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WIEN / KHM: DIE EREMITAGE ZU GAST

06.06.2018 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Kunsthistorisches Museum:
DIE EREMITAGE ZU GAST
Meisterwerke von Botticelli bis van Dyck
Vom 6. Juni 2018 bis zum 2. September 2018

Hoher Besuch

Hoher Besuch, und das in doppeltem Sinn. Erstens kam die Eremitage, eines der größten Kunstmuseen der Welt, mit 14 Spitzenwerken in das Kunsthistorische Museum. Und zweitens war das auch dem Präsidenten der Russischen Republik anlässlich seiner politischen Gespräche in Wien einen Besuch im KHM wert. Denn Kunst diente einst und jetzt der Repräsentation – aber mehr noch, wie Mikhail Piotrovsky, der Generaldirektor der Staatlichen Eremitage, feststellte, der Diplomatie: Kunst nicht als Dekoration, sondern als Aushängeschild im besten Sinn. Das der aktuellen Politik etwas Entscheidendes voraus hat: Dauer.

Von Renate Wagner

Die Romanows und die Habsburger Die Romanows im Osten, die Habsburger in Mitteleuropa, beide Dynastien haben zumindest die europäische Geschichte entscheidend mitgeschrieben. Was ist von ihnen geblieben? Ihre Paläste und ihre Kunstsammlungen. Besitztümer, die von den Nachfolgern sehr gerne übernommen werden, weil sie – besonders die Kunst – weitgehend ideologisch unbelastet sind. Und weil sie ihren Wert über die Fährnisse der historischen Ereignisse hinaus behalten. So „wohnt“ die Eremitage in St. Petersburg (in schier unglaublicher Größe) an der Newa, in Palastfluchten, die Zarin Katharina bauen ließ, und das Kunsthistorische Museum in Wien in jenem Gebäude an der Ringstraße, das die Habsburger ihren Gemälden (und anderen Schätzen) zuteilten. Beide Häuser gelten neben dem Louvre in Paris, der National Gallery in London und dem Metropolitan Museum in New York zu den Spitzenhäusern der Welt, ein „must see“ für Kunstfreunde. Dass die Beziehung zwischen Wien und St. Petersburg extrem gut ist, nicht nur in Bezug auf Leihgaben für Ausstellungen, sondern auch in wissenschaftlicher Zusammenarbeit und gemeinsamen Projekten, das beweist diese Ausstellung (noch dazu, wenn die Wirtschaftsmächte der jeweiligen Länder als Sponsoren dahinter stehen und damit vieles erleichtern…).

Zwei Kaiserinnen Die beiden Frauen, Kaiserinnen, absolute Herrscherinnen, die hinter ihren Museen stehen, begrüßen die Besucher im KHM auf zwei mächtigen, prächtigen Gemälden: Katharina (1729-1796), die ehemals deutsche Prinzessin, von Friedrich dem Großen nach Russland geschickt, um Zarengattin zu werden, ließ sich schon gleich nachdem sie sich 1762 zur Zarin „geputscht“ hatte, von dem dänischen Maler Vigilius Eriksen in aller Pracht und mit danebenliegender Krone (außerdem auch im Spiegel zu sehen, also quasi doppelt) malen: ein Repräsentationsbildnis erster Ordnung. Maria Theresia (1717-1780), die 1740 nach dem Tod ihres Vaters zur Herrschaft kam, ist hingegen als die würdige Witwe zu sehen, als die sie Anton von Maron 1773 gemalt hat – doch fern der Alters-Resignation, in gespannter Haltung, aufmerksamer Miene. Durfte ihr Sohn auch „mitregieren“, sie war noch immer die Herrscherin… Und dass zwischen Weltreichen wie Russland und der Habsburger-Monarchie damals Spannungen herrschten, wen wundert es? Ein Problem, das das heutige kleine Österreich mit dem großen Russland nicht mehr hat…

Katharina und Maria Theresia, Sammeln und Ordnen Was den Besitz von Kunst betrifft, so fanden beide Frauen gänzlich verschiedene Voraussetzungen vor. Schon seit Peter dem Großen hatte Russland den Blick nach Westen gerichtet, aber nie so sehr wie unter Katharina, die wusste, dass sich dies auch mit Kunst beweisen ließ. Ihre Leistung im Erstellen eines eigenen Museums war dabei enorm, denn sie begann ihre Sammeltätigkeit mehr oder minder bei Null – mit Ambition, Geschmack und (was nicht unwichtig war) grenzenlosen Geldmitteln. So „plünderte“ sie europäische Kunst, erwarb durch Agenten in Europa ganze Sammlungen reicher Minister oder Lords und schaffte sie von London oder Paris nach St. Petersburg. Maria Theresia hingegen, die viel weniger Geld hatte, besaß trotzdem Vergleichbares: Sie hatte geerbt, was Generationen von Habsburgischen Vorfahren zusammen getragen hatten… Ihre Aufgabe war es, zu ordnen und zu bewahren. Immerhin brachte sie die reiche Gemäldesammlung von der Stallburg in das Belvedere – eine Ringstraße, ein KHM-Gebäude, konnten damals noch nicht gedacht werden… Aber immer haben sich die kunstsinnigen Habsburger um ihre Schätze gekümmert.

Die Idee der „Paare“ Wenn die Eremitage nun 14 Gemälde aus St. Petersburg nach Wien schickt, ist das keine Einbahnstraße. Man hat (auch um dieselbe Kultur zu manifestieren, aus der sich „Europa“ speist) jedem Werk ein Pendant aus der Wiener Sammlung entgegengestellt, wobei in einem Fall etwas Besonderes geglückt ist: Wien besitzt nur ein einziges Gemälde von Thomas Gainsborough, das normalerweise nicht gezeigt wird, „weil es gewissermaßen in der Luft hängen würde“, wie Generaldirektorin Sabine Haag erklärte. Das KHM hat auch kein Gemälde des größten Landschaftsmalers der Goethe-Zeit, Philipp Hackert: Die Eremitage schickte eines, und so hat man zum Thema „Landschaftsmalerei“ nun zwei Meisterwerke des 18. Jahrhunderts vor sich.

Die Genres der Kunst Man hat überhaupt, wie Stefan Weppelmann, der Kurator von Wiener Seite (und Direktor der Gemäldegalerie im KHM), ausführte, versucht, möglichst viele Genres zu bedienen: Es gibt die religiöse Kunst von der Renaissance an, wobei es dem Direktor der Eremitage besonders wichtig war, dass Wien „Die Enthauptung der hl. Katharina“ von Albrecht Altdorfer beisteuern konnte, ist diese Heilige doch für Russland bedeutend. Aus St. Petersburg kam als „heiliges“ Pendant der „Büßende Hl. Hieronymus“ von Botticelli. Religiöse Kunst bestückten beide Häuser mit Tintoretto, antike Historie mit Nicolaus Poussin, Erotik anno dazumal mit Hans von Aachen und Bartholomäus Spranger, saftige Genrebilder aus der Bibel mit Bernardo Strozzi, Volksszenen mit Jan Steen. Besonders interessant ist die Gegenüberstellung von Watteau und Van Dyck, die zeitlich fast ein Jahrhundert auseinander liegen und von denen man nicht dachte, dass sie Gemeinsamkeiten zeigen könnten: Doch eine „Heilige Familie“ (1719) von Watteau, den man vor allem mit seinen anmutigen höfischen Szenen kennt, zeigt im Vergleich zu einer „Heiligen Familie“ von van Dyck (ca. 1626), wie sehr der Franzose von dem Flamen gelernt hat, wie er ihm bewusst „nach-malte“.

Vor allem Porträts Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt allerdings bei den Porträts, nicht nur bei jenen der beiden Kaiserinnen. Nochmals und zweimal Anthonis van Dyck: Das lockenköpfige Selbstporträt von aus St. Petersburg wird – auf Plakat, Prospekt und Katalog für die Ausstellung werbend – sicher viele Besucher anlocken und steht in seiner eleganten Künstlerpose neben dem weit repräsentativeren Gemälde, das er von Nicholas Lanier malte: So sind Künstler in ihren verschiedenen Ausdrucksformen zu studieren. Variationen eines Themas werden geboten, wenn Rembrandt neben Rembrandt steht und sich zu „unserer“ Prophetin Hanna die sitzende „Alte Frau“ aus St. Petersburg gesellt. Variationen von Bekanntem wird geboten, wenn zweimal Holbein nicht zweimal den berühmt gewordenen Hans (mit unserem Porträt von John Chambers) bietet, sondern auch ein Werk des vergessenen Ambrosius Holbein, der mit 23 Jahren verstarb – vielleicht wäre er sonst der „berühmte Holbein“ geworden? Sein „Bildnis eines 20jährigen Mannes“ ist jedenfalls bemerkenswert. Und ein Tintoretto-Porträt aus St. Petersburg ist nicht ein Werk des Vaters (Jacopo Robusti), sondern eines des Sohnes Domenico… So bietet dieser Gang durch die Kunstgeschichte mit Hilfe zweier der größten Museen durchaus auch Überraschungen.

Wien, Kunsthistorisches Museum:
DIE EREMITAGE ZU GAST
Bis 2. September 2018,
täglich 10 – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr

 

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