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WIEN / Kabinetttheater: HERR PIRANDELLO WIRD AM TELEFON VERLANGT

20.01.2022 | KRITIKEN, Theater

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WIEN / Kabinetttheater: 
HERR PIRANDELLO WIRD AM TELEFON VERLANGT
EIN VERSÄUMTER DIALOG
Von Antonio Tabucchi
Premiere: 20. Jänner 2022

Nicht von ungefähr hat der italienische Autor Antonio Tabucchi Luigi Pirandello in den Titel seines rund einstündigen Monologs „Herr Pirandello wird am Telefon verlangt“ gesetzt. Denn das, wofür der große Sizilianer weltberühmt geworden ist, geschieht auch der Hauptfigur des Stücks – er hat nie festen Boden unter den Füßen. Er scheint das Publikum ununterbrochen zu fragen – So ist es? Ist es so?

Ist er ein Schauspieler? Oder nur ein Schausteller im Varieté, der abkommandiert ist, ein paar Leutchen in einem Spital zu unterhalten? Wenn er er selbst ist, wie sehr ist der Mann, der anderen etwas vorspielt, derjenige, der er wirklich ist? Oder ist er am Ende, wie er behauptet, tatsächlich der portugiesische Dichter Fernando Pessoa, der sich als Schauspieler ausgibt?

Eines scheint jedenfalls fest zu stehen: Das Telefongespräch, das Pessoa unbedingt mit Luigi Pirandello führen wollte, hat nie stattgefunden. Und dennoch verdichtet sich der monologische Abend zu seinen stärksten Momenten, wenn er sich genau dieses Gespräch vorstellt. Dichter unter sich. Freundlich, höflich, aber ohne Ergebnis. Man sucht halt immer einen Autor…

Da steht er nun da, Thomas Sarbacher mit seinem Monolog, wo er über Gott und die Welt, das Theater und die Liebe, die Sterblichkeit und die Vergeblichkeit nachdenkt. Dabei wollen seine Zuhörer doch vor allem unterhalten werden. Diese Zuhörer sind das komische Gustostück in der Aufführung des Kabinetttheaters, die von Peter Schweiger sorglich geleitet wurde.

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Foto: © Armin Bardel

Die Zuhörer sind nämlich Klappmaulpuppen, je vier von ihnen werden von im ganzen drei Meistern ihres Fachs geführt (Christian Pfütze, Katarina Csanyiova, Martin Purth), die sich ganz bescheiden hinter den Köpfen verstecken. Aber wie sie zuhören, wie sie einander zunicken oder dazwischen rufen, wie sie ihre Wünsche äußern, wie sie lachen, ja, wie sie den armen Schauspieler auch einmal verhöhnen – das ist ein Meisterstück, mit gnadenloser Präzision auf den Monolog abgestimmt und diesen auch dann voran treibend, wenn er hie und da durchhängt.

Und noch jemand trägt dazu bei, dass die an sich doch eher traurige Geschichte ihre humoristischen Glanzlichter bekommt: ein Musikautomat (unsichtbar von Paul Skrepek betätigt), der offenbar früher der Partner des Schauspielers in einer Varietè-Szene war und gelegentlich quietschend eine Art Kommentar liefert…

Tabucchi, Pessoa, Pirandello – dass Ersterer nicht an Letzteren herankommt, ist logisch, aber das macht nichts: Das Ganze war ja wohl als Huldigung für den Großmeister des italienischen Theaters gedacht. Pirandellesk. Eine Verbeugung. Viel Beifall.

Renate Wagner

 

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