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WIEN / Kammerspiele: DIE NIERE

02.05.2019 | KRITIKEN, Theater


Foto: Theater in der Josefstadt

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
DIE NIERE von Stefan Vögel
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 2. Mai 2019,
besucht wurde die Generalprobe

Hoppla, Nierentransplantation, wer spendet wem – und spendet er überhaupt? Das klingt ja ganz ernsthaft. Da kann man an der Reaktion der Angefragten ganz gut Empathie und Distanz messen, kurz gesagt, da geht es ans menschlich Eingemachte. Und das bei Stefan Vögel, unserem Vorarlberger, der die Boulevard-Welt mit Komödien versorgt?

Mit „Arthur und Claire“ ist er dank der Verfilmung mit Josef Hader so richtig berühmt geworden – damals ging es ja auch erst ums Sterben. Am Ende allerdings war alles komödienhaft happy. Man kann sicher sein, dass es auch in den Josefstädter Kammerspielen genug zu lachen gibt, wenn „Die Niere“ von Vögel hier als österreichische Erstaufführung in Szene geht…

Ja, wie ernst ist es gemeint? Am Anfang denkt man mit. Ein seit einem Jahrzehnt offenbar glücklich verheiratetes Paar, Kathrin und Arnold, in den besten Verhältnissen, wie die moderne Wohnung (Ausstattung: Stephan Dietrich) ahnen lässt, Madame trägt auch Designer-Kleidung, der Architekt-Hausherr ist hoch zufrieden mit dem Modell eines 36stöckigen Glasturms, den er in Paris bauen wird. Alles paletti, man erwartet Gäste, Götz und Diana, sie ist Apothekerin, alle sind Freunde.

Da lässt Kathrin die Bombe platzen: Sie ist schwerkrank, braucht eine Spenderniere, und sie fragt zwar nicht direkt, aber Gatten Arnold ist schon klar, was sie von ihm erwartet, hat er doch dieselbe Blutgruppe…

Und ja, da arbeitet sich der Autor durch die Problematik, durch das Gefühl der Verpflichtung und das natürliche Zögern (Risiko, gesundheitliche Folgen, lange Arbeitsunfähigkeit)… fast jeder im Publikum würde das Ganze auch durchdenken. Ist ja keine Kleinigkeit, sich eine Niere herausschneiden zu lassen. (Auch dann nicht, wenn die Gattin das als Liebesbeweis zu betrachten scheint, der Druck also unverschämt hoch ist…)

Mit dem Auftauchen des anderen Paares verändert sich die Situation. Nun geht es zunehmend um Privates, darum, wer edel ist und wer fies, Ehebruch und üble Verhandlungstaktik (eine Niere gegen das Stillschweigen über einen Seitensprung?) – ja, und keine Frage, am Ende ist alles ganz anders. Immerhin gibt es zum Finale einen unerwarteten Knalleffekt, wo das Modell des Hochhauses (die Penis-Scherze waren zahlreich) eine Rolle spielt, und das bedeutet wohl: So möge es allen Ehemännern gehen, denen die Arbeit wichtiger ist als ihre Frauen… Ganz schön hart.

Aber das Stück ist nicht nur grottenkurz (eineinviertel Stunden), sondern auch geschmeidig und gefällig, solcherart von Folke Braband inszeniert und einem Quartett gespielt, das ausgezeichnet ist, aber eigentlich nicht den „Star“-Charakter hat, die Kammerspiele zu füllen. Immerhin, Martina Stilp verhandelt souverän über Gesundheit und Gefühle, und Pilar Aguilera, die man lange Jahre aus den „Kellern“ kennt, darf zeigen, wie gewandt sie josefstädtisch zu spielen versteht. Martin Niedermair ist der Verlierer der Geschichte und holt dafür das Maximum für sich heraus, während der Edelmensch (Oliver Huether) vergleichsweise am Rande bleibt. Wie ungerecht.

Und wie banal letztlich alles. Ein echtes Problem als Aufhänger für etwas, das in eine Eheschlacht mündet. Viel Glück beim Publikum, das sich vielleicht nicht unbedingt für die Nierentransplantationen anderer interessiert – selbst, wenn sie gar nicht stattfinden…

Renate Wagner

 

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