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WIEN / Kammerspiele: WAS IHR WOLLT

14.04.2022 | KRITIKEN, Theater

00 was ihr wollt breit mnner unter sich
Fotos: Theater in der Joefstadt

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt: 
WAS IHR WOLLT von William Shakespeare
Premiere: 14. April 2022,
besucht wurde die Voraufführung am 13. April 2022 

Es ist allgemein bekannt, dass zu Shakespeares Zeiten nur Männer als Schauspieler auf der Bühne stehen durften. (Es gab unter ihnen übrigens berühmte Frauen-Darsteller.) Dann eroberte sich die Damenwelt über Jahrhunderte ihre Rollen, und nur wenige ganz große Stars schlüpften gelegentlich in ein Männergewand – wie Sarah Bernhardt oder Adele Sandrock in das Wams des Hamlet. Unsere Zeit hat die Mann/Frau-Trennung gänzlich aufgehoben, Cross-Besetzungen sind an der Tagesordnung.

So originell ist es also nicht, einmal – wie es jetzt an den Josefstadter Kammerspielen geschieht – alle Rollen in „Was ihr wollt“ von Männern spielen zu lassen. (In London war das bei gerade diesem Stück urkomisch – und an der Josefstadt hat Hans Hollmann 2006 seinen total mit Männern besetzten „Bunbury“ gezeigt.) Nur der Narr (an sich ein Mann) bildet eine Ausnahme –  den spielt Maria Bill, die man ja vielleicht ungestraft eine Frau nennen darf, und sie beherrscht im Chaplin-Look die Szene, nicht zuletzt, weil sie so eine hervorragende Sängerin ist.

00 was ihr wollt maria bill narr

Der starke Musikanteil, der dem Abend fast etwas Musicalartiges anhaften lässt, basiert neben einer kleinen, links auf der Bühne befindlichen Musiker-Truppe vor allem auf ihrer Stimme. Nebenbei gesagt, darf sie noch einen großen Teil des „Hamlet“-Monologs rezitieren, aber das gehört  zum „Jokus“-Teil dieses Abends, der sich als seltsames Produkt erweist. Die Bill jedenfalls zeigt, dass Frauen auch nicht schlecht Theater spielen – ehrlich gesagt, ist die Dame der Aufführung bestes Stück.

Nun geht es in „Was ihr wollt“ zweifellos um die Verwirrung der Geschlechter, Mann und Frau lieben kreuz und quer angesichts der Tatsache, dass sich ein Mädchen als Mann ausgibt. Dass die Geschichte gewinnt, wenn man sie nur mit Männern besetzt, könnte man nicht behaupten, denn einen besonderen Schwerpunkt setzt die Homo-Erotik nicht. Und was davon im Stück ist, vor allem Sebastian und der Seemann (der hier, Zeitgeist schau oba, natürlich ein Schlepper sein muss), das steht schon bei Shakespeare. Auch dass Orlando angesichts der Hübschheit des Mädchens Viola, die er für den Buben Cesario hält, in eine ihm unerklärliche Verwirrung der Gefühle gerät. Und schon gar, dass sich Olivia in diesen Cesario verliebt, weil das Mädchen als Bub eben einen eigenartigen Zauber ausstrahlt. Lesbisch sind die Damen deshalb nicht, aber keine Frage, es geht rund.

Das hat man üblicherweise mit kraftvoller, bunter Komik gespielt – Regisseur Torsten Fischer setzt in den Kammerspielen auf das Gegenteil, nämlich ganz auf Stil, letztendlich ganz auf Parodie. Auf einer fast leeren, weißen Bühne (dennoch sind gleich die üblichen Herren in Fischers Begleitung als Ausstatter geführt: Herbert Schäfer &   Vasilis Triantafillopoulos) will er eine fast körperlose Welt kreieren, die meist auch noch im Bühnennebel verschwimmt. Irgendein Theaterreich, das aber nichts Magisches an sich hat und dessen tieferen Sinn man auch nicht aufdröseln kann.

Zumal die Besetzung bestenfalls teilweise überzeugt. Drei Damen sollten auf der Bühne stehen – aber so gut, glaubhaft und männlich Julian Valerio Rehrl als Zwillingsbruder Sebastian ist, als Viola überzeugt er keine Sekunde, nicht optisch, nicht im Spiel, nicht im Gefühl. Eine schrille Knallcharge, die im Grunde nur peinlich ist, bietet Martin Niedermair als Olivia – seine alberne Parodie einer Hysterikerin könnte man (#sosindwirnicht) als geradezu politisch unkorrekt bezeichnen. Einzig Alexander Strömer gibt als Maria eine dralle „Frau“, die man für echt halten könnte, obwohl sie den Klamotten-Charme von Charleys Tante ausstrahlt.

Aber auch die Herren bleiben weit unter den Erwartungen, die man (ein paar Idealbesetzungen in der Erinnerung tragend) an diese Figuren knüpft: Claudius von Stolzmann, ein überraschend farbloser Orlando. Dominic Oley (hergerichtet wie Minister Schallenberg persönlich), ein Malvolio ohne besondere Eigenschaften. Robert Joseph Bartl und Matthias Franz Stein, kostümiert als Laurel und Hardy, fallen durch – sie sind Opfer der Regie, noch nie waren Tobias Rülp und Junker Bleichenwang dermaßen nicht vorhanden. Von den Rangfiguren – Markus Kofler, Tamim Fattal, Ljubiša Lupo Grujčić – könnte nur Letztgenannter als verliebter Seemann mit seiner Leistung in eine „normale“ Inszenierung gehen, die sich auch an dem Stück orientieren würde. Dass es viel Musik gibt, wurde erwähnt, und dass zu Beginn in einer Schiffbruchsszene mehrere Sprachen durcheinander wirbeln, ist wohl der Diversität geschuldet, ohne die es in einem so korrekten Theater wie der Josefstadt nicht gehen kann. Hätte man sich lieber um den Autor gekümmert.

Letztendlich war es kaum Shakespeare, aber viel zielloser Jokus im Nebel. Neben mir saß ein junges Paar in seinen Zwanzigern, also jenes Publikum, dem alle Theater in Lippenbekenntnissen dauernd nachhecheln. Die beiden hielten es gerade eine Viertelstunde aus, dann war es ihnen zu blöd, und sie gingen. Die unerwünschten Weißhaarigen blieben und klatschten.

Renate Wagner

 

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