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WIEN / Kammerspiele: LENYA STORY

31.03.2017 | KRITIKEN, Theater

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Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
LENYA STORY von Torsten Fischer und Herbert Schäfer
Uraufführung
Premiere: 30. März 2017,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 31. März 2017

Wenn ein Theater über eine außerordentliche Schauspielerin verfügt, die noch über nicht alltägliche Qualitäten als Sängerin verfügt, dann ist es sozusagen heilige Pflicht, ihr auch Gelegenheit zu bieten, in dieser Sparte zu reüssieren. Die Josefstadt entzieht sich dem nicht, und wieder darf Sona MacDonald in den Kammerspielen einen Abend bestreiten, der absolut auf sie zugeschnitten ist und, um es zu erwähnen, weit geglückter ausfiel als der Billie Holliday-Abend letzte Saison: Denn zumindest ist uns die Geschichte der Wienerin Lotte Lenya (1898-1981) näher.

Ihr Leben war so eng mit ihrem Gatten Kurt Weill (1900-1950) verwoben, dass Gefahr bestünde, sie nur als sein „Anhängsel“ zu sehen (wie etwa auch Helene Weigel an Ehegatten Bert Brecht). Aber es sind doch eigene Schicksale, und wenn man diesen zweistündigen Abend unter der Rubrik „Theater“ führt, dann weil sich die Gestalter Torsten Fischer und Herbert Schäfer entschlossen haben, nicht einfach eine Nummernrevue von Weill-Schlagern zu bieten.

Vielmehr haben sie die Songs (es gibt immer noch genug davon und jedenfalls alles, was weltberühmt geworden ist) mit der Geschichte der Karoline Blamauer aus Wien-Penzing verbunden, die aus elendsten Verhältnissen floh, um in Berlin dann als Sängerin der ungewöhnlichen Art Karriere zu machen – keine Weltkarriere, aber immerhin war sie 1928 bei der Uraufführung der „Dreigroschenoper“ die Spelunken-Jenny, auch wenn ihr Name irrtümlich auf dem Theaterzettel fehlte…

Fischer (der auch Regie führte) und Schäfer (der für die Ausstattung – eine sehr schräge Ebene – sorgte) lassen das Schicksal von Lotte Lenya und Kurt Weill in kurzen prägnanten Szenen spielen und auch erzählen, so dass es wirklich die Story ihres Lebens in den markantesten Punkten abdeckt. Man könnte solcherart einen längeren Schulfunk-Beitrag gestalten, aber immerhin widerfährt ihr auf diese Art Gerechtigkeit. Den Welterfolg hatte einst und heute Kurt Weill, weil ein schaffender Künstler einfach nachhaltiger ist als ein nachschaffender. Vielleicht hat ihre Beteiligung an dem James-Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) an der Seite von Sean Connery die Lenya berühmter gemacht als alles andere. Jedenfalls war sie, bei heftig schwankendem Berufs- und Privatleben, eine bemerkenswerte Frau mit einer seltsamen Stimme, einer ganz eigentümlichen Art, die Texte vorzutragen, und einer ganz besonderen, von der Schrägheit der Berliner zwanziger Jahre geprägten Ausstrahlung.

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Und sie bietet Sona MacDonald alle darstellerischen Möglichkeiten von der unsicheren Anfängerin, die sich von Brecht hin- und herstupsen lassen muss, bis zur Frau, die allmählich altert und von Leid gezeichnet wird. Der Abend endet übrigens nicht mit Weills Tod, das wäre verfrüht, Lotte Lenya hat ihn schließlich um 31 Jahre überlebt. Auch ihre weitern Ehen, die Darstellung des Fräulein Schneider in der Uraufführung des Musicals „Cabaret“ und natürlich der Bond-Film werden zumindest noch angedeutet. Und Sona MacDonald geht einen langen, wunderbaren, darstellerisch intensiven Weg mit diesem Charakter, füllt ihn, wo die Kurzszenen nur andeuten.

Sie hat in Tonio Arango einen starken Partner, der meist Weill, aber gelegentlich auch Brecht oder ein späterer Gatte ist, immer der Konterpart, den sie braucht – und als Weill auch der egozentrische Künstler, der immer erst seine Musik und dann seine Frau liebt, was sicher nicht einfach war für Lotte Lenya.

Die Spielszenen sind bisweilen ausführlich, denn das Publikum wartet ja doch nur auf eines: dass Sona MacDonald als Lotte Lenya die Kurt Weill-Songs singt, alles Berühmte und noch viel mehr. Sie tut es (im Hintergrund begleitet von vier Musikerin unter der Leitung von Christian Frank am Klavier) mit dieser unglaublich potenten, flexiblen Stimme, die wie eine „Röhre“ losdröhnen oder kindlich piepsen kann, mit Energie los stürmen oder verinnerlicht ein Schicksal erzählen. Eine Interpretin mit einer großartigen Stimme, die – man kann es auf YouTube überprüfen – das Vorbild nicht kopiert. Sie ist eine Weill-Sängerin, eine Lotte Lenya nach eigenem Recht.

Renate Wagner

 

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