine Landschaft ist, sondern dass ihr auch ein Subtext innewohnt. Richter nimmt sich durchaus das gängige Motivmaterial her – Wolken stehen am Beginn der Ausstellung und am Ende. Da ist das Meer, da ist Wald, da ist der Himmel und der verschwimmende Horizont. Da sind Sterne.. Oder auch eine Promenade am Wasser.

Real, abstrakt?   Richter kann ganz real sein (Eindrücke aus Ägypten begrüßen zentral im Eingangstrakt) und nach Eigenaussage abstrakt. Wobei „abstrakt“ und „Landschaft“ wie ein Widerspruch wirken. Aber dann funktioniert, was die Kuratorin bei Richter rät – näher herantreten, noch einmal schauen. Dann offenbart das gewaltige Tryptychon „St. Gallen“ (6,8 Meter breit), das nur wie ein grandioses Spiel von Farben und Linien wirkt, bei näherem Hinsehen doch „Landschaftliches“, ist da nicht ein Teich, in dem sich Bäume spiegeln? Ebenso, wenn man vor scheinbar nur Strichen in grün / braun / beige steht und es in die Abstraktion schieben möchte: Der Hinweis „Dschungelbild“ macht Lianen, Dickicht und einen Lichtfleck darin erkennbar.

Der Meister der Stile     Aber es sind nicht nur Inhalte, erkennbare und zu suchende, die an Richters Bildern faszinieren. Er hat bekanntlich in aller Vielfalt gearbeitet (nur eines nicht: Landschaft nach der Natur gemalt). Er übermalte immer wieder – Fotos, Zeitschriftenausschnitte, Graphiken. Simultane Welten erscheinen, immer wieder stellt die Kunst alles in Frage, zeigt aber auch, was alles möglich ist. Eine Herausforderung für das Publikum – am zweiten Tag der Öffnung war der Besuch der Ausstellung am späten Vormittag dicht, was nur beweist, dass Kunstfreunde auch in Corona-Zeiten aus ihren Wohnungen kommen, wenn man ihnen das Besondere bietet.

Bank Austria Kunstforum, 1010 Wien, Freyung
GERHARD RICHTER – LANDSCHAFTEN
Bis 14. Februar2021
Öffnungszeiten: täglich 10 bis 19 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr
www.kunstforumwien.at

 

Diese Seite drucken