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WIEN / KHM: RUBENS

18.10.2017 | Ausstellungen, KRITIKEN

Rubens KHM Tor~1 Rubens Plakat auf Litfasssäule~1

WIEN / Kunsthistorisches Museum:
RUBENS
KRAFT DER VEWANDLUNG
Vom 17. Oktober 2017 bis zum 21. Jänner 2018

Wie „Kunst“ entsteht…

Peter Paul Rubens (1577-1640), Superstar unter den Altmeistern, fleißig wie wenige sonst, gleichermaßen geschäftstüchtig, umtriebig, dabei unendlich gebildet, neugierig, immer auf der Suche nach Anregungen, die er verwenden konnte – kurz, das Kunsthistorische Museum Wien nennt seine lange erwartete Rubens-Ausstellung „Kraft der Verwandlung“ . Und setzt damit den „dramaturgischen Akzent“: nicht nur eine Abfolge von Riesenwerken, die Fleischbeschau, Farbenpracht und großartige Bewegtheit bieten, sondern nachvollziehbare Wege für den Betrachter, die Genesis dieser Bilder zu erleben.

Von Heiner Wesemann

Raum mit 4 Flüsse und Skulptur
In der Ausstellung fotografiert: Heiner Wesemann

Peter Paul Rubens Geboren am 28. Juni 1577 in Siegen (heute in Nordrhein-Westfalen), wurde für ihn seit seinem 10. Lebensjahr Antwerpen das Zentrum seines Lebens. Lebenslang als Maler tätig, reiste er nach Italien, wo er sich der Renaissance ebenso widmete wie, in Rom, der Antike. 1608 heimgekehrt, heiratete er in erster Ehe Isabella Brant, mit der er sehr glücklich war, von der es aber vergleichsweise wenige Bilder gibt – Isabella starb 1626, ihre Nachfolgerin, Helene Fourment, die er 1830 heiratete, war schöner und diente ihm immer wieder als Modell, teils als sie selbst, teils für seine Frauengestalten. Rubens, der zwischenzeitlich auch in Paris gearbeitet hatte, nach Madrid (in Habsburgischen Diensten) und London reiste, war der Maler des europäischen Barocks schlechthin, dessen Werk keine inhaltlichen Grenzen kannte – in einem halben Jahrhundert des Schaffens hat er für die Kirche Altarbilder und alle Themen der Geschichte Christi gemalt, daneben jede Menge „privater“ Bildnisse, Zyklen für höfische Ausgestaltung, Szenen aus der Mythologie, der antiken Geschichte und der Bibel, Jagdszenen und Landschaften, Entwürfe für Deckengemälde und Tapisserien.

6-Rubens_Venusfest

„Sua mano“ Niemand hinterließ ein so reichhaltiges Werk – außer vielleicht Picasso, hieß es bei der Pressekonferenz zur Ausstellung. Was nur möglich war durch eine „Werkstatt“, die reich mit spezialisierten jungen Künstlern bestückt war, die an seine Werke ergänzende Hand anlegten. „Sua mano“ – eigenhändig! – stand dann in manchem Vertrag, denn man wusste, ein „ganz echter“ Rubens ist selten. Und doch sind die Werke, die unter seinem Namen figurieren, ganz und gar seine Schöpfungen. Rubens starb am 30. Mai 1640 in Antwerpen. Von seinen 63 Lebensjahren hatte er wohl ein halbes Jahrhundert seiner Arbeit und seiner Kunst gewidmet.

Wie Kunst entsteht Unser Verständnis von Kunst erlaubt es nicht mehr, einfach Bilder an Wände zu hängen und diese isoliert zu betrachten, wir wollen das Wie, Warum verstehen, das vor der Genialität kommt, die letztlich ein Meisterwerk prägt: kurz, es geht um die Entstehungsgeschichte. Wie war Rubens’ Umgang mit Inspirationen aus Vergangenheit und Gegenwart, wie erfolgte die Findung von Themen und Formen, und was war dann das Ureigenste des Künstlers? Die Zeichnung als Umgang mit dem Vorbild, als „Tauglichmachung“ von Material zu den Bedürfnissen, Vorstellungen und Wünschen ist hier ebenso vertreten wie Bücher, aus denen er seine Anregungen holte, oder Gemälde von Zeitgenossen, die er thematisch paraphrasierte. Ganz abgesehen von den Statuen der Antike, die er im wahrsten Sinn des Wortes „umkreiste“, um sie auf die Leinwand zu bannen, wo er versuchen musste, die Bewegung, die mit dem Umkreisen des Steins gegeben ist, auf die Zweidimensionalität zurück zu führen.

Rubens 2 x kauernde Venus~1

Die kauernde Venus… Die Ausstellung widmet sich natürlich dem Frauenbild von Rubens, der ja „die schöne Nackte“ zur üppig-barocken Vollendung gebracht hat, überall locken die Grazien, aber der Venus hat man einen eigenen Saal gewidmet – und kann da besonders signifikant darstellen, wie der unmittelbare Bezug von Vorbild und Werk durch die „Kraft der Verwandlung“ herzustellen ist: eine römische kauernde Venus-Statue (aus dem Museum in Neapel) und die „frierende Venus“ des Rubens (aus Antwerpen) wirken wie dieselbe Frau. Andere Statuen und Statuetten der Ausstellung sind in Rubens’ Studienzeichnungen fast ebenso direkt wieder zu erkennen. Die Mühe der Aneignung, die Kunst der Neuformung – man könnte es nicht besser zeigen. (Nebenbei bemerkt ist nicht ganz verständlich, dass man zu den Venus-Gemälden die Liechtensteiner nicht nach ihrer „Venus im Spiegel“ gefragt hat, die wohl die geglückteste Version dieses Sujets darstellt…)

Rubens Pelzchen und Tizian~1

Die schöne Helene… Eines der berühmtesten Rubens-Gemälde im reichen Wiener Bestand ist natürlich „Das Pelzchen“, seine Gattin Helene Fourment als lockender Halbakt, wobei die Ausstellung darauf aufmerksam machen kann, dass schon Tizian, ein Jahrhundert vor Rubens geboren und ihm stete Inspiration, schon bei seinem halbnackten „Mädchen im Pelz“ gewusst hat, welch erotischen Schimmer dieses Pelz-Accessoir mitbringt. Diese beiden Gemälde (beide im Besitz des KHM) nebeneinander, wobei sogar die Handhaltung der Frauen dieselbe ist, stellen „Beweismaterial“ für die Intention der Ausstellung dar. Die auch gleich zeigen kann, dass schöne Frauen bei Rubens gerne wie die Gattin aussahen – unter den Göttinnen im daneben hängenden „Urteil des Paris“ (aus Madrid) trägt die schönste die Züge von Gattin Helene.

Rubens Pelzchen Kopf~1 Rubens Helene als Venus

Die Macht der Altäre Es sind „nur“ sechs große Räume, jeder einem großen Thema gewidmet, die in Wien die Rubens-Ausstellung gliedern. Noch monumentaler als in allen anderen Räumen wird man in der Welt der Altäre bedient. Rubens, als Protestant geboren, wurde katholisch und fand in einer von Habsburg geprägten, katholischen, flanderischen Welt (der niederländische Norden blieb protestantisch und in der Bildsprache entsprechend strenger) nicht nur Auftraggeber, sondern auch Entfaltungsmöglichkeiten. Angesichts der Altäre – u.a. der Franz Xaver in der Jesuitenkirche in Antwerpen – kann die Ausstellung auch die Modelli bieten, jene nicht übergroßen Ölskizzen, nach denen die Riesenwerke dann ausgeführt wurden. In den vielen Bildern rund um die Geschichte von Jesus Christus (wobei er und Johannes als Kinder geradezu engel-puttengleich erscheinen) zeigt sich Rubens’ Ambition, mit extremen Körperhaltungen technisch zu prunken, aber natürlich auch ungemein dramatische Effekte zu erzielen. Dazu sind ihm aber auch wilde Tiere (Tiger und Krokodil in den „Flüssen des Paradieses“) recht. („Spezialeffekte“ nennt man das in heutiger Sprache.)

Rubens Krokodil und Tiger~1

Gewitterlandschaft der Seele Landschaften gibt es bei Rubens immer wieder, vor allem als Hintergrund, und man weiß, dass diese vielfach von seinen Schülern zu seinen zentralen Szenen hinzugemalt wurden. Eine Ausnahme stellt wohl die große „Gewitterlandschaft“ dar, die am Ende der Ausstellung nicht nur zeigt, wie sehr sich Rubens für die Natur an sich interessieren konnte (Menschen spielen da am rechten Bildrand eine untergeordnete Rolle), sondern dass er auch ein „Stimmungsmaler“ jenseits der großen Geste war (so dramatisch das Bild auch ist). Dieses Gemälde, ein Schatz des KHM, wurde auch für die Ausstellung höchst aufwendig restauriert, worüber der Katalog Aufschluß gibt. Dieses starke Bild steht am Ende – ein anderes starkes Bild am Anfang: Ein Selbstporträt von Rubens als müder, alter Mann, entstanden vermutlich zwei Jahre vor seinem Tod… Die Bandbreite seines Könnens wurde übrigens schon von seinen Zeitgenossen erkannt und gewürdigt, als „Maler der Könige und König der Maler“.

rubens_Große Gewitterlandschaft~1 Rubens Selbstporträt KHM~1

Gestaltung Hervorragend zusammen gestellt von Stefan Weppelmann, dem Direktor der Gemäldegalerie, und Kuratorin Gerlinde Gruber, kann das KHM auf seine eigenen 40 Gemälde und 33 Zeichnungen von Rubens zurückgreifen und ergänzt die insgesamt 120 ausgestellten Werke mit Leihgaben der größten Museen der Welt, wobei das Frankfurter Städel Museum, das die Ausstellung 2018 zeigen wird, als Co-Produzent fungiert. Durch die in den Raum gestellten antiken Statuen, durch die zahlreichen Objekte in den Vitrinen, durch die kleinteiligen Graphiken zwischen den teils riesigen Gemälden, ist für eine abwechslungsreiche Optik gesorgt, wobei die Zusammenhänge der Objekte immer klar wird. Der ausführliche Katalog ist im Hirmer Verlag erschienen. Und „Rubens Superstar“ ist in seiner Verwertung – von Tasse über Tasche bis Polster und T-Shirt, von zahllosen Publikationen abgesehen – auch im Shop zu bewundern…

Rubens Shop~1

KHM: „Rubens. Kraft der Verwandlung“
Bis 21. Jänner 2018, Dienstag bis Sonntag, 10 bus 18 Uhr,
Donnerstag 10 bis 21 Uhr

 

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