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WIEN / Kammerspiele: OSTERN

Untersuchungsausschuss gescheitert

06.09.2025 | KRITIKEN, Theater

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WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
OSTERN von Daniel Kehlmann
Uraufführung
Premiere am 6. September 2025,
besucht wurde die Generalprobe

Untersuchungsausschuss gescheitert

Die Zeit der Pandemie war für niemanden angenehm, und zweifellos ließen sich in der extremen Welt der Corona-Maßnahmen trefflich Studien menschlichen Verhaltens betreiben. Wie Leute ihre Blockwart-Mentalität entdeckten, ihre Nachbarn bespitzelten und bei dem kleinsten Gesetzesübertritt anzeigten. Oder wie subalterne Zeitgenossen, die plötzlich ein Quentchen „Überwachungs“-Macht bekamen, ihre Mitmenschen mit Lust schikanierten. Wie ausgesprochen und evident sinnlose Maßnahmen teilweise unwidersprochen hingenommen wurden. Es war keine schöne Zeit, und viele – vor allem jene, die sich weigerten, dem Impfzwang zu gehorchen und dafür geradezu verfolgt wurden  –  tragen bis heute tiefen Groll in der Seele.

Nun schwebt ja schon längst das Begehren nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Raum, den es möglicherweise nie geben wird, weil zu viele Leute in Führungspositionen „Dreck am Stecken“ haben, wie man so schön sagt, und nicht das geringste Interesse daran hegen, das Thema aufzuarbeiten. Kann es das Theater?

Und – konnte es Daniel Kehlmann? Hat er es in dem Stück „Ostern“, das die Josefstadt in den Kammerspielen zur Uraufführung brachte, auch nur ansatzweise versucht, indem er sich seinen Ärger von der Seele schrieb? Wer Kehlmann vor nun auch schon 20 Jahren mit seinem Meisterwerk „Die Vermessung der Welt“ entdeckt hat, wird ihm als Leser treu geblieben sein, wenn er in der Prosa auch nie etwas annähernd gleich Überzeugendes geboten hat. Als Theaterautor erwies er sich als Produzent von Well Made Plays im englischen Stil, wie das Theater sie gut brauchen kann. „Ostern“ ist hingegen ein Bauchfleck erster Ordnung. Wo ist nur sein Talent geblieben?

Im ersten Teil des Abends gibt es eine Szenenfolge von kurzen – na, man könnte es Sketches nennen, ein bißchen Simpl von früher  (und tatsächlich simpel genug),  Momentaufnahmen über primitive Menschen, die vorhersehbar primitive Dinge tun. Keine Spur von Erkenntniswert, auch kaum von Unterhaltungswert. 

Dieser erste Teil arbeitet ein paar Teilaspekte der damaligen Situation auf, dort, wo die Maßnahmen besonders grotesk und, sagen wir es, einfach blöd waren. Aber da ist unendlich vieles, das gar nicht angetippt wird, etwa der dauernde, ungemein belastende Testzwang, das ewige Vorzeigen des Impfpasses (nur nicht daheim vergessen, oho!) die Maskenpflicht, vor allem aber der finanzielle Missbrauch gleicherweise beim staatlichen Besorgen von Impfmaterial etwa, wo sich mancher „gesund gestoßen“ hat, wie bei der Vergabe von Fördermitteln, die vielfach  ausgezahlt wurden, auch  wenn sie nicht berechtigt waren. Ja, es wurde eine Menge krimineller Energie frei in dieser Zeit.

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Fotos: Theater in der Josefstadt 

Es wird bei Kehlmann auch nicht wirklich hinterfragt, wie die staatliche Meinung gewaltsam durchgesetzt und jeder Widerspruch diffamiert wurde. Es kann keine Rede davon sein, dass der Autor  über seine paar Szenen hinaus, die man leider nicht einmal kabarettistisch nennen kann, über die ganze Problematik tiefer gehend nachgedacht hat. Aber natürlich muss in einer Szene Sebastian Kurz (in lächerlichem Klein-Buben-Ton) von seinem bayerischen Kollegen (der Interpret klingt tatsächlich wie Markus Söder) lächerlich gemacht werden. Billiger geht es nicht.

Aber schlechter, denn das wird es nach der Pause. Da begegnet man einem Schauspieler mit dem parodistischen Namen Jodok Americh, von dem man nicht heraus bekommt, wie gut und wichtig er eigentlich ist. Eingesperrt in zwölftägige Quarantäne in einem schäbigen Hotel, muss der arme Mann nun sinnlos, ziellos und schier endlos vor sich hin monologisieren. Meist geht es darum, dass sein I-Pad nicht ans Internet angeschlossen ist, wütende Telefongespräche mit dem Personal, das ihn abwimmelt, und wenn ihm ganz die Themen ausgehen, rezitiert er Goethes „Osterspaziergang“ vor sich hin und vermerkt, die „Wahlverwandtschaften“ müsse man eigentlich nicht lesen, weil die Paare darin nicht kopulieren…

Bis dann endlich ein Nachbar über den Balkon kommt, ein Obdachloser zotteligster Art (so stellt man sich den Abbé Faria auf Chateau d’If vor), dessen Problem darin besteht, dass er seine verstorbene  Frau sieht, die tatsächlich hereinspaziert. Als Jodok Americh sie auch sieht, stürzt der Obdachlose sich vom Balkon – und es erscheinen noch andere Tote, bis man begreift, dass unser Mann vermutlich auch schon „drüben“ ist… Welch billiger, billiger metaphysischer Dreh für einen Monolog, der alle Preise für Inhaltslosigkeit und Langeweile gewinnen dürfte.

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Was fängt man damit an? Man inszeniert es lustlos vom Blatt, wie Stephanie Mohr es in einem schnell zu verwandelnden, gesichtslosen Bühnenbild von Florian Parbs tut. Katharina Klar und Alexandra Krismer, Ulrich Reinthaller. Robert Joseph Bartl und Julian Valerio Rehrl haben zwar keine wirklichen Rollen, müssen sich aber dauernd umziehen, um das ganze Personal der Sketche zu bestücken. Im zweiten Teil kommt dann Raphael von Bargen an die Reihe, der mit seinem Text auch nicht zu beneiden ist und entsprechend wenig leisten kann.

Der Corona-Untersuchungsausschuss auf dem Theater ist krachend gescheitert. Daniel Kehlmann hat andernorts bewiesen, dass er  es besser kann.

Renate Wagner

 

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