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WIEN/ Konzerthaus/Berio-Saal: KonsPercUssion – Ensemble Platypus und Gäste

WIEN/ Konzerthaus 5. Oktober 2013 – Berio Saal: KonsPercUssion
Ensemble Platypus und Gäste

George Henry Jackson Dirigent
George Henry Jackson (Dirigent)

Erst vor ein paar Monaten machte George Henry Jackson, der junge Dirigent aus Großbritannien, auf sich aufmerksam, als er mit der Österreich-Premiere von Michael Jarells Komposition “Ombres“ als Einspringer im Mai 2013 sein Debüt im Wiener Musikverein feiern konnte.

Der 26-jährige Jackson aus West-London hatte sich nun wieder einige besondere „Zuckerl“ ausgesucht, mit dem er seine immer zahlreicher werdenden Fans in Wien beeindruckte: Den „Marathon V“ , die 5te Ausgabe des Festivals für junge zeitgenössische Musik, ein Mega-Event im Wiener Konzerthaus, bei dem an vier Abenden nicht weniger als 40 kurzweilig zusammengewürfelt Kompositionen verschiedenster Provenienz und unterschiedlichster, teilweise sehr avantgardistischer Besetzung (z.B.  Kunststoffperlen, die über Pauken kullern) präsentiert wurden.

Ensemble Platypus_Dirigent George Henry Jackson_ Steven Heelein mixtures EA 5 10 2013 Konzerthaus Wien
Bläserquintett vom Ensemble Platypus – Dirigent George Henry Jackson und im Bildvordergrund der Komponist Steven Heelein (Erstaufführung von „mixtures“)

Der Andrang war enorm, auf beiden Seiten: Die Organisatoren des Festivals, der nur mit geringen Beiträgen geförderte Verein Platypus (die Erklärung, warum sich der Verein einen so ungewöhnlichen Namen  wie „Schnabeltier“ gab,  würde hier ein bisschen weit weg führen) , musste eine Auswahl aus 500 eingesendeten Werken treffen.

Das Publikum wurde nicht nur durch die oft erst nach dem Loslassen klassischer Vorstellungen gefundenen  Ästhetik  einiger Werke in den Bann gezogen, auch die ultra-sensible Tonbox des Berio-Saals, ein Hightech-Raum mit dunkler Holztäfelung, in dem man sich wie in einem Resonanzkasten eines Kontrabasses fühlt,  sowie die kulinarische Energielieferungen des hausinternen Restaurants Weinzierl  trugen zum leichten Durchhalten und somit zum Erfolg des „Marathon V“ bei.

 Der Vollständigkeit zuliebe finden Sie im Anhang eine komplette Liste der Werke, die beim „Marathon V“ zur Aufführung kamen. Zu entscheiden, welche dieser Kompositionen wohl in den Himmel der musikalischen Ewigkeit aufsteigen werden, sei dem Ohr des Publikum überlassen, das bei diesem Marathon sowohl alters- als auch herkunftsmäßig sehr gemischt war.

 Drei der dargebrachten Stücke seien hier kurz skizziert, jene, die George Jackson dirigierte, wobei ich mir hier als klassischer Opernliebhaber zugegebenermaßen doch recht schwer tue, eine musikalisch gerechte Kritik zu schreiben.

 Jackson dirigierte das erste Stück im Teil 2 des Marathons: Das Werk „mixtures“  des 1984 in Bayern geborenen Steven Heelein. Mit 11 Jahren brachte sich Heelein selbst das Orgelspielen bei, heute ist er nicht nur bei zahlreichen Kirchenkonzerten anzutreffen, er ist auch Autor, Dirigent, bildender Künstler und Komponist. Bei dieser Erstaufführung von „mixtures“, einem 8-minütigen Bläserquintett,  wurden die einzelnen unterschiedlichen Instrumente in ein musikalisches Gegeneinander gebracht, Jacksons Dirigat erleichterte die Präzision der Bläser.  Die kleine Bühne im Berio-Saal des Konzerthaus wurde zu einer Art „catwalk“ für Flöte, Oboe, Klarinette & Co. Von Heelein, der sich bereits seit 2004 mit der Komposition zeitgenössischer Musik beschäftigt, und der eng mit dem Komponisten und Pianisten Franz Hummel  zusammenarbeitet, werden wir sicher und gerne noch mehr hören.

 Wer Durchhaltevermögen hatte, konnte im Teil 4 des Marathons dann in Abel Pauls „Final Reponses to G.M.“ interessante Effekte erlauschen. Der in Berlin lebende gebürtige Spanier Abel Paul studierte in den Niederlanden und in Berlin, er erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 2008 den „Salvatore Martirano Composition Award“ der Universität von Illinois, sowie eine lobende Erwähnung am Mauricio Kagel-Wettbewerb in Wien. Der erfolgreiche Komponist, wie Steven Heelein, knapp 30 Jahre jung, kann bereits auf eine lange Liste von Aufführungen seiner Werke, auch oft durch renommierte Ensembles, zurückblicken und die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in den Genuss eines seiner Werke treffen, ist groß, wenn Sie z.B. das Holland Festival, das Kunstforum Hellerau,  Aspekte Salzburg und Klangspuren im Tiroler Schwaz oder auch andere internationale Festivals zeitgenössischer Musik in Argentinien, Finnland, Spanien oder den USA besuchen.

Paul erzeugt in seinem Stück „Final Reponses to G.M.“  (2012) eine Art stiller Atemeffekte eines Instrumentalchors  (bestehend aus Flöte, Klarinette, Klavier, Violine und Violoncello) und ergänzt das Werk durch ein Rondeau des französischen Komponisten Guillaume de Machaut – welches  – sehr zeitgenössisch – von einem mp3-Player abgespielt wurde, der den mittelalterlichen Sound des als bedeutendsten Komponisten der Ars Nova geltenden Machaut über Kontaktlautsprecher ins 21 Jahrhundert katapultierte.

Auch bei diesem Werk hielt George Jackson auf einem imaginären Dirigentenpult die virtuellen Fäden des Ensembles Platypus zusammen, ebenso wie in „void mechanics“, einem Werk des 1984 in Wien geborenen Hannes Dufek, einem Mitgründer des Ensembles.  Schon die Besetzung las sich musikalisch abenteuerlich: bei dieser Uraufführung von „void mechanics spielten neben Flöte, Klarinette, Violine und Violoncello auch sechs Diktiergeräte mit. Die Aufnahmen von vier verschiedenen Quartetten wurden mit einem live gespielten fünften Quartett kombiniert, dabei entstand ein langer, verbindender Klangbogen.

 Alles in Allem war der „Marathon V“ ein unglaubliches Event, das nicht nur durch die dort erzeugten Klänge, sondern auch durch seine Novitäten, freche Durchsetzungskraft und jugendlichen Enthusiasmus eine Energie erzeugte, von der der Zuhörer noch ein gutes Stück seines Heimwegs profitieren konnte.

 Concert I:

KonsPercUssion
Eric Skytterholm EganIn three, one, and seven (2012)
Julián Avila SausorMonte Albán (2012)
Julian Gamischhinausgehen (2013, world-premiere)
Nejc Kuhar – Concertino for solo Timpani and Percussion Ensemble (2010, rev. 2013)

Concert II: Ensemble Platypus

Steven Heeleinmixtures (2012)
Johannes BerauerPass the goddamn butter (2013, world-premiere)
Lauren Redhead the enigma machine 1: hendecaptych of hans memling (2010)
Rafael Nassifa desvelar caminho (2011-2012)
Frederik NeyrinckEcho de Baudelaire (2011)

Concert III: Ensemble Platypus

Nova PonWayfaring (2011)
Alja ZoreArhaintrah (2013, world-premiere)
Matías Hancke de la FuenteDiáfano (2010, rev. 2013)

Elo Masingstudies in resonance II (2012/2013)
Alexander Kaiser …if… (2013, world-premiere)

Concert IV: Ensemble Platypus

Alexander Chernyshkowrather blue (2012)

[Ka’mi]Tragödie der Geburt eines uninspirierten Komponisten (2010)
Abel PaúlFinal Responses to G.M. (2012)
Charlie Sdrauligclose (2012)
Hannes Dufekvoid mechanics (2013, world-premiere)

 Mehr zum Dirigenten George Jackson und zum Ensemble Platypus erfahren Sie hier

www.georgejackson.net /

www.platypus.or.at

Ingrid Adamiker

 

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