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WIEN / Kammerspiele: DER VORNAME

03.10.2019 | KRITIKEN, Theater


Foto: Josefstadt

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
DER VORNAME von Alexandre De La Patellière und Matthieu Delaporte
Premiere: 4. Oktober 2019

Es ist amüsant, wie man an einer relativ schlichten Komödie nationale Unterschiede festmachen kann. Das französische Autorenduo Alexandre De La Patellière und Matthieu Delaporte hat schon einige erfolgreiche Komödien geschrieben, in denen das bürgerliche Wohlbefinden unterwandert wird. Ihr Stück „Der Vorname“ habe sie 2012 auch verfilmt.

Der ominöse Vorname, der hier ins Spiel gebracht wird, lautet „Adolf“, und da spitzten die Deutschen sofort die Ohren. Während es im Original – Film und Stück – nur darum geht, dass ein lebenslang mutwilliger, nicht mehr ganz junger Mann seine Verwandtschaft mit der Mitteilung schocken will, seinen ungeborenen Sohn so nennen, das Thema aber bald (und versöhnlich) abgehandelt ist („war ja nicht so gemeint“), hat sich die deutsche Neuverfilmung von Sönke Wortmann aus dem Jahre 2018 zwar lachend, aber eigentlich bitterernst auf das Thema gesetzt: „Adolf“, der verfemte Name, wie kann man nur? Die politische Argumentation uferte humorlos aus, bis zur Befragung von „Mein Kampf“ (das Buch kommt im französischen Original gar nicht vor), bis zur hochnotpeinlichen Diskussion, die den politisch korrekten Linken so aufregt, dass er überall nur Wiederbetätigung sieht und ins unerbitterlich-deutsche Dozieren gerät… Der Name „Adolf“ sei verbannt, verboten, verfemt für alle Zeit!

Nun, die Josefstadt spielt in den Kammerspielen „Der Vorname“ nun in der wesentlich harmloseren französischen Originalfassung, die keinesfalls grundsätzlich weltanschaulich und intellektuell fordernd sein will. Das Reizwort „Adolf“ dient hier vor allem dazu, die Familienmitglieder bei einem Abendessen dermaßen aufzubringen, dass sie schließlich über einander herfallen.

Da muss sich Hausherr Pierre (Marcus Bluhm mit der letztlich am wenigsten ergiebigen Rolle) sagen lassen, dass er ein Geizhals ist, ohne dass das ausgeführt wird. Sein Schwager Vincent (Michael Dangl schupft den Abend auch als Erzähler mit hinreißender Suada) wird beschuldigt, sich immer in den Vordergrund zu drängen, was man gerne glaubt, weil man es einen (kurzen, eineinhalbstündigen) Theaterabend auch vorgeführt bekommt. Und Hausfreund Claude (sympathisch: Oliver Rosskopf) erfährt zu seinem baffen Erstaunen, dass alle ihn für schwul halten, aber dennoch lieb haben. Da hat er dann noch eine Überraschung für sie alle bereit, die wirklich wie eine Bombe einschlägt.

Dazu kommt noch Vincents schwangere, kluge, selbstbewusste Freundin, als welche Michaela Klamminger eine höchst überzeugende Visitenkarte abgibt und sich als „Josefstädterin“ und für große Rollen empfiehlt. Ja, und Elisabeth, die Hausfrau, die den ganzen Abend ein marokkanisches Buffet aufträgt, zwischendurch zur Tür und ans Telefon geht und die weinenden Kinder (die man Gott sei Dank nicht sieht) tröstet? Ja, der platzt angesichts der Nichtbeachtung ihrer Person und ihrer Leistung letztendlich höchst vergnüglich der Kragen: Hat sie nicht alles aufgegeben und auch noch die Dissertation des Gatten geschrieben? Hält nicht sie allein den ganz Laden am Laufen? Und käme irgendjemand je auf die Idee, das zu bemerken – geschweige denn, Danke zu sagen? Susa Meyer kann so was. Nicht, dass man sie bis dahin übersehen hätte (wenn man auch vordringlich hungrig auf die Platten mit kulinarischen Köstlichkeiten gelugt hat, die sie aufträgt) – aber ihre Explosion wird zum Höhepunkt des kurzen und kurzweiligen Abends, den Regisseur Folke Braband in einem gemütlichen Wohnzimmer-Bühnenbild (Tom Presting) schön am Laufen hält.

Ein Teil des Publikums verlässt die Vorstellung wohl mit dem zufriedenen Gefühl dass auch andere Familien auf einander los gehen… Die Sache mit dem „Adolf“ hat man da schon längst vergessen.

Renate Wagner

 

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