Fotos: MusikTheater an der Wien
WIEN / Kammeroper des MusikTheaters an der Wien:
MARÍA DE BUENOS AIRES von Astor Piazzolla
Premiere: 12, Februar 2024
Eine Aufführungsserie, die noch vor der Premiere ausverkauft ist – das spricht für das dramaturgische Geschick eines Opernhauses und für die Neugierde eines Opernpublikums, Gelungen ist dies dem MusikTheater an der Wien mit der Kammeropern-Aufführung von „Maria de Buenos Aires“, ein von ihrem Schöpfer Astor Piazzolla als Tango Operita bezeichnetes Werk, wie man es hierzulande noch nicht erlebt hat. Auch ein für unsere Ohren und unser Verständnis einigermaßen sprödes Stück Musiktheater – aber eben ganz anders als gewohnt und nicht zuletzt darum faszinierend.
Es ist allerdings zu hoffen, dass niemand mit den falschen Erwartungen in den Abend kommt, den klassischen, aus Tourneen und Touristenabenden bekannten „Tango Argentino“ zu erleben, wo zwei schöne, schlanke, elegante Tänzer sich zu temperamentvoller, melodiöser Musik formvollendet bewegen. Nichts, aber schon gar nichts davon. Piazzolla hat mit der irisierenden Leidensgeschichte seiner Titelheldin ein gewaltiges (allerdings nur eineinhalbstündiges) Melodram geschaffen, das auf dem Libretto des Lyrikers Horacio Ferrer basiert. Dementsprechend kann von Realismus nicht die Rede sein, weder in der Handlung und noch viel weniger in der Sprache – die Übersetzung aus dem Spanischen liest man als Übertitel, kaum etwas dort spricht von einer wirklichen Geschichte, man ist mit Lyrik konfrontiert, teils verquer, teils religionskritisch, teils verblüffend in Idee und Sprache. Aber jedenfalls kaum eine greifbare Geschichte, der man als Zuseher mit vollem Verständnis folgen könnte.
Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo, in Österreich bisher vor allem den Grazern bekannt, versucht die Geschichte, die im Grunde von „Geistern“ handelt, ein wenig zu „erden“. Es scheint, als ob die beiden Männerfiguren, Payador und Duende, in Richterroben gekleidet, eine Art Gerichtstag halten über Maria, vor allem aber darüber, was ihr geschehen ist. Dazu treten sie auch immer wieder in die Handlung ein, die zwischen Möglichkeit und Abgehobenheit geschickt changiert, wobei Orchester, Tänzer und Statisten (Studierende des Performing Center Austria) immer wieder zwischen den Welten changieren. Anna Schöttl //Bühne). Lena Weikhard /Kostüme) und Sabine Arthold (Choreographie) fügten sich in die vorgegebene Schattenwelt. Man sah Phantasiegeschöpfe absurder Prägung oder echte Menschen, hässliche Mitwelt, an der Maria, das Mädchen aus der Vorstadt, in der Großstadt Buenos Aires zugrunde geht. Schließlich kann man ja nicht wirklich darstellen, dass die Heldin, wie man hört, „im Kaffeesatz eines Espresso begraben“ wird…
So hält man sich an die drei Hauptfiguren innerhalb des irrealen Wirbels, und erlebt in der chilenisch-schwedischen Mezzosopranistin Luciana Mancini eine imposante, kraftvolle Hauptdarstellerin. Der Abend war nicht dazu gedacht, von Beifall unterbrochen zu werden, und es geschah auch nicht, mit einer Ausnahme – als die Sängerin am Ende ihre volle „Röhre“ und die damit verbundene Energie entfaltete, brach das Publikum in Jubel aus.
Der mexikanische Bariton Jorge Espino übernahm undurchsichtige Liebhaber-Figuren, und am meisten beeindruckte Daniel Bonilla-Torres, gebürtig aus Puerto Rico, als der von Maria besessene Duende. Er hat mit dieser Rolle schon buchstäblich in aller Welt reüssiert.
Piazzollas Musik, die schwermütig ist und schmerzlich, vielgestaltig und intensiv, hat dem Werk viele Verehrer verschafft, Gidon Kremer gehörte dazu, auch Milva, die die Titelrolle gesungen hat. Was man hört, ist weder folkloristisch noch gefällig und wahrscheinlich deshalb ein kulturelles argentinisches Nationalheiligtum. Das folksmilch Ensemble ist vielleicht nicht „original“, aber es klingt so, und darauf kommt es an.
Absolut stürmischer Beifall am Ende. Kein „Tango“ aus dem Bilderbuch. Eine Wanderung in die seltsame Welt des großartigen Argentinien.
Renate Wagner