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WIEN / Kammerspiele: SHERLOCK HOLMES: DER FALL MORIARTY

Locken für Sherlock

06.11.2025 | KRITIKEN, Theater

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WIEN / Kammerspiele der Josefstadt: 
HOLMES: DER FALL MORIARTY von Ken Ludwig
Österreichische Erstaufführung
Premiere:  6. November 2025,
besucht wurde die Generalprobe

Locken für Sherlock

Jeder ist „Sherlock“ schon einmal begegnet, auch wenn man auf die Lektüre der lesenswerten Romane und Erzählungen von Arthur Conan Doyle selbst verzichtet hat. Aber die Geschichten um Meisterdetektiv Sherlock Holmes und seinen getreuen Begleiters Dr. Watson wurden immer wieder verfilmt, haben legendäre, weltbekannte Titel („Der Hund von Baskerville“) und sind zuletzt in der brillanten, modernisierten Fassung der BBC mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman immer wieder auf den Bildschirmen erschienen. Kurz, „Sherlock Holmes“ ist allein ein so zugkräftiger Name, dass der Run aus die Kammerspiele-Karten schon einsetzte, bevor noch die erste Kritik erschienen war.

Denn dort spielt das Theater in der Josefstadt mit „Sherlock Holmes: Der Fall Moriarty“ eine eigenwillige, aber höchst wirksame Fassung von Ken Ludwig, und dieser Amerikaner versteht sein Handwerk. Man muss nur „Othello darf nicht platzen“ sagen und weiß, dass er auch Wien und den Kammerspielen einen über ein Jahrzehnt (!) laufenden Hit beschert hat (natürlich auch wegen Otto Schenk als Pavarotti-gleichem Tenor…).

Ken Ludwig hat sein 2023 in Cleveland uraufgeführtes Sherlock-Holmes-Stück aus Elementen vieler Geschichten zusammen gesetzt. Und dabei auch heftig phantasiert – denn dass Holmes nicht in den Reichenbach-Fällen umkommt, sondern glücklich in die Arme von Irene Adler fällt, daran könnte man sich nicht erinnern. Aber egal, es geht eigentlich nur darum, die Holmes-Figur humoristisch dem Theater zu gewinnen. In einer Form, wie etwa Patrick Barlow die „39 Stufen“ auf die Bühne gebracht hat – wenige Schauspieler verkörpern alle Rollen, die Szene ist (auch in ihren fluktuierenden Dekorationen) ununterbrochen in Bewegung, das Tempo gilt ebenso den Pointen, dem Ablauf (mit vielen ulkigen, durchchoreographierten „Kampf“-Szene) wie den Umkleidekünsten.

Wobei man die immer wieder zitierte Angabe, dass fünf Darsteller in 40 Rollen erscheinen, dahingehend korrigieren muss, dass drei Darsteller 38 Rollen zu übernehmen haben, denn Sherlock Holmes und Dr. Watson dürfen natürlich   immer sie selbst bleiben…

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Fotos: Theater in der Josefstadt

So hetzt man also in der gekonnten und gut gelaunten Inszenierung von Dominic Oley (in den prächtig verschiebbaren Dekorationsteilen von Judith Leikauf & Karl Fehringer und Schnell-Umzugskostümen von Nicole von Graevenitz) durch eine etwas überladene Handlung. Da gilt es, die Liebesbriefe eines fiktiven Königs Otto von Böhmen an Irene Adler zu finden, in denen ein Mikrochip mit Staatsgeheimnissen versteckt ist. Als der Mann, der mit ihnen um die Wette hetzt, ist Erzfeind Professor Moriarty aufgeboten, und im übrigen stolpert ein Teil des unabdingbaren Sherlock-Holmes-Personals kurzfristig über die Bühne. Manchmal wäre, so gut das gemacht ist, weniger mehr

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Man hat als Sherlock Holmes Claudius von Stolzmann besetzt, der ein Schauspieler von starker positiver Ausstrahlung ist. In ihm verwandelt sich das durch und durch britische, in seiner Art schrullige Meistergehirn, das rasant und unaufhörlich kombiniert, in einen lockeren jungen Mann, dessen vordringliches Kennzeichen darin besteht, seine lange Lockenpracht zu schwenken. Nicht ganz das, was in das Sherlock Holmes-Bild passt. Sympathisch, aber trotz gelegentlicher Erzählerfunktion unauffälliger als nötig, steht ihm Martin Niedermair als Dr. Watson zur Seite.

Daneben haben zwei Damen und ein Herr die Hauptlast des schnellen Abends zu tragen, wobei Markus Kofler die meisten Möglichkeiten bekommt, ob als leicht affektierter Böhmenkönig, ob als Holmes‘ seltsamer Bruder Mycroft, ob als brummiger Inspektor Lestrade oder gar als dämonisch.-ironischer Moriarty.

Kimberly Rydell darf, wenn sie nicht kurzfristig als Holmes‘ alte Vermieterin Mrs. Hudson auftritt, die meiste Zeit als attraktive Irene Adler gute Figur machen. So liegt die Hauptlast des übrigen Personals auf Michaela Klamminger, die sich in ihren vielen grundverschiedenen Figuren auch mit Dialekten spielen darf. (etwa in der böhmischen Botschaft oder als Schweizer Knabe…)

Kurzfristig sind für diesen Abend die Kammerspiele wieder das geworden, wofür die Wiener sie einst geliebt haben: ein Boulevardtheater. Das Publikum wird es zu schätzen wissen.

Renate Wagner

 

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