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WIEN / Kammerspiele: MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE

29.10.2020 | KRITIKEN, Theater

Foto: Theater in der Josefstadt

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE
Nach dem Film „Un profil pour deux“ von Stéphane Robelin´
Bühnenfassung von Folke Braband
Premiere: 29. Oktober 2020

Es hat bisher so gut wie nie etwas gebracht, Filme auf die Bühne zu stellen. Aber diesmal scheint die Josefstadt mit „Monsieur Pierre geht online“ mehr Glück zu haben. Es ist zwar eine grob gestrickte Komödie, aber sie hat Rollen, die man besetzen konnte, sie hat ein wenig (sentimentale) Substanz, und sie erlaubt dem Publikum angesichts des Zeitgeists zu schmunzeln.

Denn wenn auch viele der älteren Herrschaften, die in den Kammerspielen üblicherweise das Publikum stellen, längst souverän mit ihren Smartphones agieren, so lachen sie doch verständnisinnig (und möglicherweise in der Erinnerung selbstironisch), wenn Monsieur Pierre die erste Bekanntschaft mit dem Computer macht und angesichts der Fremdsprache, die man mittlerweile als die Fachsprache des Internets gelernt hat, aus dem naiven Staunen nicht heraus kommt…

Stéphane Robelin, Drehbuchautor und Regisseur, hat seinen Film „Un profil pour deux“, der auf Deutsch unter dem Titel „Monsieur Pierre geht online“ gelaufen ist, 2017 für Pierre Richard geschrieben, Jahrgang 1934. Dieser Schauspieler mag zwar vor allem in komischen Filmen berühmt geworden sein, ist aber ein großer Charakterdarsteller – und hier bekam er im hohen Alter die Möglichkeit, Alt-Herren-Humor ebenso auszustrahlen wie die Sehnsüchte der Alten, die ja schließlich noch nicht tot sind…

Die Bühnenfassung von Folke Braband hat den Film auf die Hauptpersonen zusammen gekürzt. Dennoch kein einfaches Unternehmen, weil es mehr Schauplätze gibt, als man gern hat – bei Monsieur Pierre, der hier zum pensionierten Antiquar geworden ist und unter Bücherwänden haust, bei seiner Tochter, dazu die Bar, wo er seine Internet-Bekanntschaft trifft. Und die Umbauten dürfen nicht zu lange dauern, wirken aber (Bühnenbild Walter Vogelweider) mit ihren beweglichen Teilen manchmal ungeschickt. Immerhin verliert man nicht zu viel Zeit. Birgit Hutter weiß, wie man mit Kostümen etwas über den Charakter der dargestellten Figur aussagt.

Und Werner Sobotka ist ein inspirierter Komödien-Regisseur. Nun ist die Geschichte des achtzigjährigen Monsieur Pierre, der den abgelegten Laptop seiner Tochter samt Nachhilfestunden durch den Freund der Enkelin geschenkt bekommt, nicht gerade ein „Renner“, wenn man ihr Bühnentempo meint – kurz gesagt, sie schleppt sich die längste Zeit.

Der alte Herr jedenfalls ist nicht ganz so ungeschickt, schließlich arbeitet er sich im Internet schnell in die Dating-Seiten ein, Da ist noch seine lästige Tochter, die sich ziemlich selbstgerecht um ihn kümmert, und da ist Alex, der ihm „Nachhilfestunden“ am Computer geben soll, aber erst als er die Internetbeziehung zu Flora aufbaut (mit schönen Worten, wie einst Cyrano de Bergerac), wird die Geschichte ein bisschen griffiger.

Foto: Theater in der Josefstadt

Und weil Pierre sich gleich um 50 Jahre jünger gemacht hat und nun Alex zum Rendezvous schicken muss, ergeben sich die Verwechslungs-Turbulenzen endlich wie von selbst. Am Ende hat das Publikum angesichts eines Rundum-HappyEnds (jeder Topf findet seinen Deckel) geradezu gejubelt.

Die Josefstadt hatte (was nicht immer der Fall ist) die nötige Besetzung. Wolfgang Hübsch, der sich zuletzt längere Zeit auf Theaterbrettern rar gemacht hat, ist genau im richtigen Alter für den Monsieur Pierre, die Kraft der Persönlichkeit und die wahre Ruppigkeit kommen dazu. Freilich wird er zu eher holzschnittartiger, vordergründig ausgespielter Komik angehalten, aber ein Stück wie dieses ist ja nicht die hohe Schule der Komödienartistik, sondern der Alltag des Lachens, das ein Haus füllen soll. Das erledigt Hübsch verlässlich, wobei er in Claudius von Stolzmann einen ebenbürtigen Partner hat, mit dem das Solo zum Duett oder auch zum Duell wird, wo die Pointen souverän hin und her fliegen.

Den Vogel schießt freilich Martina Ebm ab, obwohl auch sie das zauberhafte Objekt der Begierde mit ihrer verhuschten schönen Seele weidlich übertreibt (wie tief sie blicken und mit den Wimpern klimpern kann!) – aber es geht ja nicht nur ums Lachen, sondern auch um ein bisschen Gefühl, nicht wahr, und man soll schon Verständnis dafür haben, dass ein Oldie bei ihrem gewissermaßen unzeitgemäßen Anblick entzückt in die Knie geht…

Da darf Susa Meyer als entschlossene Tochter des alten Herren grobkörnigere Komik liefern. Einzige Verliererin des Abends, weil als Figur notgedrungen unsympathisch, ist Larissa Fuchs, nun im Gefolge ihres Mannes Johannes Krisch an der Josefstadt gelandet und hier zum unerfreulichen Geschöpf verdammt. Es wird wohl noch bessere Rollen geben.

Regisseur Werner Sobotka gibt sich selbst einen kleinen Videoauftritt, eine von vielen komischen Szenen. Wenn das „Stück“ am Ende in klassischen Boulevard-Turbulenzen gelandet ist, hat man schon vergessen, dass es sich eine Stunde lang, bis zum Auftritt von Martina Ebm, allzu schlicht und vorhersehbar dahingezogen hat.

Renate Wagner

 

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