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WIEN / KHM: IDOLE & RIVALEN

18.09.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Kunsthistorisches Museum: 
IDOLE & RIVALEN
KÜNSTLER*INNEN IM WETTSTREIT
Vom 20. September 2022 bis zum 8. Januar 2023

And the  Winner is…

Wer ist der / die Schönste, Beste, Schnellste, Klügste? Unsere Welt wird von Wettbewerben überschwemmt, sie dienen dem Entertainment und bedeuten letztlich nichts, denn am nächsten Tag steht das nächste unwichtige Ereignis an. In der Kunst ist die Frage nach dem Guten, Besseren, Besten nachhaltiger, geht auf Jahrhunderte, Jahrtausende zurück. Das Kunsthistorische Museum widmet sich in einer nicht unschwierigen Ausstellung dieser Frage nach Konkurrenz, nach Auseinandersetzung, nach Ehrgeiz – mit allen positiven und negativen Aspekten. Das Publikum hat für „Idole & Rivalen“ mehr zu leisten als nur zu – schauen.

Von Renate Wagner

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Die Amazone kommt aus dem Vatikan     Nach einer Idee von KHM-Generaldirektorin Sabine Haag hat die Kuratorin Gudrun Swoboda das Thema künstlerischer Auseinandersetzung so weit gespannt, wie die eigenen Schätze des Hauses reichen – von der Antike bis etwa 1800. Aber im Gegensatz zu den mageren Covid-Jahren, die hoffentlich überwunden sind (bis auf  Russen und Asiaten sind auch die Touristen wieder da), konnte man diesmal auch mit Leihgaben aus den ersten Häusern der Welt prunken. Eine spektakuläre Dame in weißem Marmor kam aus dem Vatikan – es ist eine römische Kopie jener verwundeten Amazone, die Phidias um 430 v. Chr. für das Artemision in Ephesos schuf. Sie in das Kunsthistorische Museum zu bringen, für den wohl letzten  Ausflug des Werks überhaupt, war eine Herausforderung an die Logistik und nur durch schwierigste Transport-Kunststücke möglich…

Mit der Antike begann’s      Wie sehr es in der Antike „begann“, ist bekannt, ohne die Auseinandersetzung mir ihr wäre es nach dem „dunklen“ Mittelalter nie zum geistigen und künstlerischen „Erwachen“  der Renaissance gekommen. Wie sehr diese Welt eine Herausforderung für die Spätgeborenen darstellte, zeigt sich etwa an dem Beispiel von Georg Raphael Donner, der sich der Herausforderung antiker Bildhauerkunst stellte und in Nachahmung einen großartigen Apollo schuf… nur dass er, was er nicht wusste, einen Fälscher nachgeahmt hatte. Das Thema hat ungezählte Facetten.

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Ikone Michelangelo      Man wolle kein „Name dropping“ betreiben, meinte Direktorin Sabine Haag bescheiden in der Ausstellung, aber selbstverständlich sind es die größten Namen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, mit denen die Ausstellung prunken kann. Und das legitim zu dem Thema – denn Michelangelo beispielsweise wurde ihnen allen zum Vorbild und auch zum Anreiz, es anders, besser zu machen. Tizian, 13 Jahre jünger als Michelangelo, begegnete diesem noch in Rom, aber von seiner Paraphrase eines Michelangelo-Sujets hielt dieser nicht viel…

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Rubens, nach Michaelangelos Tod geboren, musste dessen Spott nicht fürchten, als er nach dessen Beispiel seine eigene, meisterhafte Version der „Entführung des Ganymed“ malte. Beide Werke nebeneinander zu sehen, ist zweifellos sensationell.

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Herausforderung Tizian    Im Mittelsaal der Ausstellung bieten vier Damen den wohl spektakulärsten Blickfang überhaupt. Es ist die Auseinandersetzung von Peter Paul Rubens mit Tizian, der bereits tot war, als Rubens geboren wurde. Seine Paraphrase von dessen „Mädchen im Pelz“ ist eines seiner Meisterwerke geworden – „Das Pelzchen“ zeigt seine Gattin mit demselben Accessoir, derselben Handhaltung, nur als ganze Figur. Betrachtet man hingegen die herausfordernde Isabella d’Este des Tizian, so erscheint die Rubens-Variation vergleichsweise plump…

Jeder gegen jeden      Immer wieder aber wurden Meister von ihren Zeitgenossen, Nachfolgern und Schülern herausgefordert – Tizian von Tintoretto. Rubens, von seinem Schüler Anton van Dyck – man konnte die Meister nachahmen, aber die größten Talente haben erkannt, dass man seinen eigenen Weg finden musste, was immer wieder gelungen ist.

Zusammenarbeit als Glücksfälle, Konkurrenz als Zeitgeist       Es gibt in der Ausstellung, die überreich ist an Beispielen, durchaus negative Geschichten von sogar letal endender Konkurrenz. Es gibt aber auch Beweise für vernünftige Zusammenarbeit – wenn etwa Rubens die Schlangen zu seinem berühmten Medusa-Haupt von Frans Snyders malen ließ, der dafür spezilaisiert war.

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Uhrmacher, Goldschmiede und Steinschneider zusammen arbeiteten, um jene Kunst- und Wunderkammer-Prunkstücke zu schaffen, von denen man einige in der Ausstellung bewundern kann. Vieles war für den Hof von Rudolf II., wo Maler ihrerseits Dürer nachahmten… Wenn sich die Ausstellung zu den großen „Akademien“ und „Salons“ zuwendet, wo die Künstler zum Wettstreit aufgefordert wurden, kann man an verschiedenen Versionen eines Sujets Temperamente und Talente erkennen.

Durch die Fülle steigen     Die Ausstellung ist zu reichhaltig, um auf alle Details einzugehen. Sie ist glänzend aufbereitet, mit sehr viel Text, den man auch nötig hat, denn ohne Erklärung erschließen sich die Zusammenhänge nicht. Man kann natürlich einfach nur durch die Räume gehen und „Kunst“ schauen, aber das wäre schade. Man erfährt unendlich viele Details aus der Kunstgeschichte, aber auch über den „Betrieb“, der immer dahinter steckt. Das Kunsthistorische Museum erhebt Ansprüche – der prächtige Katalog, der vieles gegenüber stellt, gibt zuhause noch einmal Nachhilfeunterricht. Aber – in jedes Detail muss man sich auch nicht vertiefen. Es gibt Wissen, das möglicherweise nur für Kunsthistoriker wirklich interessant ist…

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Das Publikum darf abstimmen     Am Ende nimmt die Ausstellung die Wendung zur Gegenwart. Das Publikum ist eingeladen, nicht nur zu betrachten, sondern auch zu entscheiden. Das Voting kann mit dem Ticket in der Ausstellung selbst, online oder durch die Sozialen Medien erfolgen. Wer war der Beste anno dazumal? In einer großen finalen Abrechnung nach Ende der Ausstellung wird sich zeigen, ob Michelangelo wieder einmal als Sieger davon gezogen ist…

WIEN / Kunsthistorisches Museum: 
IDOLE & RIVALEN
KÜNSTLER*INNEN IM WETTSTREIT
Bis zum 8. Januar 2023,
täglich 10 – 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr

 

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