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WIEN / Kammerspiele: VATER

11.02.2016 | KRITIKEN, Theater

Vater ganze Szene
Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
VATER von Florian Zeller
Premiere: 11. Februar 2016

Die Josefstädter Kammerspiele waren einst der Lach-Tempel von Wien. Nun füttert Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger das Publikum hier schon seit längerer Zeit mit „gemischter Kost“. Dennoch – wer in die Kammerspiele und zumal „zu Erwin Steinhauer“ geht (weil es immer noch die Schauspieler sind, die dorthin locken), der erwartet beste Unterhaltung. Und bekommt „Vater“ des Franzosen Florian Zeller zu sehen. Ein Demenz-Drama, eine Alzheimer-Geschichte, die in pausenlosen eineinhalb Stunden so schwer und lange wirkt, als wäre es ein tagelanges Passionsdrama, das es durch zu leiden gilt.

Die Dramaturgie des Hauses kann sich ausreden – Zeller ist in Frankreich populär und viel gespielt, hat den „Prix Molière“ für dieses Stück erhalten, aber was besagt das schon? Auch in Hollywood bekommt jeder, der einen Kranken spielt, den „Oscar“ (zuletzt Julianne Moore für ihre Alzheimer-Kranke in „Still Alice“). Es sind einfach Themen, die zu behandeln als so mutig gilt, dass man sie einfach loben muss, egal, wie die Qualität des Gebotenen ist.

Vater_ErwinSteinhauer

Und dann darf der Hauptdarsteller in jedem Interview erzählen (hoffentlich glaubt er es auch), dass man in diesem Stück auch lachen dürfte. Glatter Unsinn – da gibt es wirklich nichts zu lachen (und wenn man es tut, müsste man sich selbst schämen), und Steinhauer tut auch nur wenig, das sei zu seiner Ehre gesagt, um hier ein paar Pointen zu klauben.

Nein, die Geschichte vom fortschreitenden Alzheimer des „Vaters“ ist nichts anderes als trostlos und einförmig, tritt weitgehend auf der Stelle bis zum Schlussbild, wo sich der alte André in einem Glasschaukasten einschließt – ein eindrucksvolles Bild seiner Tragödie, die in Verlorenheit und Isolation besteht, aber dem Publikum im Grunde nichts bringt. Die bekannte Spekulation auf Rührung geht jedenfalls nicht auf.

In einer Art „durchsichtigem“ Bühnenbild (Raimund Orfeo Voigt) irrt André von Anfang bis zum Ende herum. Was seine Tochter ihm erzählt, weicht von dem ab, was er später von ihr hört. Da sieht sie sich auch nicht mehr gleich, sondern wirkt wie eine Fremde. Wer der Mann ist, den er in der Wohnung findet, weiß er auch nicht. Und wo ist die Pflegerin geblieben? Das ist banaler, trauriger Alltag, kein Reserve-Lear für den kleinen Anspruch…

Eine Trostlosigkeit reiht sich an die andere. Things to look forward to – wie die Amerikaner sagen. Eine kleine Probe aufs Exempel, was viele von uns erwarten mag? Na, denn besagt die Moral des Abends ja bestenfalls: Bitte, bringen wir uns doch gleich um.

Ist der André eine Rolle, um die sich ein Mann vom Kaliber des Erwin Steinhauer reißen sollte? Anfangs noch mürrisch und selbstbewusst, dann immer verzagter und verwirrter – alles, was er tut, liegt auf der Hand, spielt er sozusagen aus dem Handgelenk. Ist man ergriffen? Eher noch von der Verzweiflung, die Gerti Drassl als seine Tochter zeigt. Mit Routine spielen Therese Lohner und Eva Mayer (mit miserabler Perücke am Kopf) die anderen Frauen, Martin Niedermair und Oliver Huether die anderen Männer. Wenn der von Alexandra Liedtke über die Bühne geschickte Abend zu Ende ist, kann man sich nur fragen: Und was war das?

Renate Wagner

 

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