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WIEN / Kammerspiele: DIE KLEINBÜRGERHOCHZEIT

26.01.2023 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Theater in der Josefstadt

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
DIE KLEINBÜRGERHOCHZEIT von Bertolt Brecht
Premiere: 26. Jänner 2023 
Besucht wurde die Voraufführung

Auch Bert Brecht war einmal jung und ein Anfänger, musste „Learning by doing“ herumprobieren, wie das Stückeschreiben geht. Gerade hatte er  „Baal“ verfasst, rotziger Künstler-Protest gegen eine Bürgerwelt, der ihm später viel Erfolg und Beachtung bringen sollte. Der Einakter „Die Kleinbürgerhochzeit“ (ursprünglich nur „Die Hochzeit“ genannt) entstand etwa zur gleichen Zeit, 1919, als der 21jährige Brecht alles Mögliche probierte (auch damals aktuell Politisches mit „Trommeln in der Nacht“). In dieser Anfangszeit war die einaktige Kleinbürger-Satire um die geradezu klassisch missglückte Hochzeit noch sein harmlosester Versuch.

Zu den Figuren, deren Anzahl Brecht schmal hielt, ist dem Autor nur das Übliche eingefallen, sie bekommen keinen Hintergrund und keine Geschichte, sie sind bloß dazu da, um ausgelacht zu werden. Allerdings hatte er die Idee, die Fragwürdigkeit der Welt, die er zeigt, optisch umzusetzen. So, wie Kunst nach dem Ersten Weltkrieg vielfach begann, die Wirklichkeit zu zerlegen, so lässt Brecht im Lauf der bescheidenen Handlung die Möbelstücke (vom Bräutigam selbst gebaut, worauf das Brautpaar anfangs mächtig stolz ist) nach und nach zusammen krachen . Das ist es auch schon.

Regisseur Philip Tiedemann hat wohl gespürt, dass viel geschehen muss, um dieses dürftige Produkt auf der Bühne „g’schmackig“ zu machen – die Frage ist allerdings, ob es „politisch“ relevanter geworden wäre, hätte man es mit dumpfen Realismus versucht, bevor die Absurdität einbricht…. Es gibt ein zweistöckiges Bühnenbild (Alexander Martynow sorgte auch für die Kostüme, möglicherweise auch für die übersteigerte Frisur der Freundin der Braut), denn man braucht den Unterbau, dass man vom Wohnzimmer der Brautleute, wo an einem langen Tisch das Essen stattfindet, wirkungsvoll durchbrechen kann.

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Von Anfang an scheint etwas nicht zu stimmen, als der Eiserne Vorhang plötzlich stockt und sich in diesem Fall nicht senken will (die bekannte Eigenheit der Kammerspiele, wo er nicht hoch geht, sondern in der Tiefe verschwindet). Da klettert die Braut doch eine Leiter hoch, um hilfreich zu sein, und die Darstellerin erweist ihre komisch-turnerischen  Fähigkeiten, die im Lauf des Abends noch des öfteren von ihr gefragt werden. Denn es wird von Anfang an auf Slapstick gesetzt, kein realistisches Bild von armen, schäbigen Bürger-Würmchen, sondern eine zappelnde Schar aus dem Fundus der lustigen Theaterklischees.

Immerhin wird das sehr gut gespielt – Katharina Klar ist eine Braut am Rande des Nervenzusammenbruchs, Alexander Absenger macht als Bräutigam klar, wie sehr ihn das Ganze stresst und wie verkrampft er bemüht ist, alles gut und schön zu finden. Therese Lohner als seine Mutter serviert unter Hochspannung das Essen, das teils gar nicht (bei der Suppe werden die Löffel in leeren Tellern geklappert), teils nur andeutungsweise da ist, immerhin genug, dass Susanna Wiegand als maliziöse Schwester der Braut in Schlagobers versinken kann.

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André Pohl als hektisch fröhlicher, zernepfter Vater der Braut erzählt Anekdoten aus seinem Leben, die alle anöden, nur ihn nicht. Markus Kofler als der Freund des Bräutigams findet schmierig-anbiedernd alles wunderbar und macht sich bei Gelegenheit (ein bisschen übertrieben, wie er sich als Sänger präsentiert) an die Braut heran. Michaela Klamminger als die aufgedonnerte Freundin der Braut und Roman Schmelzer als ihr Mann tragen nebenbei ihren Ehekrieg aus. Und Jakob Elsenwenger als undefinierbarer junger Mann hat einen Arm ausgestreckt eingegipst, so kann er quasi mühelos mit der Demontage der Dekoration beginnen.

Denn gäbe es diese nicht, man täte sich schwer, angesichts der Ideenlosigkeit des jungen Brecht bei der Stange zu bleiben. Aber so löst sich nach und nach ein Holzstück, bricht ein Stück Boden durch, gibt ein Sessel und ein Sofa nach, beim Tanzen (!) muss der Riesentisch verschoben werden und man fürchtet, die Herrschaften könnten von der Bühne fallen, aber die Sache löst sich im doppelten Wortsinn auch so auf.

Dass das Brautpaar am Ende heilfroh ist, allein  zu sein, kann man nachfühlen – und es versinkt in der Tiefe. Von dort ertönt dann schon Babygeschrei, schließlich ist die Braut (was die Darstellerin allerdings glücklicherweise nicht mit einem Babybauch belastet hat) schwanger.

Am Ende waren es 80 Minuten, in denen sich das Bühnenbild als Held erwies. Die Darsteller bekamen viel Beifall für ihre Mühe, es in Stücke zu zerlegen.

Renate Wagner

 

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