WIEN / Kunsthistorisches Museum:
IRON MEN – MODE IN STAHL
Vom 29. März 2022 bis zum 26. Juni 2022
Viel schöner als im Kino
Ritter, Rüstungen, Turniere – das übt schon seinen besonderen Zauber auf uns aus, wenn wir die Information dazu auch meist aus dem Kino beziehen. „Iron Men“, der Titel der neuen Großausstellung im Kunsthistorischen Museum, klingt auch nach einem Science-Fiction-Film oder einem Historienschinken. Aber tatsächlich ist das, was man hier sieht, viel schöner – und fabelhaft aufbereitet. Die Welt der Renaissance entfaltet sich in ihren „eisernen“ Kleidungsstücken, die unendlich viel zu erzählen haben – der Begriff „geharnischt“ gewinnt ganz neue Dimensionen. Das Kunsthistorische Museum konnte bei dieser mit 170 Objekten aller Art reich bestückten Ausstellung auf die Schätze der eigenen Hof-, Jagd-und Rüstkammer zurück greifen, ergänzt von Beispielen aus den großen Museen der Welt.
Von Renate Wagner
Kampf und Repräsentation Ab dem späten Mittelalter setzte sich die Rüstung im Kampf durch, als Schutz gegen die damals direkt gegen den Körper geführten Waffen. Dass man keinesfalls bewegungslos-beengt in dem eisernen Panzer steckte, beweist die Wiener Ausstellung an einem originellen Video, das zeigt, wie beweglich man durch die Scharniere (es gab bis zu 200 Einzelteile) doch noch war, wobei natürlich das Gewicht (20 bis 30 Kilo) dieser Kampfkleidung „starke“ Männer erforderte (und die gelegentlich prominent ausgestellten „Schamkapseln“ wiesen zusätzlich auf diesen Männlichkeitsaspekt hin). Kampf war allerdings nur ein kleiner Teil des täglichen Lebens. Dass man Rüstungen auch prächtig ausschmücken konnte und dass sie solcherart zum Repräsentationsstück der Reichen und Mächtigen wurden, ist in der Wiener Ausstellung an einer Vielzahl von Prunkstücken zu betrachten.
Von der Kindheit bis ins Grab Vor allem in der Renaissance gehörte die Rüstung für Herrscher und Adelige einfach dazu. Es gibt Beispiele schon für Kinderharnische von Prinzen und Erzherzögen, die kostbar ausgearbeitet sind. Jeder Fürst und potente Adelige verfügte im Lauf seines Lebens gewiß über mehrere Prunkausgaben von Rüstungen oder zumindest den Oberkörper bedeckenden Harnischen, in denen man sich auch gerne malen ließ. Für das Begräbnis wurden gerne geschmückte Helme eingesetzt, die allerdings (ebenso wie die „Funeralkronen“) nicht echt, sondern Nachbildungen meist aus Stoff und Holz waren.
Ein teurer Spaß Millionäre, die sich heute bei Brooks Brothers ihre Maßanzüge anmessen lassen, legen dafür zwar Summen hin, die für normale Menschen unfasslich sind, aber es wird „kein Haus“ kosten. So teuer waren allerdings zur Zeiten der Renaissance die Prunkrüstungen, die man etwa bei Lorenz Helmschmid in Augsburg, Jörg Seusenhofer in Innsbruck oder Filippo Negroli in Mailand anfertigen ließ, die so teuer waren wie etwa ein Tizian. Man kann die ideenreiche Detailarbeit der Ausschmückung dieser Rüstungen an vielen Stücken bewundern – das war Kunsthandwerk auf allerhöchstem Niveau. Verarbeitet wurde da nicht nur Eisen – geschmiedet, getrieben, geätzt, feuervergoldet, geschwärzt – sondern auch Messing, Leder, Seidensamt, Seide, Wolle. Es war „Mode“, die viele Nuancen hatte (etwa die eisernen „Röcke“ mancher Rüstungen, die gebauschten Puffärmel), und es war auch ein hochwertiges Geschenk, das man Freunden und Verbündeten machte. Es gibt Einzelstücke, mit denen nichts mitkommt, was heutzutage als „Mode“ geleistet wird.
Ein Turnier als Modenschau Die Wiener Ausstellung wird zwar von den Originalen beherrscht, die als „eiserne Mander“ in ihren Glaskästen stehen und aus der Nähe zu betrachten sind, aber es gibt zahlreiche Details (etwa Schuhe, einige so spitz, dass man sie als Waffen gebrauchen konnte) ebenso zu bewundern wie Gemälde oder Turnierbücher, die solcherart zu Dokumenten wahrer „Modeschauen“ wurden. Es ging da nicht nur um die Demonstration der Männlichkeit, sich etwa im Tjosten oder Lanzenstechen zu bewähren (was durchaus tödlich ausgehen konnte), sondern sich auch in Prachtrüstung, die noch von Federbüschen oder bunten Umhängen geschmückt waren, zu präsentieren. Ergänzt wurde die Ausstattung durch prächtige Schilde und das Zaumzeug des Pferdes. Zeichner und Maler haben das für die Mit- und Nachwelt festgehalten.
Per Helm als Türke oder als ein Herkules Die „Mode in Stahl“ hatte unendlich viele Nuancen und wurde, wie letztlich jede Mode, immer erweitert und ausgeschmückt. So wie „alla turca“ später in der Musik aufschien, spiegelte sich der Orientalismus durch die (nicht immer erfreuliche) Begegnung mit den Osmanen in der Rüstung, wo der Helm dann auch eine türkische Haube werden konnte. Noch wichtiger war in der Renaissance die Entdeckung der Antike, die dieses Zeitalter ja vom Mittelalter ablöste und sich folglich auch in den Rüstungen spiegelte: Ein „Löwenkopf“ als Sturmhaube verwandelte den Träger metaphorisch in Herkules (auch Kaiser Karl V. besaß eine solche Kopfbedeckung, hergestellt von Negroli in Mailand), und man ließ sich auch – natürlich mit Harnisch – als „echter Römer“ malen wie Erzherzog Matthias, wobei sogar die Stiefel römischen Sandalen nachgebildet waren. Die durchaus auch männliche Lust an Verkleidung spiegelt sich hier, wozu es auch unerwartete Beispiele gibt – etwa jene Darstellung aus dem Turnierbuch von Kaiser Maximilian I., wo Damen mit als Damen verkleideten Männern tanzten… Rüstungen für Frauen waren an sich nicht vorgesehen, es sei denn, Maler stellten mythologische Damen dar (das Metropolitan Museum of Art lieh die Kriegsgöttin „Bellona“ von Rembrandt) oder man stellte Jeanne d’Arc, von der es kein authentisches Gemälde zu Lebzeiten gibt, später selbstverständlich als Kriegerin in Rüstung dar.
Was damals “cool“ war Wenn in unserer Welt es auf einmal für „cool“ galt, Baseballmützen verkehrt aufzusetzen oder sich in „Hoodies“ zu vergraben, gab es für solche Tendenzen durchaus Analogen zur Zeit der Rüstungen, die vom späten 15. bis ins frühe 17. Jahrhundert währte. Trendsetter dafür waren die Landsknechte, die zwar nicht über Prunkrüstungen verfügten (es gab diese natürlich auch „von der Stange“), aber über Ideen. Ihre Kleidung zeichnete sich durch Buntheit, oft auch Streifenmuster aus, zudem liebten sie Schlitze in den Stoffen. Landsknechte mochten zwar sozial nicht hoch stehen, waren aber in der Welt der Kriege von herausragender Bedeutung. Es ist sicher kein Zufall, dass sich der Sachsenherzog Friedrich der Fromme von Lucas Cranach in extrem buntem Landsknecht-Outfit malen ließ (eine Leihgabe aus Dresden).
Für Jung und Alt Der Ausstellungskurator Stefan Krause hat sich viele Jahre mit dem Thema der Rüstungen befasst und es in viele, differenzierte Betrachtungsweisen aufgegliedert (in der Ausstellung sehr informativ und übersichtlich beschriftet). ‚Äußerst gelungem ist in diesem Fall auch die ansprechende Ausstellungsgestaltung durch Blaich + Delugan Architekten. Zweifellos werden auch Kinder mit Begeisterung die Details dieser Welt entdecken, die durch den „Ritter“-Begriff lebendig geblieben ist. Besonders bemerkenswert sowohl in den Artikeln wie in der Schönheit der Bildgestaltung ist diesmal wieder der Katalog.
WIEN / Kunsthistorisches Museum:
IRON MEN – MODE IN STAHL
Bis zum 26. Juni 2022,
Täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.
Ab Juni täglich geöffnet.