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WIEN / Kasino: PARTY TIME

01.02.2016 | KRITIKEN, Theater

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Copyright: Reinhard Werner / Burgtheater

WIEN / Kasino des Burgtheaters:
PARTY TIME von Harold Pinter
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 31. Jänner 2016

Schau, schau, der gute alte Harold Pinter. Als er 2005 (endlich) den Nobelpreis für Literatur erhielt (er war damals 75), höhnte die immer liebenswürdige Sigrid Löffler, der Mann sei doch völlig passé. Drei Jahre später ist er gestorben. Und nun holt das Burgtheater ein 25 Jahre altes Stück aus der Versenkung. Und, siehe da, es wirkt, als sei es hier und heute für hier und heute geschrieben… Man ist doch nie vor Überraschungen gefeit. Die österreichische Erstaufführung im Raum des Kasinos dauert zwar nur eineinviertel Stunden, aber die haben es in sich.

Die Party Time ist genau das: eine Party, wo sich eine Handvoll reicher, oberflächlicher Schnösel zu ihrem angeberischen BlaBla und seichten Überlegungen zusammen finden. Bloß – „draußen“ geht, wie ärgerlich, irgendetwas vor. Unruhen, Tumulte, aber es wird ohnedies etwas unternommen: Genaues erfährt man absichtlich nicht, aber das ist gar nicht nötig. Umso deutlicher können wir es auf unsere aktuelle Situation beziehen. Und sich fragen, wie weit man möglicherweise selbst den Kopf in den Sand steckt und nicht wahrnehmen will, was da rund um uns geschieht…

Pinter war immer ein Enigmatiker, nie leicht aufzulösen, aber das kurze Stück würde sich natürlich auch erschließen, wenn man es scheinbar ganz realistisch nähme, als eine Seitenblicke-Gesellschaft im verblödet-versponnenen Luxus, die von der Realität gar nicht belästigt werden will. Doch was sich der junge serbische Regisseur Miloš Lolić dazu ausdachte, hat es auch in sich, das muss man zugeben.

Er gibt sich von Anfang an mit der konkreten Party-Situation nicht wirklich ab. Die Acht, die da hereinstaksen und sich eng auf einem viereckigen, einstöckigen Metallgestell drängen (Bühne: Sabine Kohlstedt, Kostüme: Janina Brinkmann), werden gar nicht sonderlich als individuelle Schicksale herausgearbeitet, sondern vor allem als groteske Typen ausgestellt, ein Brecht’scher Lehrstück-Effekt, was auf seine Art auch funktioniert.

Aber damit gibt sich der Regisseur nicht zufrieden. Er arbeitet nach dem Mephisto-Motto „Du musst es dreimal sagen“: Beim zweiten Mal lässt er den Text in Form eines „schnellen Durchlaufs“ noch einmal durchrasen, und diesmal weit exzessiver, hektischer und noch stilisierter als davor. Und am Ende noch einmal – aber da sind die armen Verrückten bereits großteils ihrer Kleidung entledigt und nur noch klägliche, halbnackte Würmer, die am Boden mit Wortbrocken ihrem Untergang zukriechen… die Party wird zur Apokalypse. Weit über Pinter hinaus. Aber nicht ohne Überzeugungskraft.

Opfer der Regiedominanz sind die Schauspieler, die mehr als Puppen und Funktion genommen sind denn als Persönlichkeiten, aber was die Neun (zu den acht Partygästen kommt noch ein Attentäter, der sich als Bruder einer der Damen herausstellt) auf der Bühne leisten, ist schon rein von der Logistik und der Bereitwilligkeit, sich im Wortsinn zu „verrenken“, ganz außerordentlich. Allerdings funktionieren die Darsteller, wie gesagt, nur als Kollektiv, und selten ragt einer hervor (wie Mavie Hörbiger, die weit nachdrücklicher als die anderen ihre Figur in Teil 1 und 2 differenziert, in Teil 3 ist sie auch nur ein unerkennbarer Körper).

So nennt man also die ihrer Schicksale und Eigenschaften Beraubten, die Damen Elisabeth Augustin, Stefanie Dvorak und Alexandra Henkel, die Herren Michael Masula, Philipp Hauß, Daniel Jesch, Marcus Kiepe und Christoph Radakovits als aufopfernde Beispiele dafür, wie wenig der Beruf des Schauspielers heute mehr damit zu tun hat, wofür man in früheren Zeiten und Welten angetreten ist, wenn man „zum Theater“ wollte…

Das Publikum zeigte sich von dieser Brutalo-Interpretation beeindruckt, und das durchaus zu Recht.

Renate Wagner

 

 

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