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WIEN / Kasino: STOLZ UND VORURTEIL* (*ODER SO)

13.09.2020 | KRITIKEN, Theater

 
Fotos Burgtheater / Susanne Hassler-Smith

WIEN / Kasino des Burgtheater:  
STOLZ UND VORURTEIL* (*ODER SO)
Isobel McArthur nach dem Roman von Jane Austen
Deutschsprachige Erstaufführung  
Koproduktion mit dem Max Reinhardt Seminar
Premiere: 13. September 2020

Man erinnert sich: In der Familie Bennet gibt es (wir befinden uns zu Beginn des 19. Jahrhunderts) fünf Töchter, und Jane Austen hat ein paar hundert Seiten gebraucht, bis endlich drei von ihnen unter der Haube sind – und außerdem hat sie mit „Stolz und Vorurteil“ einen der berühmtesten Romane der englischen Literatur geschrieben.

Fünf Schauspielerinnen braucht die schottische Schauspielerin und Dramatikerin Isobel McArthur dafür, um die Prosa auf Theater einzudampfen, wobei sie ihrem Abend gewissermaßen ein Fragezeichen hinzufügt – „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“. Ja, ganz sehr „oder so“, und fünf junge Frauen spielen alle vieles, auch Männer, und selbst wenn es eine im Personal stark reduzierte Fassung des Werks ist, geht es wild zu (weil ja schließlich in diesem Buch so viel passiert).

Dennoch – besser, man kennt den Roman, denn sonst kennt man sich möglicherweise nicht immer aus. Die historische Bedeutung der Geschichte als Analyse einer bürgerlichen englischen Gesellschaft ist ebenso beiseite geschoben wie die damals durchaus als provokant empfundenen Porträts junger Frauen mit ihren Problemen zwischen Gefühlen und der Einsicht in ökonomische Notwendigkeiten (was ihre Freiheiten gänzlich beschnitt). Auch wenn man sich als Jux hier ein paar lange Röcke und altmodische Accessoires überstülpt (Bühne & Kostüme Thea Hoffmann-Axthelm), die Geschichte hat mit Jane Austen nicht mehr viel zu tun.

Als Theaterjux ist sie allerdings gelungen, wobei Musik – irgendwelcher Herz-Schmerz-Pop-Schmalz per Karaoke dargeboten – eine große Rolle spielt und historischen Staub wegblast. Im übrigen fegen die Darstellerinnen herum wie die Wilden, erzählen die Geschichte, schlüpfen in die verschiedensten Rollen und blödeln, was das Zeug hält.

Über den Theaterspaß hinaus macht es allerdings nicht allzu viel Sinn, zumal ein Thema, das zu Beginn angeschnitten wird, sich dann kaum fortsetzt. Denn zuerst sieht man die fünf jungen Damen putzen, und sie geben sich als das „Personal“ aus, ohne welches die bessere Gesellschaft damals ja nicht existieren konnte. Nun wäre es möglich gewesen, die Geschichte aus dieser Perspektive zu erzählen, aber die Figuren sind dann sie selbst und die Bediensteten kommen nur noch rudimentär wieder.

Das Burgtheater bietet, diesmal im Kasino, die dritte Premiere an drei Abenden, wobei diese Produktion doch eine Art Gastspiel ist, allerdings eines, das dem Gast und dem Gastgeber Ehre macht. Mit der Regisseurin Lily Sykes wurde eine Britin verpflichtet, die allerdings auch viel in Deutschland arbeitet, und sie hat die mörderische Logistik des Abends wirklich fest im Griff.

Die fünf jungen Darstellerinnen sind alle Studierende des Reinhardt Seminars, und man muss der Institution hier am lebenden Beispiel zugestehen, dass sie ihre Schüler exzellent ausbildet. Denn sie sind alle von sehr gut bis brillant. Johanna Mahaffy hat vielleicht die besten Rollen ergattert, die dauernd an der Verheiratung der Töchter arbeitende Mutter und der arrogante Schnösel Darcy, der sich letztlich zum Happyend-tauglichen Liebhaber wandelt. Caroline Baas ist überzeugend Elizabeth Bennet, deren Beziehung zu Darcy den Schwerpunkt der Geschichte darstellt, aber Wiebke Yervis steht ihr als ihre Schwester Jane (und in noch mehreren Rollen) um nichts nach. Unter den schrillen die schrillste ist Lili Winderlich als weitere Bennet-Schwestern und einiges mehr, Maya Unger ergänzt u.a. als Janes skurriler Liebhaber.

Jede dieser jungen Schauspielerinnen kann, was man von ihr fordert, und wer sich souverän durch eine so komplizierte Logistik spielen kann, der scheint für die Anforderungen, die das Theater an sie stellen wird, bestens gerüstet.  

Dennoch, ein Einwand muss sein: Der Abend dauert „nur“ zwei Stunden ohne Pause, aber er wirkt endlos, weil die immer gleichen Theatermittel und –Scherze unaufhörlich wiederholt werden und weil, ehrlich gestanden, der ganze Gefühls-Stadl ja doch nicht allzu interessant ist. So amüsiert man in den Abend hinein geht, so ermüdet kommt man letztendlich heraus.

Renate Wagner

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Sonntag, 13. September 2020
Kasino des Burgtheaters

Stolz und Vorurteil* (*oder so)
Isobel McArthur nach dem Roman von Jane Austen

Deutschsprachige Erstaufführung
Koproduktion mit dem Max Reinhardt Seminar

Regie Lily Sykes  
Bühne & Kostüme Thea Hoffmann-Axthelm  

mit

Caroline Baas ,  
Johanna Mahaffy ,  
Maya Unger ,  
Lili Winderlich ,  
Wiebke Yervis

 

 

 

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