Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN / Kammerspiele: DER KÖNIG STIRBT

27.09.2021 | KRITIKEN, Theater

csm teaser derkoenigstirbt f8ff00e7ab~1
Fotos: Theater in der Josefstadt

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt: 
DER KÖNIG STIRBT von Eugène Ionesco
Premiere am 25. September 2021,
besucht wurde die Nachmittagsvorstellung am 26. September 2021  

Ein angeblich von der Probe müder, aber blitzwach wirkender Claus Peymann hat im ORF-Interview zwar mehrfach darauf hingewiesen, dass er 84 ist, aber das hat seiner Vollmundigkeit keinen Abbruch getan. Ionescos „Der König stirbt“ sei noch nie ein Erfolg gewesen, berichtet er, „aber das wird sich ändern“. Weil er nämlich die Parabel an den Josefstädter Kammerspielen inszeniert, mit einer starken Besetzung – und überhaupt. Schließlich knieten die Leute in Wien vor ihm nieder, wenn sie ihn sehen, meint Peymann. Na ja, vielleicht ist die Sehkraft im Alter nicht mehr so ganz verlässlich…

Und dass sich das mit dem großen Erfolg durch seine Produktion ändern wird, ist auch nicht der Fall, dazu ist, sagen wir es ehrlich, dem großen Eugene Ionesco zu diesem Stück einfach zu wenig eingefallen. Die längste Zeit diskutieren die bissige alte Königin und die verheulte junge Königin über den bevorstehenden Tod des Königs, ohne dass der Text wirklich griffig würde, und die Nebenfiguren –  die Haushälterin, der Arzt und der Wächter –  haben eigentlich kaum eine Funktion. Dann kommt der König, der der Mitteilung, er würde sehr bald sterben, verständnislos gegenüber steht wie alle reichen und mächtigen Leute, die nicht verstehen, dass es Dinge gibt, die für sie genau so gelten wie für jedermann. Dass man Kraft und Befehlsgewalt verliert und am Ende niemand mehr ist – das wird jedenfalls klar.

Apropos Jedermann – mit dessen Kampf um das Leben ist dieser königliche Tod, der in den Kammerspielen nach etwa eindreiviertel Stunden erfolgt, wirklich nicht zu vergleichen. Das Stück bleibt labrig – und Peymann hat auch nichts getan, um es in Dialog und Aktion wenigstens zu schärfen.

Er verlässt sich auf die Optik, für die er seinen alten Mitstreiter Achim Freyer heran gezogen hat, der ihm eine bunte, wenn auch zerbröckelnde Welt schafft, die sich durch Lichteffekte ganz zu verwandeln scheint. Die Szene passt zu der  immer wieder in den Text tropfenden Absurdität des Geschehens so gut wie die Kostüme von Margit Koppendorfer und die Musik von Franz Wittenbrink.

Der Einzug der Figuren erfolgt wie zu einem Grand Guignol-Kasperl-Spiel, erst mit Masken, die dann abgelegt werden, nicht aber eine gewisse Stilisierung. Die Darsteller agieren, auch mit den schlenkernden Armen und künstlichem Gang, immer ein wenig wie Marionetten, und zweifellos ist dieser Verzicht auf jeglichen Realismus für ein Stück richtig, das Ionesco als Parabel gehalten hat. Nicht nur auf das Sterben, sondern auch auf das schlechte Herrschen dieses Königs…

Aber, wie gesagt, Regisseur Peymann ist milde, es könnte durch die Darstellung mehr Gift und auch Entsetzen versprüht werden, aber es bleibt freundliches Schauspielertheater.

der koenig stirbt kÖnig tanzt est~1

Lore Stefanek, die Peymann schon für den „Deutschen Mittagstisch“ an der Josefstadt mitgebracht hat, ist die „böse“ Königin in Schwarz, mit genug Zynismus, um unsympathisch zu sein, stark gegen Ende, wenn sie den König quasi als „Tödin“ hinüber begleitet. Maria Köstlinger ist die junge Königin in Weiß, ein freundliches Püppchen, das sich voll auf die Seite des Gatten stellt, als er den Tod abweisen will. Die Figur könnte ein bisschen Berechnung vertragen (schließlich ist sie ohne ihn niemand), aber die Köstlinger ist nur lieb. Nachwuchs-Hoffnung Johanna Mahaffy nützt die wenigen Momente, wo sie aus dem Schatten ihrer Nebenrolle treten darf, Johannes Krisch könnte in der Vielfachfunktion  Arzt / Henker / Sterndeuter durchaus bedrohlicher sein, und Marcus Bluhm steht als Wächter herum, außer in der einen Szene, wo er in Treue zu dem sterbenden König diesem alle Errungenschaften der Menschheit zuspricht … was gewiß nicht stimmt.

Für Bernhard Schir ist der König eine große Rolle. Erst mit Perücke und Krone durchgehend wie ein dümmliches Kind wirkend, will er lange nicht wahrhaben, dass es ihm an den Kragen geht. Dann, mit zerzaustem Weiß-Haar plötzlich alt,  wehrt er sich noch ein wenig zappelnd, bevor er schön stirbt. Das ist versöhnlich. Dass man sich schaudernd betroffen gefühlt hätte, kann man allerdings nicht sagen…

Eine Prozession der Trauernden beschließt den Abend. Bei der Premiere soll es stürmischen Beifall für Peymann gegeben haben. Bei der zweiten Vorstellung dankte das Publikum den Schauspielern, die alles getan haben, um ein zähes Stück über das Sterben einigermaßen lebendig zu machen.

Renate Wagner

 

P.S.  Claus Peymann sorgt immer dafür, dass seine Dramaturgin / Gefährtin Jutta Ferbers für seine Produktionen wunderschöne, ausführliche, informationsreiche Programmhefte erstellt. Hier werden auch Werke von James Ensor und Max Beckmann gezeigt, die als Inspiration für den optischen Teil des Abends gelten können.

—————————————————————

Kammerspiele der Josefstadt
Premiere 25.09.2021

Eugène Ionesco
Der König stirbt

Regie Claus Peymann
Bühnen- und Lichtkonzept Achim Freyer
Bühnenbildmitarbeit Moritz Nitsche
Kostüme Margit Koppendorfer
Musik Franz Wittenbrink
Dramaturgie Jutta Ferbers
Licht Ulrich Eh

Der König Bernhard Schir
Margarete, die erste Königin Lore Stefanek
Maria, die zweite Königin Maria Köstlinger
Der Arzt Johannes Krisch
Julchen, Haushälterin beim König Johanna Mahaffy
Ein Wächter Marcus Bluhm

 

Diese Seite drucken