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WIEN / Konzerthaus: GREAT VOICES – Andreas Schager / Günther Groissböck

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Bestgelaunt beim Schlussapplaus: Charles Alexander Joel, Andreas Schager, Günther Groissböck

WIEN / Konzerthaus / Großer Saal  
GREAT VOICES –  
Andreas Schager / Günther Groissböck
5.
Mai 2022

Schon als sie beide noch pudeljunge Gesangsschüler waren, haben sie nebeneinander dieselbe Bank im Klassenzimmer gedrückt. Nun, rund zweieinhalb Jahrzehnte später, sind sie Österreichs Beitrag zur Weltklasse des Wagner-Gesangs: die beiden gebürtigen Niederösterreicher Andreas Schager und Günther Groissböck. Gemeinsam traten sie im zwar nicht ausverkauften, aber dicht gefüllten Großen Konzerthaussaal im Zyklus der „Great Voices“ (nomen est omen) mit einem Wagner-Programm an, das vom Publikum so enthusiastisch aufgenommen wurde, dass es kaum nach Hause gehen wollte.

Für die beiden Sänger war es zweifellos ein wichtiger Abend, sangen sie doch auch Rollen, in denen sie noch nicht auf Bühnenbrettern zu sehen waren. Zwar hat Andreas Schager mit Tristan und den beiden Siegfrieden schon den Olymp der Wagner-Tenöre erreicht (mehr geht nicht), aber Stolzing fehlt ihm noch, und den Tannhäuser (der laut Oparabase demnächst in Leipzig kommen soll) hat er wohl nicht ganz so präsent, dass er dazu immerhin Noten zu Rate zog. Was Groissböck dann auch für den Hans Sachs tat, der noch in einiger Ferne schwebt, während er den in Bayreuth covidbedingt ausgefallenen Wotan (bzw. alle drei) sicher bald nachholen wird.

Es war ein pompöser Wagner-Abend, der nach dem Motto „Best of…“ die Filet-Stückchen aus vier Opern brachte, Lohengrin, Walküre, Tannhäuser und Meistersinger. Da bekam auch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien selbst einiges zu tun, und der britische Dirigent Charles Alexander Joel zeigte seine Wagner-Affinität auch mit voller Bereitschaft zum Tschindarassa, wo die Musik es hergibt (natürlich beim Walkürenritt, wo der Filmfreund vor seinem geistigen Auge immer die Kampfhubschrauber in Vietnam ihren Angriff fliegen sieht… Apocalypse now, Wagner als Filmmusik).

Die Wiener Singakademie, verstärkt um den Landesjugendchor Wien, durfte auch solistische glänzen, sie taten es u.a. mit einem markerschütterndem „Wach‘ auf!“ aus den „Meistersingern“.

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Andreas Schager, der unerschütterliche Strahle-Tenor, der alle Wagner-Spitzentöne mit unnachahmlicher Kraft schmettert, wobei die Stimme glänzt, strahlt und leuchtet, bekam alles zu singen, was gut, teuer und effektvoll ist – Lohengrins Gralserzählung, Siegmunds Winterstürme und Stolzings Preislied, wobei sein persönlicher Glücksfall darin besteht, dass er jede Menge Kraft und Metall in der Stimme hat, ohne je hart zu klingen. Technisch bereiten ihm die Piano-Ansätze so wenig Schwierigkeiten wie die Forte-Ausbrüche. Die Rom-Erzählung des „Tannhäuser“ brachte er (mit Blick in die Noten) mit so viel Ausdruck (der Abscheu, mit dem er die verurteilenden Worte des Papstes zitiert!), dass man ihn schleunigst in der Rolle sehen möchte. Und schließlich gab es noch als „Draufgabe“ Siegfrieds Schmiedelied mit Hammer und Schwert und solchem Temperament dargeboten, dass der Saal schier platzte…

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Dennoch ließ die große Show des Tenors den stattlichen Bassbariton nicht „abstinken“. Denn gleich nach dem König Heinrich durfte Günther Groissböck mit Wotans Abschied (der ja nicht, wie man meinen sollte, sein Abschied ist, sondern seiner von Tochter Brünnhilde) Wien endlich einen Vorgeschmack auf seinen Wotan geben: imposant, kraftvoll, das wird zweifellos die nächsten Jahrzehnte seiner Karriere beherrschen.

Und dann der Hans Sachs – ganz, ganz wunderbar der Wahn-Monolog (der plötzlich so aktuell wirkt, wenn es heißt, wie die Menschen sich quälen und schinden) und dann die Schlussansprache, zu der man sich als Interpret samt den „deutschen Meistern“ bekennen muss. Erinnert man sich noch immer gerührten Herzens an den Sachs einer Generation, an den wunderbaren Karl Ridderbusch, so hat Groissböck (der ihm auch optisch ein wenig ähnlich ist) gute Chancen, in diese riesigen Schuhe zu steigen…

Nehmt alles nur in allem, so war es ein Fest für Wagnerianer vom alten Schlag. Die gibt es auch noch.

Renate Wagner

 

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