Alle Fotos: Barbara Zeininger
WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
ALL ABOUT EVE von Christopher Hampton
Deutsche Übersetzung von Daniel Kehlmann
Basierend auf dem Film von Joseph L. Mankiewicz (1950)
Premiere: 1. März 2018 ,
besucht wurde die Generalprobe
Wann immer man sich „All about Eve“ aus dem Jahr 1950 wieder ansieht, ist man hingerissen von der Qualität dieses Films von Joseph L. Mankiewicz, der das Drehbuch geschrieben und auch inszeniert hat: die stringente Entwicklung der Handlung, die klar umrissenen Charaktere, die punktgenauen, elastischen Dialoge. Ein Film über Theaterleute – nun ist er auf Theaterbrettern gelandet. Kein Geringerer als Christopher Hampton hat das Drehbuch umgesetzt, kein Geringerer als Daniel Kehlmann hat übersetzt. Das ist A-Klasse.
Wobei der Bearbeiter gar nicht so viel tun musste, eigentlich vor allem zu reduzieren hatte. Die Geschichte des Theaterstars Margo Channing, die von einer raffinierten kleinen Eve Harrington ausgebootet werden soll, erfüllt sich in einer Handvoll Personen. Margo selbst, nicht mehr die Jüngste, sehr erfahren, recht zynisch dem Beruf und den Menschen gegenüber, und dennoch imstande, auf die schrankenlose Begeisterung eines „Fans“ hereinzufallen, den andere früher durchschauen als sie. Da ist diese Eve, die sich schrittweise entpuppt. Dazu der Regisseur Bill Sampson, Margos getreuer und glücklicherweise anständiger Liebhaber (auch das gibt es), der nicht auf jedes ihm angebotene Stück Frauenfleisch hereinfällt. Der Autor Lloyd Richards, der Margo die Rollen auf den Leib schreibt und an ihr verdient, und seine Frau Karen, die Margos beste Freundin ist – diese Rolle hat in der Theaterfassung am meisten durch die Reduktion gelitten, sowohl im Umfang wie im Umriß. Was Celeste Holm da im Film leisten konnte, ist im Stück nicht annähernd drinnen.
Sandra Cervik. Raphael von Bargen
Da sind dann noch die Nebenfiguren, die kluge, scharfzüngige Garderobiere Birdie, der Theaterproduzent Max Fabian, der hier nicht als Herr Weinstein auf die Bühne kommt, obwohl er die jungen Damen sicher im Dutzend vernascht (Nachwuchssternchen Claudia Caswell war im Film die ganze junge, herrlich Unschuld und Dummheit ausstrahlende Marilyn Monroe, zum Verlieben), ein kleiner pointierter Jungmädchen-Auftritt einer Phoebe am Ende (um den Rahmen der Geschichte zu schließen) – und last not least sehr wichtig: der Theaterkritiker Addison Dewitt, der schon im Film als „Kommentator“ ins Geschehen einsteigt (George Sanders – unnachahmlich elegant), aber hier auf der Bühne die Erzählerrolle noch erweitert bekommt.
Da die Geschichte, wie Eve sich in Margos Leben schleicht, um es als Muster und Sprungbrett der eigenen Karriere zu nehmen, meisterlich entwickelt ist, muss Regisseur Herbert Föttinger nichts weiter tun, als seine Besetzung laufen zu lassen – und der Direktor Föttinger hat dem Regisseur das beste „Material“ gegeben, das das Haus zu bieten hat. Es lohnt sich einfach, hoch zu besetzen. Vielleicht hätte das Bühnenbild von Walter Vogelweider nicht ganz so minimalistisch ausfallen müssen – von Atmosphäre (Theatergarderoben, Wohnungen, Luxusrestaurants, vibrierendes New York) nichts zu spüren, die Kostüme von Birgit Hutter, die brav in den fünfziger Jahren bleibt, können nicht die ganze Arbeit übernehmen. Macht nichts, die Schauspieler genießen es, wieder einmal „Theater“ zu machen, psychologisch ausgefeilt, effektvoll auf Pointen gespielt, dem Zuschauer eine Geschichte erzählend.
So wie Bette Davis im Film – auch wenn „die Andere“ die Titelrolle innehat – nicht einen Fußbreit Boden an Anne Baxter als Eve abgibt, so beherrscht Sandra Cervik als Margo Channing die Bühne, mit rauen Tönen, die ihre Theatralik prachtvoll ironisieren, mit Souveränität und ganz ohne Sentimentalität, auch dort, wo sie die Zuschauer merken lässt, dass ihr die Ereignisse doch verdammt unter die Haut gehen. Es ist einfach „die“ Rolle des Stücks (Films).
Martina Ebm. Joseph Lorenz
Da kann Martina Ebm als Eve noch so gut sein, und sie ist es in der Entwicklung von der scheinbaren Unschuld vom Lande zum Theaterstar: Das Leuchten der Begeisterung geht über in das Funkeln der Berechnung und am Ende in das Schimmern der Verlogenheit, das die „Stars“ in der Öffentlichkeit immer umgibt. Aber Margo ist Margo – und Eve eben nur Eve… Die am Ende des Stücks, der einsame Star, einer neuen Eve in Gestalt einer kleinen Phoebe (Swintha Gersthofer) gegenüber steht, die das Spiel wiederholen will… und wohl auch wird.
Susa Meyer, Martina Stilp
Martina Stilp ist in der Rolle der Karen (wüsste man vom Film her nicht, was da alles drin ist) die Verliererin, nur Nebenfigur, nicht Akteurin, während sich Susa Meyer als trocken pointierte Garderobiere, die weiß, wie man Margo nehmen muss, trotz geringen Rollenumfangs immer wieder in Szene setzen kann. Gioia Osthoff als die kleine Schauspielerin, die dem Produzenten in die Arme geworfen wird, damit sie ihre Dienste leistet, bevor sie in die Nähe eines Broadway-Auftritts kommt, bleibt eher am Rande.
Raphael von Bargen ist der Liebhaber mit Charakter, Alexander Pschill eine Luxusbesetzung für einen Autor, der (auch schon im Film) nicht allzu sehr in den Vordergrund tritt, Fritz Egger als Produzent glaubwürdig genug (man traut ihm, entschuldigen schon, jede Schmutzerei zu).
Ja, und Addison Dewitt ist quasi nicht nur Erzähler, sondern auch teilweise Spielleiter der Geschichte, wenn der eitle und so mächtige Kritiker seinen Einfluß benützt, um Eve groß zu machen… natürlich auch aus Tücke, weil Margo ihn nicht gebührend hofiert. Joseph Lorenz spielt ihn mit absoluter Eleganz, mit der Souveränität eines Schnitzler-Herren, der unter seiner Oberfläche den schäbigen Charakter gar nicht verbergen will, und nur in der Szene gegen Ende, wenn er Eve klar macht, dass er sie jederzeit wieder vernichten kann und sie folglich immer von ihm beherrscht sein wird, fehlt es an der nötigen Kraft, hier ausreichend schockhaft brutale Bösheit und Gewalt gegen die Frau spüren zu lassen. Das würde man auch empfinden, hätte man sich nicht eben wieder einmal im Internet „All About Eve“ angesehen…
Am Ende war es so richtig schönes Theater. Und damit ist man an der Josefstadt (warum verschwendet man diesen Abend eigentlich an die Kammerspiele?) ja schon seit einiger Zeit nicht verwöhnt worden.
Renate Wagner