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WIEN / Kammerspiele: BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL

Der sechsfache Felix

15.05.2025 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Theater in der Josefstdat

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt
BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL
Nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann
Für die Bühne bearbeitet von Georg Schmiedleitner und Sophie Püschel
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 15. Mai 2025m
besucht wurde die Generalprobe 

 Der sechsfache Felix

Mit der Familiensaga der Buddenbrooks war er 1901 in das Bewusstsein der Leser (und in die Weltliteratur) eingetreten, mehr als ein halbes Jahrhundert später (1954) verabschiedete er sich mit einem Schelmenroman mit kriminellem Hautgout – Thomas Mann war ein vielseitiger Künstler. Neben „Königliche Hoheit“ und „Lotte in Weimar“ zählen die „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ zu dem „heiteren“ Mann, den man nach seinen Wälzern (etwa „Zauberberg“) gar nicht vermuten würde. Diese Bücher sind vor allem stilistische Vergnügen – wie die Sprache leichtfüßig  die Handlung formt und vorantreibt, ist fast wichtiger als das, was geschieht.

Nun ist Thomas Mann oft genug auf Theaterbrettern gelandet, warum sollte der „Felix Krull“ verschont bleiben, obwohl man sich eine Dramatisierung dieser spritzigen Geschichte nicht wirklich vorstellen konnte. Nun, Georg Schmiedleitner und Sophie Püschel haben einen originellen Zugang gefunden und insofern gute Arbeit geleistet, als es ja im „Krull“ auch um wechselnde Identitäten geht, die der junge Mann sich überstülpt,

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Wenn also sechs Schauspieler (zwei Damen, vier Herren) alle erst einmal im dunklen Anzug und zwanziger Jahre-Look auftreten und von denen  jeder erklärt, er sei „Felix Krull“, ist das witzig, zumal sie, quasi mit verteilten Rollen, den Originaltext des Romans rezitieren. Und der ist ja bekanntlich meisterlich, auch beim Zuhören, Dass die Geschichte nur rudimentär auf die Bühne kommen kann, ist klar, aber die Handlung wird in den wichtigsten Stationen flink und flott nachgezeichnet.

Diese sechs Darsteller, unter denen sich einer dann als der zentrale Felix Krull herauskristallisiert, wechseln dauernd die Rollen (und Kostüme) und werden, was ein großer Vorteil für Tempo und auch Witz des Abends ist, von Regisseur Folke Braband in einem Minimal-Bühnenbild (Stephan Dietrich) quasi choreographisch geführt. Das „tünzerische“ Element enthebt den Fortgang der Handlung jeglicher Plumpheit, und wenn es auch gelegentlich ein wenig atemlos wird – besser als das Gegenteil.

Dennoch rechtfertigt sich auch diese Dramatisierung von Prosa nicht gänzlich, nicht alles lässt sich gleich überzeugend spielen. Der Anfang, ja. Der junge Mann aus dem Rheinland, der schon als Kind seiner Verkleidungs- und Spielfreude nachgegeben hat, entwickelt in seiner Karrierestufe als Liftboy in einem Pariser Nobelhotel auch kriminelle Energie. Der hübsche Junge fällt allseits auf, wenn auch weniger als er selbst, denn als Objekt der Begierde – und Szenen wie jene, wenn Madame Houpflé ihn in ihrem Hotelzimmer verführt, gehen im Kino leichter als auf der Bühne, wo es dann zwischen allzu albern und peinlich schwankt.

Läuft der erste Teil zwischen dem halbseidenen Elternhaus, Onkel Schimmelpreester, Musterung und Hotel eher ruhig, kommt die Dramatisierung im zweiten Teil gar nicht nach, um dann alle Stationen des Romans wenigstens anzudeuten – das aufdringliche Millionärstöchterchen, der schwule Lord, das Doppelleben zwischen Hotelangestellter und feiner Herr, das Felix sich gibt, schließlich das Tauschen der Identität mit dem Marquis de Venosta, der Beginn der Weltreise, die Begegnung mit Professor Kuckuck und Familie… da muss der Abend schon im Schweinsgalopp zu einem Ende kommen, das schon bei Thomas Mann keines war, die Geschichte vielmehr mitten drin abrupt abriß.. Der Autor  plante die Weiterführung der Handlung, aber sein Tod hat das verhindert. Allerdings hätte er Krull in der Folge eine rein kriminelle Karriere zugedacht – vielleicht gut, dass das dem Spitzbuben versagt blieb.

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Die sechs Darsteller leisten angesichts der schwierigen und auf eiserne Präzision ausgerichteten Logistik des Abends Bemerkenswertes. Schließlich kristallisiert sich aus der Menge natürlich Claudius von Stolzmann heraus, der den richtigen jungenhaften Charme für diese Rolle mitbringt. Die beiden Damen Susa Meyer und Silvia Meisterle sind vor allem für Mütter und Töchter zuständig, wenn auch die Vervielfachung der Figuren gelegentlich übertrieben wird (so wird Felix von zwei Mesdames Houpflé arg sexuell belästigt). Roman Schmelzer, Martin Niedermair und Markus Kofler stellen ein köstliches Panoptikum von Bürgern aller Art auf die Bühne.

Wie immer bei solchen Dramatisierungen soll man sich nicht einbilden, ein Werk zu kennen, weil man mit ein paar Handlungselementen vertraut gemacht wurde. Was in den Josefstädter Kammerspielen immerhin recht vergnüglich geschieht. Dennoch – lesen!

Renate Wagner

 

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