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WIEN / KHM: BASELITZ NACKTE MEISTER

04.03.2023 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Kunsthistorisches Museum:
BASELITZ   NACKTE MEISTER
Vom 7. März 2023  bis zum 25. Juni 2023

Kopfüber ins Kunsthistorische

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Generaldirektorin Sabine Haag, die das Kunsthistorische Museum bedauerlicherweise Ende 2024 verlassen wird, hat schon seit einiger Zeit eine „Modern & Contemporary“-Schiene in ihrem Haus eingezogen. Aber so prominent wie nun Georg Baselitz durfte sich noch kein Zeitgenosse in den heiligen Hallen ausbreiten. Fünf große Ausstellungsräume und mehrere dazugehörige Kabinette wurden ausgeräumt, um dem 85jährigen Künstler seinen „Dialog mit den Alten Meistern“ des Hauses zu ermöglichen. Eine Großausstellung, die schon ihres spektakulären Anstrichs wegen gewiß viel neues Publikum ins Haus holen wird.

Von Renate Wagner

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Georg Baselitz       Geboren am  23. Januar 1938 in Deutschbaselitz, Oberlausitz, Sachsen; hat sich der gebürtige  Hans-Georg Kern bald den Namen seines Geburtsorts als Künstlernamen zugelegt. Schon als junger Künstler eckte er erst in der DDR und wenig später in der Bundesrepublik mit seiner aggressiven Kunstauffassung und auch seinen, wie man damals meinte, pornographischen Werken an. Seit etwa 1970 hat er zu dem spezifischen Stil des „Kopfüber“ gefunden, der sein unverkennbares Markenzeichen wurde und ihm Weltruhm brachte. Zu seinem 85. Geburtstag heuer gibt es zahlreiche Ausstellungen. Als das Kunsthistorische Museum ihm via Kurator Andreas Zimmermann vor mehr als zwei Jahren angeboten hat, seine Werke korrespondierend zu jenen des Hauses in einer Ausstellung zu präsentieren, nahm er an. Das Motto: der menschliche Körper, Nacktheit. Baselitz wählte selbst 40 Alte Meister in Konfrontation zu 80 eigenen Bildern, davon einigen aus der allerletzten Zeit. Nun hat er zwar selbst jegliche Einflüsse anderer Künstler auf sein Werk abgelehnt: „Ich habe mich nie empfunden als jemand, der in einer Tradition steht, in einer Reihe mit anderen Künstlern (…) Ich habe mich immer dort gefunden, wo noch keiner war, immer am Anfang.“ Dennoch ist der  Dialog gelungen.

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In Gottfried Sempers Welt     Sabine Haag vermutete in der Pressekonferenz, dass auch die Tatsache, dass das Kunsthistorische Museum ein Werk von Gottfried Semper (in Zusammenarbeit mit Carl von Hasenauer) ist, Einfluß auf die Entscheidung von Baselitz genommen hat. In seiner Jugend war er oft in Dresden, formte seine Vorlieben und Abneigungen (darunter Raffael…) in der berühmten Gemäldegalerie Alter Meister, und er bewunderte offenbar Sempers Bauten für die Stadt – die Ähnlichkeit der Dresdener Semper-Oper mit dem Wiener Burgtheater ist evident. Sempers Büste, gestaltet von Caspar von Zumbusch steht im Gang des ersten Stockes im KHM, auf dem Weg zur Baselitz-Ausstellung.

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Die biographischen Aspekte     Die Werke von Baselitz sind schwer zu „lesen“, gerade weil er grundsätzlich nichts „erzählen“ will (darum lehnt er die detailreich-deskriptiven Werke von Bruegel etwa ab). Dennoch meinte er: „Alles ist ein Selbstbildnis, ob es sich um einen Baum handelt oder einen Akt.“ Und manchmal ergeben sich die Bezüge zwischen seinem Werk und den von ihm gewählten Alten Meistern mühelos – denn wenn „Adam und Eva“ in der schlichten Nacktheit Cranachs erscheinen, dann mag das „Schlafzimmer“ von Baseltitz, das Doppelbildnis von sich und seiner Frau  ein Pendant sein. Nicht immer erschließen sich die Bezüge klar – der Sinnlichkeit von Rubens’ „Pelzchen“ ist die Härte der „Schwarzen Elke“ gegenüber gestellt (Elke ist der Name seiner Gattin, mit der er über 60 Jahre verheiratet ist, sie und er selbst sind seine einzigen „Akt-Modelle“).

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Kurator Andreas Zimmermann, der dem Werken doch eine Art von Chronologie verliehen hat, kann gegen Ende ganz „Persönliches“ bieten – in seinen Achtzigern hat sich Baselitz auf die Faszination besonnen, die vor Jahrzehnten, in der Nachkriegszeit, die Nylonstrümpfe ausgeübt haben… sie sind zum Finale in einigen collagierten Werken vertreten.

Der manieristische Reiz der „Rudolfiner“   Die klassische Malerei hatte thematisch viele Möglichkeiten, nackte Haut zu zeigen. Baselitz wählte Werke von Altdorfer, Grien, Parmigianino, Correggio, Tizian und Rubens, um nur die berühmtesten zu nennen, und zahlreicher anderer Italiener und Flamen. Sein Zugang, „Parallelen“ zu finden, ist ein rein formaler – wenn nackte Engel stürzen, stürzen auch bei ihm seine kopfüber-Figuren, wenn Frans Floris im „Jüngsten Gericht“ seinerseits schon Menschen kopfüber in Richtung Hölle schickte, so stürzen die Figuren von Baselitz, hier übrigens schon so morbide zerstückelt, dass man das Ende nahen fühlt. Besondere Vorliebe hat der Künstler für die Maler gezeigt, die am Hof von Kaiser Rudolf II. arbeiteten. Es ist bekannt, dass Meister wie Hans von Aachen oder Bartholomäus Spranger unter dem Vorwand mythischer und biblischer Themen dem Kaiser seine teuren „Pin Ups“ der damaligen Zeit lieferten, sanfte Haut, erotische Wölbungen, sinnliche Umarmungen. Dem hat Baselitz nichts entgegen zu setzen, auch wenn es Bilder von ihm gibt, die mit zarten Farben weniger brutal agieren.

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Die Großen und die Kleinen      Die Bilder von Baselitz sind überdimensional. „Die meisten malen riesige Formate, aus verschiedenen Gründen: Eitelkeit, Überheblichkeit, Demonstration und so weiter. Das ist eine Chance, die heute ein zeitgenössisches Bild hat. In der Zeit der Alten Meister gab es diese Chance nicht.“ Tatsächlich beherrschen die Baselitz-Bilder die Ausstellung gleicherweise in ihrer Größe und ihrer Überzahl – es gibt keine „von Bild zu Bild“-Gegenüberstellung. Mancher kleinformatige alte Meister scheint sich da fast zu ducken, fast zu verschwinden. Nur einige halten auch in der Größe stand. Oft hängt Baselitz auch als er selbst alleine an der Wand, ohne „Partner“ aus der Vergangenheit. Es ist eine Ausstellung, die letztendlich voll und ganz ihm gehört.

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WIEN / Kunsthistorisches Museum:
BASELITZ   NACKTE MEISTER
Vom 7. März 2023  bis zum 25. Juni 2023
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Donnerstag bis 21 Uhr
Ab Juni täglich geöffnet

 

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