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Wien/ Jugendstiltheater/ Festwochen: Wiener Festwochen 2022: „tumulus“ (= Hügelgrab) aus der Idee geboren, Gesang und Tanz völlig zu verschmelzen

Wiener Festwochen 2022: Ein smartes Hügelgrab und der verhallende Ruf nach Frieden

Wiener Festwochen 2022: Ein smartes Hügelgrab und der verhallende Ruf nach Frieden

Halle E+G - MuseumsQuartier Wien
Copyright: Wiener Festwochen

Eine von David Schalko konzipierte lockere poppige Show, gut für die vielen Jungen am Rathausplatz, so ein bisschen an altes Wiener Ramasuri erinnernd, hat die Wiener Festwochen eingeleitet. Bunt soll es mit diesen nun weiter gehen. Auch mit einigem Gesang. Wie am ersten Wochenende, an dem der Arnold Schoenberg Chor zu einem „Frieden auf Erden“-Aufruf im Jugendstiltheater am Steinhof angetreten ist. Und für das Museumsquartier hat ein trendiges französisches Coproduction-Kollektiv eine smarte Grabstätte für so manch unsterbliche Seele mitgebracht. Festwochen Coproduction? Vom Annecy über Wien bis, bis, bis …. wird diese ästhetische Schau- und Hörepisode weiter gereicht. 

„tumulus“ (= Hügelgrab) ist aus der Idee geboren, Gesang und Tanz völlig zu verschmelzen. Choreograph Francois Chaignaud und Musikmann Geoffrey Jourdain haben sich dazu einen geschmackigen, niemals bedrohlichen Totentanz ausgedacht. Dreizehn skurril-phantastisch drapierte Gestalten ziehen singend, neckisch tänzelnd und wippend und mit Gebärden sich an das Publikum wendend rund um ihren in delikater Optik errichteten Grabhügel, verschwinden in diesem, entsteigen ihm. Runde um Runde wird gedreht, dem Uhrzeigersinn zumeist folgend, immer wieder, nicht allzu viel variierend. Hieronymus Bosch scheint in Ansätzen in allermildester Form beschworen zu sein. Die auferstandenen Seelen singen dazu sehr wohlklingend etwa ein ‚Dies Irae‘ von Antonio Lotti oder einen Psalm von Josquin Desprez, und wenn sie schließlich bei den ‚Songs of Sadness and Pitje‘ (1588) des William Byrd angelangt sind und die Totenglocken stürmisch läuten, so kommt nach einer Stunde reinster Kontemplation auch unruhige impulsive Bewegung in diese unantastbare Gemeinschaft.

Auf mehr verdichtete Substanz hätte das Programm mit dem vielversprechenden Titel „Frieden auf Erden“ zielen können. Die höchst ambitionierten Sänger des Arnold Schoenberg Chores sind angetreten, um das große Schaffen ihres Namensgebers Schönberg attraktiv und hingebungsvoll zu präsentieren. Glücklich dürften sie mit der szenischen Umsetzung allerdings nicht geworden sein. Eine falsche Partnerschaft: Ulla von Brandburg, hierzulande eine unbekannte Kunstgewerbe-Dame aus Karlsruhe mit Faible für Installationen und offensichtlich bunten Stoffe, wurde mit der künstlerischen Gestaltung betraut. Ohne Geistesblitze ihrerseits. Überdimensionale Vorhänge wurden von ihr im zur Raumbühne umgemodelten Jugendstiltheater aufgezogen; Stoffbahnen sind am Boden herumgelegen; kurz da und dann bald wieder weggeschafft. Rote, blaue, gelbe. Alle in derben Farben, in keineswegs sensibilisierenden. Laut Programmzettel sollen solch ‚Klang-, Farb- und Lichtspiele‘ ein synästhetisches Erlebnis erzeugen. Nichts ist davon zu merken, geistige Leere.

Den in kurioser Mixtur eingekleideten Sängern ist so einiges an Bewegung vorgeschrieben worden. Ruhiges Schreiten, zeremonielles Marschieren in einer Linie, dann wieder bloß ein hilfloses Herumstehen oder ein kleines eingestreutes Ritual. Sinnvoll? Dirigierend mitten unter ihnen Chorgründer und -leiter Erwin Ortner, diese so maßgebliche besondere Persönlichkeit des Wiener Musiklebens. Doch die anspruchsvollen Text sind im weiten Raum nicht klar verständlich. Es bleibt ein eindringliches Stimmen- und mattes Stimmungsbad. Schönbergs musikalisches Vermächtnis reicht von hehrer Spätromantik bis zur Zwölftmusik. Etwa in Folge, doch im Ablauf nicht wirklich mitzuverfolgen: „Das Buch der hängenden Gärten“, „Drei Volksliedsätze“, „Drei Satiren“, „Dreimal tausend Jahre“ oder der vertonte 130. Psalm. Zum Abschluss mit aller Intensität dann noch vorgetragen: „Friede auf Erden, op. 13“ – hier als ein verhallender Appell.

Meinhard Rüdenauer

 

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