WIENER KONZERTE. 15.6.2014, abds., Gr. KH-Saal: PIOTR BECZALA – Hommage an Tauber
Das letzte Konzert des Zyklus‘ „Great Voices“ stand unter dem Motto „Dein ist mein ganzes Herz“ und stellte eine Verbeugung von Piotr Beczala vor Richard Tauber dar. Für den polnischen Wiener Publikumsliebling gilt Tauber als ein Vorbild, welches er nicht „nur“ auf Operetten reduzieren wollte, da der ja auch viele Opern mit weichem Belcanto gesungen hatte. Dass dabei seine hohe Lage nie jene Sicherheit und Strahlkraft aufwies, wie sie für Beczala signifikant ist, darf als unter Opern- und Operettenfreunden bekannt angenommen werden.
Im 1. Teil bot Beczala Arien aus Verdis „Un ballo in maschera“ (Barcarole), Dvoráks „Rusalka“ (Auftritt des Prinzen und Finale I), Verdis „Rigoletto“ (2. Akt) und Gounods „Roméo et Juliette“. Ungeachtet dessen, dass die mit Glanz und warmer Geschmeidigkeit gesungen wurden, müsste mir jemand erklären, was diese Auswahl mit Richard Tauber zu tun hatte. Der war etwa neben Mozart, der deutschen Spieloper, dem leichten französischen Fach und sogar Puccini (erster deutschsprachiger Kalaf) ein bekannter Hans in der „Verkauften Braut“, dessen Arie aber fehlte. Die Programmierung des Opernteiles ist jedenfalls als Themenverfehlung zu bezeichnen.
Der 2. Teil, in welchem der Tenor vom Frack in den Smoking wechselte, war der sog. „leichten Muse“ gewidmet, und bot Lehárs „Giuditta“ (1. Akt; mit in einer Phrase vereinfachter Version), Kálmáns „Gräfin Mariza“ („Grüß mir mein Wien“), Taubers „Du bist die Welt für mich“ und Lehárs „Das Land des Lächelns“ (das dem Motto des Konzertes entsprechende Lied aus dem 2. Akt). Bei dem vorletzten Stück hätte man im Programmheft konsequenter Weise angeben sollen, dass es aus Taubers eigener Operette „Der singende Traum“ (1934) stammt (mit einer Änderung von 2 Tönen, welche Anton Profes für den gleichnamigen Tauber-Film mit Rudolf Schock gemacht hatte). Überdies wäre es schöner gewesen, einmal von einem ersten Tenor nicht den ewigen Reißer vom „lebenswerten Leben“, sondern das schwierigere Lied „Du bist meine Sonne“ aus dem 2. Akt von „Giuditta“ zu hören.
In den Zugaben begann Beczala (mit gelöstem Smokingmascherl) zunächst lyrisch: „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ von Ralph Erwin und (als Liebeserklärung an seine Frau) „Still wie die Nacht, still wie das Meer“ von Carl Bohm (19. Jh.). Der effektvolle „Rausschmeisser“ war dann „Ob blond, ob braun“ von Stolz, was aber eher eine Hommage an Beczalas Landsmann Jan Kiepura darstellte. Nachdem das Publikum noch eine Zugabe forderte, gab es zuletzt eine Wiederholung von „Dein ist mein ganzes Herz“.
Piotr Beczala war ausgezeichnet disponiert und sang strahlende Spitzentöne (unterhalb des C, welches ja Tauber forte nicht hatte). Sein etwas draufgängerischer Gesang machte natürlich Effekt, entsprach jedoch eigentlich nicht Richard Tauber. Denn dieser beherrschte das Raffinement der Phrasierung und Nuancierung sowie der stimmlichen Schattierung, so wie es später etwa auch Nicolai Gedda oft zu demonstrieren vermochte. Dem mehr gerade heraus singenden Beczala ist dies nicht in gleichem Maße gegeben, obwohl seine Attacke und seine strahlenden Fortespitzentöne wirklich nicht zu verachten waren.
Dem Gesang entsprach das forsche Spiel des Symphonieorchesters der Volksoper Wien, das in der Akustik des Konzerthauses schönen, farbigen Klang verbreitete. Lukasz Borowicz dirigierte schwungvoll allerdings zu draufgängerisch und zu fortissimo-lastig. Als reine Orchesterstücke wurden die Ouvertüren zu „Nabucco“ und „Zigeunerbaron“, Tänze von Dvorák, Brahms, Rossini („Guillaume Tell“) und Gounod („Roméo et Juliette“) sowie ein Walzer von Khachaturian geboten.
Gerhard Ottinger