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WIEN / Komödie am Kai: QUARTETTO

05.03.2015 | KRITIKEN, Theater

Qurtetto
Foto/© Komödie am Kai, Wien

WIEN / Komödie am Kai:
QUARTETTO von Ronald Harwood
Premiere am 24. Jänner 2015
Besucht wurde die Vorstellung am 4. März 2015

Unter den britischen „Gebrauchsdramatikern“ (und das ist höchst ehrenvoll gemeint – als Verfasser von Stücken, die ihr Publikum erreichen) nimmt der gebürtige Südafrikaner Ronald Harwood (der gerade an einem Werk über Cornelius Gurlitt arbeitet!) zweifellos eine besondere Stellung ein. Neben zahlreichen Drehbüchern zu erfolgreichen Filmen (u.a. Polanskis „Pianist“) hat er mindestens drei Stücke geschrieben, die weltweit fest in den Spielplänen verankert sind. Das interessanteste ist wohl, der starken politischen Fragestellung wegen, „Der Fall Furtwängler“. Ganz exakt in der Welt des Theaters bewegt sich „The Dresser“, die Geschichte eines großen alten Schauspielers und seines getreuen Adlatus. Und da ist noch „Quartetto“ über vier alte Opernsänger – unter Künstlern kennt sich Harwood eben besonders gut aus.

Die Situation ist völlig einleuchtend und könnte statt in einem englischen Heim ebenso gut bei uns im Künstlerheim in Baden spielen, dort, wo sich einsame alte Mimen aller Preisklassen unter ihresgleichen zurückziehen und wo einfach die Situation alles an Erinnerungen, Wehmut, aber auch Bosheit ergibt, die aus einer gemeinsamen Vergangenheit entspringen. Ein Schauplatz, vier Personen – lauter Traumrollen -, das ist die klassische Situation, um ein Theater glücklich zu machen und mit denkbar geringstem Aufwand den denkbar größten Effekt zu erzielen.

Freilich, als Dustin Hoffman „Quartetto“ vor drei Jahren verfilmte (mit der herrlichen Maggie Smith und Pauline Collins, Tom Courtenay und Billy Connolly), da konnte er aus dem Musikzimmer hinausgehen, nicht nur ins Freie, sondern in das ganze Altersheim mit seinem Personal (wo man dann auch Gwyneth Jones, in diesem Zusammenhang die Echteste von allen, fand). Aber die Bühnenkonzentration auf das Quartett der Interpreten funktioniert „spartanischer“ durchaus.

Ein Sopran, ein Mezzo, ein Tenor, ein Bariton (einst Englands Antwort auf Tito Gobbi genannt, was auch einen Hinweis gibt, wann die jetzt alten Herrschaften in der Blüte ihres Künstlertums standen) – ja, das ist natürlich die Besetzung für das berühmteste Quartett der Operngeschichte, für Verdis „Bella figlia“ aus dem letzten Akt des „Rigoletto“. Darum geht es auch, aber nicht nur. Im Grunde werden vier Schicksale, vier Temperamente aufgeblättert, und bei allen Pointen, die da locker durch die Gegend segeln, ist es natürlich ein tieftrauriges Stück. Denn wer außer den „Gewesenen“ erinnert sich schon an ihren einstigen Glanz? (Wobei das in Wien natürlich anders ist, denn hier „hört“ man auch in seiner Seele, wer die Freni war, wenn sie mit 80 auf uns zukommt…)

Die Komödie am Kai kann hoch besetzen, wobei die Männer es leichter haben, weil die Rollen zwar schön, aber nicht so extrem sind wie jene der Frauen. Heinz Zuber mit der liebenswerten Fülle und dem weißen Schal eines Pavarotti, ist zwar der Bariton und der Rigoletto von einst, aber da leuchtet schon etwas von einstiger Größe, wenn er seine Rolle (wo er sich immer wieder in sexuellen Phantasien ergeht, die nicht eine Sekunde peinlich werden) auch ganz leicht nimmt: So exakt und dabei graziös wie er setzt an diesem Abend keiner die Pointen.

Doch Peter Kuderna als der Tenor von einst, der Rigoletto-Herzog, mit viel britischer Haltung und Würde, ein wenig Pedanterie und selbstverständlichem Niveau, ist (auch weil ein so guter und klarer Sprecher) von ähnlicher Wirkung – die beiden sind als Typen verschieden genug, begegnen sich aber auf Augenhöhe.

Es ist nicht leicht, eine Gestalt wie Cecily Robson zu spielen, die unbeschwert, stürmisch und temperamentvoll ist, aber immer wieder in Phasen von Vergesslichkeit und Desorientierung gleitet, die ihr keine glückliche Alzheimer-Zukunft voraussagen. Hier nicht zu übertreiben, das Ernste nicht der Lächerlichkeit anheim fallen zu lassen, aber dennoch mit dem Charme der Figur lachen zu machen – das ist nicht leicht, und Ulli Fessl hat sich einen überzeugenden Zugang zu der Figur erarbeitet.

Am schwersten hat es an diesem Abend Helma Gautier in der Rolle der einst so großen Sopran-Diva: Sie ist so unliebenswürdig und verbiestert, wie sie sein soll, gibt aber diese Jean Horton in ihrer ganzen Eitelkeit und Selbstsucht nicht preis: Da spielt jemand eher Strindberg, als dass er das verständnisvolle Lächeln des Zuschauers über seine Figur zuließe.

Regisseurin Sissy Boran hält das Geschehen, das viele punktgenaue Reaktionen braucht, in dem sehr stimmungsvollen Bühnenbild von Siegbert Zivny sehr schön am Laufen. Opernfreunde werden vor allem den Backstage-Schlagabtausch der Geschichte goutieren und sollten den Abend nicht versäumen.

Renate Wagner

Vorstellungen noch bis 14. März 2015

 

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