Martina Stilp-Scheifinger, Julia Stemberger, Susa Meyer / Fotos: Barbara Zeininger
WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
TERROR von Ferdinand von Schirach
Premiere: 23. November 2011,
besucht wurde die Generalprobe
Die Josefstadt ist auf einen Erfolgszug aufgesprungen, und man riskiert für „Terror“ von Ferdinand von Schirach sogar den Spielort Kammerspiele, obwohl man sich vorstellen kann, dass das normalerweise hier vertretene Publikum schon vor dem Titel zurückschreckt. Jetzt muss man hoffen, dass die Mundpropaganda verkündet, das sei ja eigentlich ein „Krimi“ – und man dürfe sogar abstimmen. Nicht über den Täter (wie es Paul Pörtner als erster mit „Scherenschnitt oder Der Mörder sind Sie“, 1963, versucht hatte – er erfand „interaktiv“, als es den Begriff noch gar nicht gab), sondern über das Urteil…
Nun „Terror“ von Ferdinand von Schirach, an sich Anwalt, bekannt für kulinarische Aufarbeitung von Strafrechts-Fällen, ist eine spannende Geschichte, weil sie sie „echt“ und heutig ist und unter die Haut geht. Und jeder Theaterbesucher auf die Frage zurückgeworfen wird, was er selbst getan hätte – wenn ein Flugzeug mit einem Terroristen an Bord auf ein Fußballstadion zurast, in dem sich 70.000 Menschen befinden. Der Luftwaffenmajor, der das Flugzeug gegen den Befehl seiner Vorgesetzten abgeschossen und damit die 164 Passagiere darin getötet hat, steht vor Gericht. Hätte man selbst Menschenleben gegen Menschenleben numerisch abgewogen?
Nun, keine Frage, dass nach der Pause – das dauert dann keine fünf Minuten mehr – der Freispruch (mit großer Mehrheit) verkündet wird. Man selbst hat ja die Münze in die Freispruch-Büchse geworfen. Und vorher durften die Darsteller in einer sauberen Gerichtsverhandlung pro und contra des Falls aufblättern.
An sich bietet das Stück vordringlich Männerrollen, aber das muss ja in unserer Gesellschaft nicht mehr sein – und die Josefstadt hat derzeit die meisten ihrer Männer-Darsteller in „Professor Bernhardi“ gebunden. Damit die Damen des Hauses nicht untätig herumsitzen, kann man sieben von ihnen gut beschäftigen. Dass Sachverhaltsdarstellung und Plädoyers an sich eine trockene Sache sind – nun, vor allem Verteidigerin und Staatsanwältin versuchen in der Regie von Julian Pölsler, so viel Leben wie möglich in die Sache zu bringen.
Susa Meyer, cool, intelligent und so überzeugend, wie sie mit ihrer Argumentation nur sein kann, versucht die Angeklagte schuldig zu sprechen, Martina Stilp-Scheifinger plädiert locker und frech für „gesunden Menschenverstand“ und das „kleinere Übel“. Julia Stemberger darf nur Vorsitzende sein, das ist ein eher fader Job, und Pauline Knof muss ihre Tat mit knapper, verhaltender Soldaten-Gestik verteidigen: Auch da ist nicht so viel rauszuholen.
Pauline Knof / Alexandra Krismer
Freilich ist einem dann auch die trockene Art der Soldaten-Zeugin Alexandra Krismer lieber als der doch etwas kitschig manipulierte „menschliche Faktor“ der Gattin eines der getöteten Passagiere (Silvia Meisterle muss da die Tränen zurückhalten). Gioia Osthoff darf nur als lebendes Büromöbel agieren, aber das ist das Schicksal von Anfängern.
Der Fall ist grundsätzlich spannend, aber wohl eher als Diskussionsbasis für Jus-Studenten als für das Theater. Aber letztlich erzwingt das „Hier und Heute“ der Fragestellung Interesse.
Renate Wagner