WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
THE LIGHTHOUSE von Peter Maxwell Davies
Premiere: 28. Oktober 2021
80 Minuten nur und ein anerkanntes Meisterwerk in vielen Tiefenschichten. Sir Peter Maxwell Davies (1934-2016) hat nicht eben viele, aber doch mehrere Opern hinterlassen, die meist nur im englischen Sprachraum gespielt wurden / werden. Sein Meisterwerk „The Lighthouse“ von 1980 jedoch ging um die Welt und wird immer wieder hervorgeholt. Das liegt gleicherweise an der unter die Haut gehenden Musik wie an der raffinierten Dramaturgie der Geschichte, die gerade in ihrer Kompensation auf das Wesentliche so stark wirkt.
Der originale Fall hat sich 1900 zugetragen, nämlich dass die Besatzung eines Leuchtturms, die mit erheblicher Verspätung abgeholt werden sollte, einfach verschwunden war. Das zumindest sagten die Offiziere des Versorgungsschiffs aus, die sie angeblich nicht gefunden hatten. Es gab Zweifel darüber, was da passiert sein konnte, aber die Wahrheit war nicht auffindbar – und an einer billigen Lösung ist Davies in seinem Drei-Personen-Stück auch nicht gelegen. Wohl aber an einer psychologischen Höllenfahrt.
Die drei Männer, die zuerst auftreten, sind die Offiziere, die melden, den Leuchtturm verlassen gefunden zu haben. In der Inszenierung der Kammeroper des Theaters an der Wien, die offenbar auch ein Familienprojekt von drei Herren namens Zlabinger ist, hat Ausstatter Martin Zlabinger sie gleich in orangefarbene Overalls gesteckt, die an Gefängnis (Guantanamo?) erinnert. Und wenn es auch nur das Horn ist, das aus dem von Michael Zlabinger geführten Orchester kommt, dem sie Rede und Antwort stehen, macht Regisseur Georg Zlabinger doch klar, dass sie unter Anklage stehen… vor einem Gericht, das man nicht sieht.
Sie reden sehr viel über das Meer und seine Anforderungen und verwickeln sich in Widersprüche… bis sie in die drei Männer aufgehen, die auf ihrem Stück Insel offensichtlich schon viel zu lange allein sind. Zu diesem Zweck treten sie hinter den riesigen Rundbogen, der an ein Bullauge erinnert, und verwandeln sich in Männer bereits am Rande des Nervenzusammenbruchs. Sie können die Zeit einfach nicht mehr zubringen nicht mit Beten, nicht mit Kartenspielen, nicht mit Singen, was sie alles versuchen.
Foto: ©_Herwig_PRAMMER
Denn da sind schon die Wahnvorstellungen, in die sie sich verstricken… und das tun sie im vollsten Wortsinn, in Seilen, die sie möglicherweise ersticken, wobei sich das Bild der Bühne blutrot färbt. Aber wenn die Musik so verzweifelt aufheult, dass man (ohne es zu sehen) weiß, dass das Schlimmste passiert ist, dann können auch die drei Offiziere des Beginns, die zurückkehren, von diesen Verrückten angefallen worden sein und sie in Notwehr getötet haben? Und dann die Leichen weggeräumt und beschlossen, einfach zu sagen, die Männer seien verschwunden…?
Dass es um diese reale Wahrheit nicht geht, möchte die Inszenierung, die so gut wie möglich um Klarheit und Übersichtlichkeit bemüht ist, zeigen. Sowohl die drei Offiziere wie die drei Leuchtturmwächter werden von ihren Dämonen verfolgt. Dazu braucht man nicht viel Szenisches (wenn auch Requisiten durchaus helfen), sondern nur die Interpreten.
Zwei Mitglieder des Jungen Ensembles des Hauses, die erst kürzlich im „Waffenschmied“ gute Figur gemacht haben, sind diesmal (mit extrem anderen Aufgaben) wieder dabei. Andrew Morstein wurde wegen Grippe entschuldigt, ließ aber keinerlei Beeinträchtigung hören und sehen, sein Tenor funktionierte so gut wie die exzessive Darstellung. Timothy Connor mit seinem angenehmen Bariton war als Ruhepol unter den drei Leuchtturmwächtern gedacht, trat aber keinesfalls in den Hintergrund. Aber Johannes Schwendinger mit kratzigem, aber hoch interessantem Baß hat als Neurotiker (ob verwirrter Offizier, ob religionsfixiert im Lighthouse) immer wieder den Vogel abgeschossen. Ohne eine starke Besetzung geht es nicht – hier wurde dem Stück gegeben, was es verlangt, braucht und verdient.
Auch von dem Wiener KammerOrchester, das hier als Klangkörper wie auch in einzelnen Soloinstrumenten ganz besonders gefordert ist, Klangmassen bauen, stellenweise atemberaubende Virtuosität hören lassen und extreme Stimmungen vermitteln muss. Das Publikum war beeindruckt und brachte das mit gebührendem Applaus zum Ausdruck.
Renate Wagner