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WIEN / Kammeroper: DON PASQUALE

21.11.2017 | KRITIKEN, Oper

Don Pasquale  Szene breit
Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammeroper:
DON PASQUALE von Gaetano Donizetti
Bearbeitung von Tscho Theissing
Premiere: 17. November 2017,
besucht wurde die dritte Vorstellung am 21. November 2017

Wann werden wir Alten endlich den tief einsitzenden Respekt vor Kunstwerken und ihren Schöpfern verlieren? Wir wissen doch, wie unzeitgemäß das ist. Auf dem Theater sowieso. Da muss ein Stücktitel nicht mehr als eine Behauptung sein, mit dem Text macht man, was man will, und die Bühne ist eine Spielwiese, wo der Regisseur nach Lust und Laune Misthaufen platzieren kann. Aber in der Oper – da gibt es doch wenigstens die Musik! Ha! Wer sagt, dass „Don Pasquale“ klingen muss, wie Gaetano Donizetti sich das vorgestellt hat?

Tscho Theissing, hoch geschätzt, wenn er mit den Wiener Theatermusikern Michael Heltau begleitet, erklärt im Programmheft der Kammeroper mehrfach, wie klischiert Donizettis Musik sei. Da muss man sie doch ändern und zeitgemäß machen (selbst was komponieren – wie wäre das?). Ein bisschen originale Melodik, neu instrumentiert, damit es „peppig“ klingt (und auch an „Spiel mir das Lied vom Tod“ erinnert). Schöner und besser wird Donizetti bestimmt auch mit Saxophon nicht. Es klingt eher flach und simpel, was da – exekutiert von den Wiener Theatermusikern – aus dem Orchestergraben kommt.

Und es ist wahrlich seltsam, was sich der Argentinier Marcos Darbyshire unter einer großen, klassischen Buffa-Geschichte vorstellt. Die muss man doch weiterdenken, nicht wahr? Don Pasquale reinlegen, na gut, aber wie wäre es, wenn das Früchtchen Norina nicht nur den faden Ernesto gerne hätte, sondern Malatesta noch dazu? (Wenn man unvorbereitet ist, fällt man aus allen Wolken, wenn sie mit dem – eigentlich der Intrigant der Story – zu schmusen beginnt!) Darauf läuft es hinaus, Menage à trois, aber nicht der Mann, der die obligaten zwei Frauen hat, sondern hier die Frau, die beide Männer möchte und bekommt. Gott, wie emanzipiert! Wie neu! Wie großartig! Wie durchdacht!

Eine Inszenierung, die sich aus jedem Rahmen herausklinkt, kann machen, was sie will. Das heißt, Rahmen gibt es, gleich acht, der Bühnenrahmen wiederholt sich in die Tiefe hinein immer wieder, rundum laufen Lichter, damit und mit scheußlichen, grellfarbigen Kostümen (die wohl als „phantasievoll“ gelten sollen) begnügt sich Ausstatterin Annemarie Bulla.

Don Pasquale  Unterhose Don Pasquale  sie und Pasquale

Und der Regisseur schiebt seine vier Protagonisten willkürlich über die Bühne. Die Männer müssen nackte Beine zeigen oder in Unterhosen singen, das tut ihnen nicht gut. Die Dame muss sich dauernd exzessiv schelmisch geben. Das war’s auch schon. Immerhin – es gibt auch Kritikerkollegen, die das großartig finden. Ist doch schön, dass es so viele Meinungen gibt. Der eine ist begeistert, und der andere weiß nicht, was das soll…

Carolina Lippo hat die Persönlichkeit für diese Art von Norina, eine potente, gelegentlich scharfe Stimme dazu. Julian Henao Gonzalez liefert nicht die Freuden, die man sich von einem Ernesto erwartet, da müsste sein Tenor schon aufblühen. Besser die dunklen Stimmen, der markige Bariton von Matteo Loi (Malatesta) und der schöne Baß von Florian Köfler (Don Pasquale).

Hoffentlich hat niemand im Publikum geglaubt, dass er den „Don Pasquale“ von Donizetti gesehen hat…

Renate Wagner

 

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