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WIEN / Kammerspiele: SUFF

01.02.2018 | KRITIKEN, Theater

Suff  Bühnenbild
Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
SUFF von Thomas Vinterberg / Mogens Rukov
Uraufführung
Premiere: 1.Februar 2018,
besucht wurde die Generalprobe

Zu Beginn wird man mit ein paar Schnapsleichen konfrontiert. Die älteren Damen, die da am Boden kriechen, haben keinen Kater, die sind schon alko-komatös. Wenn sie wieder halbwegs auf die Beine kommen, tun sie das Übliche: Sie saufen weiter – Spiegeltrinker wissen, was nötig ist. Man erinnert sich kaum, einen ekelhafteren, schockhafteren Stückbeginn gesehen zu haben. Man könnte annehmen, in den Wiener Kammerspielen läuft hier ein Lehrstück über Alkoholismus und seine verheerend zerstörerischen Folgen ab…

Suff  alle vier besoffen

Aber die vier Damen, alle weißhaarig (sehr gute Perücken), sind eigentlich fröhliche Zecherinnen und Trinkerinnen. Und wenn die kaputten Geschöpfe, die da anfangs total erledigt schienen, nach eineinhalb Bühnenstunden quietschfidel die Gläser heben – ja, dann hat das Autoren-Duo Thomas Vinterberg / Mogens Rukov in dem Stück „Suff“ mehr verrückte Drehungen und Wendungen vollzogen, als vernünftigerweise nachvollziehbar wäre… Was sie eigentlich sagen wollen, bleibt hochgradig unklar.

Vintenberg, der dänische Filmemacher, der in den Wiener Theatern durchaus fest verankert ist (2010 „Das Begräbnis“ im Burgtheater, 2011 „Die Kommune“ im Akademietheater, und die Josefstadt hat schon 2007 „Das Fest“ von ihm gespielt) will einerseits das Pro und Contra des Alkohols diskutieren (dem Argument, dass im Rausch große Werke entstanden sind, beim Knabbern von Salatblättern hingegen noch nicht, kann man nichts entgegen setzen), andererseits die Schicksale von Betroffenen zeigen – die ohnedies Unverbesserlichen und eine, die sich bemüht, „trocken“ zu werden, aber keine Chance hat (nicht zuletzt durch den Gruppendruck…).

Die Geschichte spielt in der Wohnung von Hedwig, für die Raimund Orfeo Voigt ein mehr als schräges Bühnenbild geschaffen hat (die Ladies, alles bessere Kreise, sind von Johanna Lakner entsprechend eingekleidet). Die ehemalige Hautärztin, die sich durch den Suff aus ihrem Beruf katapultiert hat, ist von drei Freundinnen umgeben, die wie sie das Trinken zum Lebenszweck erhoben haben. Gemeinsam säuft sich’s besser. Das ist aber noch keine Handlung, so stark die Josefstadt auch besetzt hat – mit der fabelhaften Sona MacDonald als Hedwig im Zentrum und Elfriede Schüsseleder (zwischen Heiterkeit und Tränendrüsen-Drücken), Therese Lohner (als ehemalige Tänzerin mit kranken Knochen herumschwankend) und Marianne Nentwich (mit tiefen Sandrock-Tönen) als das Damen-Quartett.

Suff SonaMacDonald_MartinNiedermair

Irgendetwas muss außer dem Hochleben-lassen von Bordeaux und Wodka, Champagner und Cointreau passieren, also taucht Hedwigs Sohn auf – als logischer Kontrast ist er natürlich der korrekte, radfahrende Gutmensch schlechthin, der seiner Mutter nur die heftigsten Vorwürfe machen kann, worauf sie allerlei halbherzige Versuche unternimmt, dem Alkohol abzuschwören. Allerdings spielt ihn Martin Niedermair als wienerisches „Z’niachterl“ (trotz Waschbrettbauchs), der nur lächerlich wirkt. Wenn die Damen in ihrer gestrigen geistigen Prägung ihm versichern, Frauen wollten einen „richtigen“ Mann und er in der Folge die Gattin, die ihm davongelaufen war, damit zurückgewinnt, dass er deren Freund verprügelt… da ahnt man natürlich, dass dergleichen ironisch gemeint ist, aber mehr als seltsam stößt einem diese Weltsicht schon auf.

Dieses Stück schwankt dermaßen zwischen Bluternst (auf den Regisseurin Alexandra Liedtke mit möglichst peinlich-penetranten Situationen draufdrückt) und lockerer, verharmlosender Verblödelung der Thematik, dass ein vernünftiger ideologischer Weg durch die Problematik – den man wohl verlangen kann – nicht zu finden ist.

Wenn die Damen am Ende die Gläser erheben, ist das traurig-trockene, freudlos-alkohollose Leben für die Heldin Hedwig auf einmal wieder lebenswert… Dermaßen politisch unkorrekt zu sein, würde die stocksteif-überbrave Föttinger-Josefstadt ja fast sympathisch machen – wenn die Aussage, Suff sei seligmachend, nicht so bedenklich wäre.

Renate Wagner

 

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