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WIEN / Kosmos Theater: NACHSAGUNGEN

Das Unbegreifliche umkreisen

03.05.2024 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: (© Bettina Frenzel

WIEN / Kosmos Theater:
NACHSAGUNGEN von Marlene Streeruwitz
Uraufführung
Premiere: 3. Mai 2024 

Das Unbegreifliche umkreisen

Femizide – um dieses Thema kommt man in Österreich nicht herum. Zu oft liest man von Frauen, die von ihren Männern oder Partnern ermordet werden, Beziehungstragödien, wo oft nicht gerade mitfühlend, aber gewissermaßen neugierig nach den Motiven der Täter gefragt wird. Der Abend „Nachsagungen“ im Kosmos-Theater strebt einen Perspektivwechsel an.

Man kennt die Autorin Marlene Streeruwitz als besonders gnadenlos. Mit einem Schreibauftrag (von wem genau, wurde nicht definiert) befasste sie sich als Vorgabe mit „begünstigenden Strukturen“ hinter den Femiziden. Heraus gekommen sind ein halbes Dutzend Monologe verschiedener Frauen, die letztlich alle dasselbe reflektieren: Die Hilflosigkeit der Umwelt angesichts des Themas. Die Autorin umkreist das Unsagbare, Unbegreifliche und kommt – möglicherweise absichtlich – zu keinen Antworten und keinen Erkenntnissen.

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Da hat eine Frau  in der Zeitung gelesen, dass ihre ehemalige Freundin, die sie nach deren Eheschließung aus den Augen verloren hat, von ihrem Mann ermordet wurde. Wie hätte man das ahnen können? Da erzählt, leicht am Thema vorbei, eine Frau, wie sie von ihrem Mann bei der Trennung gedemütigt und über den Tisch gezogen wird. Da fragt sich eine alte Polizistin, wie man damit umgeht, vor den Ergebnissen der Gewalt zu stehen. Und eine Sozialarbeiterin geht eher allgemein mit der „Wut“ der Täter um… Es ist wenig Faßbares in den Reflexionen, die hier geliefert werden.

Der Ein-Stunden-Abend wird von Laura Andreß und  Stefan Schweigert als künstlerische Leiter spartanisch gehalten, ein paar Lichtschranken, Musik, Rauch, keine weitere Szenerie. Für die starke Stimmung der Aufführung ist Gerti Drassl als einzige Darstellerin zuständig, es gibt Schatten, Silhouetten im Hintergrund, die wohl für ungenannte Schicksale stehen, die von der Autorin zwar eingefordert, aber nicht geliefert werden.

Gerti Drassl hingegen ist mit minimalen optischen Veränderungen jedesmal eine andere Frau im Habitus, in der Sprache, im Alter, im Temperament. Und jedes Mal bohrt sie sich unpathetisch in die Fragen, die keine Antwort finden.

Ohne die Leistung der Interpretin auch nur im geringsten schmälern zu wollen, hätte man sich angesichts der Thematik und der Autorin doch einen intensiveren Abend erwartet – mehr Analyse und Attacke als kraftlose Resignation. 

Renate Wagner

 

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