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WIEN / Kammeroper: L’ ENFANT ET LES SORTILÈGES / OLYMPIA

26.02.2019 | KRITIKEN, Oper


Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
L’ ENFANT ET LES SORTILÈGES von Maurice Ravel
OLYMPIA Zweiter Akt aus Les contes d’Hoffmann von Jacques Offenbach
Premiere: 26. Februar 2019

Die Kammeroper hat in den letzten Jahren immer wieder Anlässe geliefert, über Programmwahl und „Bearbeitungen“ den Kopf zu schütteln. Und dann steht man – obwohl man den „Olympia“-Akt in „Hoffmanns Erzählungen“ eigentlich für ein großes „Chor-Stück“ hält – auf einmal vor einem rundum stimmigen, witzigen, klugen, sympathischen Abend, wie man ihn selten erlebt. Und eine (kleine) Huldigung zum Offenbach-Jahr ist er auch noch geworden…

Denn E.T.A.Hoffmann bekommt gewissermaßen noch eine Erzählung seines Lebens dazu. Wenn er (ja, Offenbachs Hoffmann ist gemeint) so durch einen Rummelplatz schlendert und in ein „Peep-O-Rama“ mit magischem Auge gerät – ja, da steht er plötzlich in seinem Kinderzimmer. Sieht sich selbst als ganz kleinen (Samuel Wegleitner) und dann als halbwüchsigen Jungen. Und der randaliert in seinem Zimmer – im Protest gegen die Mutter und überhaupt – so herum, wie es in „L’ enfant et les sortilèges“ der Colette zu Musik von Maurice Ravel (einer seiner berühmtesten Einakter, den anderen, „L’heure espagnole“ hat die Kammeroper schon gespielt) eben zugeht.

Schon da ist man glücklich mit der Inszenierung der gebürtigen Tschechin Barbora Horáková-Joly, die zwar mit Regisseuren wie Bösch oder Bieito gearbeitet hat, aber offenbar trotzdem willens ist, zuerst ein Werk und dann erst (wenn überhaupt) sich selbst zu inszenieren. Nun ist der Wirbel auf der Bühne – wenn Möbel und Geschirr und Tiere und Allegorien wie das Feuer sich zu bewegen beginnen – groß genug, würde man sich darüber hinaus etwas einfallen lassen, man könnte die Geschichte des Kindes, das mit den „Elementen“ nicht fertig wird, kaum erzählen…

Nochmals kommt Hoffmann – diesmal ganz sein Offenbach’sches Selbst – in das „Peep-O-Rama“, und dass sein jugendliches Selbst nun seine Muse ist, ist eine besonders schöne Idee (auch wenn sich die beiden bekämpfen). Offenbar ist die Welt der Puppen und Kunstgeschöpfe die seine geblieben, hier gerät er nun zu Spalanzani und Olympia und erlebt den zweiten Akt seiner Oper. Um am Ende allein und verzweifelt zurück zu bleiben (da könnte ihn die Muse schon trösten…).

Und wieder wird, der Zusammenhalt der beiden Teile ist wunderbar gelungen, eine überzeugende Geschichte erzählt, an der nur auffällt, wie viel man daran musikalisch nicht kennt. Aber schließlich versichert das Programmheft auch, dass es absolut keine definitive Fassung des Werks gibt, und so verfährt man praktisch überall mit dem Material nach Belieben (Hier stammt die Orchesterfassung von Leonard Eröd). Die große Olympia-Arie im Zentrum klingt wie immer – und da kommt es ja nur darauf an, dass sie gut klingt.

I
Ilona Revolskaya

Also bewundere man gleich die Russin Ilona Revolskaya in dieser Rolle (im ersten Teil war sie Feuer, Prinzessin und Nachtigall), ein perlendes Koloraturen-Talent, die allerhöchsten Töne vielleicht ein wenig gequietscht, aber richtig erreicht. Außerdem ist sie so puppenhaft, wie man wenige erlebt hat, und ganz außerordentlich, sozusagen hintergründig komisch, wenn sie zwischendurch ganz unpuppenhaft Hoffmann verführen möchte…


Quentin Desgeorges , Tatiana Kuryatnikova

Der junge französische Tenor Quentin Desgeorges, der im ersten Teil nur schweigend seine Vergangenheit betrachten darf (schauspielerisch ist er aber präsent), gibt dann Offenbachs Hoffmann schön gesungen mit kraftvollem, metalligem Tenor. Dass er äußerst verwirrt durch sein Schicksal stolpert, versteht sich. Und, wie gesagt, er als halbwüchsiges Kind (bei Ravel) und dieses sein jüngeres Ich jetzt als seine Muse – das sind gleich zwei große Rollen für die russische Mezzosopranistin Tatiana Kuryatnikova, die sie mit leuchtender Stimme und viel Temperament absolviert.

Große Rollen gibt es im „Hoffmann“-Akt noch für den fabelhaften rumänischen Baß Dumitru Madarašan als Bösewicht Coppelius (im ersten Teil war er Sessel und Baum) und den als Spalanzani ganz vorzüglichen Johannes Bamberger (im ersten Teil viel beschäftigt als Teekanne, Kleiner alter Mann und Frosch – nicht dass man ihn und alle anderen in ihren Masken und Kostümen immer gleich erkennen würde).

Die Regisseurin hat (in der bunten, aber nicht überladenen Ausstattung von Eva-Maria van Acker und mit Hilfe des Choreographen James Rosental) den für Offenbachs Stück auf vier Herrschaften verkürzten Chor im Zuschauerraum platziert, wo sie prächtig Radau machten, bevor sie sich wieder auf die Bühne begaben und mitspielten. Juliette Mars (im ersten Teil auch Mutter), Ghazal Kazemi, Jenna Siladie und Georg Klimbacher sind wichtiger Bestandteil des Abends, den das Wiener KammerOrchester und Dirigent Raphael Schluesselberg harmonisch zusammen fügten.

Ein großer Erfolg. Und ein verdienter dazu.

Renate Wagner

 

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