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WIEN / Josefstadt: ZWISCHENSPIEL von Arthur Schnitzler

30.01.2020 | KRITIKEN, Theater

WIEN / Theater in der Josefstadt:
ZWISCHENSPIEL von Arthur Schnitzler
Premiere: 30. Jänner 2020,
besucht wurde die Generalprobe

Zeitlich eingebettet zwischen Meisterwerken wie „Der einsame Weg“ und später „Das weite Land“, wird Arthur Schnitzlers „Zwischenspiel“ (1905 uraufgeführt) aus guten Gründen selten gespielt. Es ist gewiß eines seiner schwächsten Stücke, zu theoretisch, nicht auf der Höhe seiner dialogischen Kunst, auch nicht überzeugend im Erfassen der weiblichen Hauptfigur. Woran liegt es?

Möglicherweise war ihm das Thema zu nahe. Schnitzler schrieb das Stück zwar, bevor seine Ehe mit Gattin Olga scheiterte, aber es ist schon sehr viel Ahnung darin, dass die Gemeinsamkeit nicht funktionieren könnte. Hätte Olga Schnitzlers Talent für die von ihr angestrebte Sängerinnen-Karriere gereicht, wäre man wohl einer „Künstlerehe“ entgegen gegangen, wie sie der Kapellmeister Amadeus Adams und die Opernsängerin Cäcilie Adams-Ortenburg führen – mit vielen Trennungen, mit vielen Versuchungen, wenn man allein in der Fremde ist.

Noch immer herrschte die „Doppelmoral“, die verheirateten Männern jede Freiheit zum „Seitensprung“ zugestand, während die Ehefrauen sich gefälligst brav und still zu fügen hatten. Retourkutschen waren gesellschaftlich eigentlich nicht vorgesehen. Was aber, wenn der neue Typus Frau, der um die 1900-Jahrhundertwende auch sexuelle Freiheit begehrte, die Ehe ins Wanken brachte? Davon handelt „Zwischenspiel“, ein Stück, das mit Beziehungen experimentieren möchte, so wie wir es heute noch tun, „offene Zweierbeziehung“, Lebensabschnittspartner, Freundschaft nach Ende der sexuellen Gemeinsamkeit… und im Alltag funktioniert damals wie heute davon sehr wenig.

Die gelungenste Figur ist in diesem Fall (eine Rarität bei Schnitzler, der – wie Grillparzer – so absolut meisterhaft Frauen gestalten konnte) der Mann. Schnitzler jagt diesen Amadeus nicht nur durch Höllen, sondern auch durch Illusionen. Er glaubt, er kann über seine Ehefrau bestimmen, er glaubt, er vermag sich über die „Freiheit“, die man einander nolens volens zugesteht, hinwegzusetzen, und er vergeht vor Eifersucht und (damals) klassisch männlichem Besitzdenken.

Man weiß, dass sich Beziehungsdiskussionen (und sie beherrschen das Stück fast ausschließlich) im Leben natürlich im Kreis drehen, dass immer wieder dasselbe gesagt wird, aber am Theater sollte es nicht passieren. So glänzend die Leiden des Amadeus gezeichnet sind (und immer vermag Schnitzler, der persönlich mit seinem Helden mitgelitten hat, auch ein wenig über sich lächeln), so wenig tragen sie den Abend. Und die Rolle seiner Gattin, die angeblich nicht nur weibliche Emanzipation, sondern auch sexuelle Libertinage sucht, raschelt vor Papier. Vor allem in dieser Aufführung, wo die Schauspielerin dem Stück nicht hilft (was ja bestenfalls vorkommen kann).

Denkt man, welche Verbrechen an der Josefstadt an Schnitzler schon begangen wurden (man erinnere sich nur an den letzten „Einsamen Weg“), dann ist Peter Wittenberg ja beinahe als sensibler Regisseur zu bezeichnen. Weder, dass er das Stück stellenweise dramaturgisch aufbricht, Zwischen-Musik einlegt, sich die Bühne drehen lässt, noch ein offenes, unruhiges Bühnenbild mit Spiegeln (Florian Parbs) stören wirklich. Die Kostüme versuchen ganz gut Zeitlosigkeit zu imaginieren (Alexandra Pitz), sind allerdings für die Hauptdarstellerin erschüttend unattraktiv. Auch ist nicht einzusehen, warum in einer Welt, wo vom Kaiser die Rede ist und Duelle ausgetragen werden sollen, heutige blecherne Rollkoffer mitspielen – weil es sexy (?) ist, wenn sich die Hauptdarstellerin mit gespreizten Beinen darauf setzt, um ihre neu erwachten sinnlichen Lüste zu demonstrieren? Aber dennoch – so wenig hatte man schon lange nicht gegen einen Josefstadt-Abend einzuwenden. Wenn das Stück nur besser wäre!

Bernhard Schir als der klassische Schnitzler-Mann (der alle Frauen haben will, aber von den Damen Treue verlangt), redet sich fabelhaft in den Wirbel seiner Beziehungsnöte hinein. Er gibt seine Figur nicht preis, indem er selbst über sie lacht, aber er ermöglicht, über seine Nöte schmunzeln zu dürfen. Schnitzler wählte auch die Gattungsbezeichnung „Komödie“, aber man kennt das ja von Tschechow, dass diese gar nicht so lustig sein mögen…

Eine komische Figur hat Schnitzler eingebaut, sich selbst verdoppelt, er persönlich steckt auch in dem Literaten Albertus Rhon (der später im „Weiten Land“ wieder kommt), der für die Pointen sorgt, der auch ganz genau weiß, dass einiges an dem Beziehungsdrama nicht stimmt. (Aber was nützt es schon, Einwände vorweg zu nehmen?) Joseph Lorenz macht das herrlich locker und souverän, gut dass er endlich auch wieder in Wien Theater spielt. Martina Stilp schusselt als freundliche Gattin neben ihm her.

Dann gibt es noch Silvia Meisterle als Sängerin, die den Herrn Komponisten gar zu aufdringlich ins Bett kriegen will, und Roman Schmelzer, der als nobler Fürst nicht gänzlich überzeugend wirkt. Ja, und ein Kind, das man braucht, um zu zeigen, dass auch der Sohn im Beziehungsgeflecht mitspielt.

Wenn Maria Köstlinger als Cäcilie erscheint, wirkt sie – in Schwarz – wie eine steife Gouvernante. Nun kann das mit ihrer inneren Spannung zusammen hängen, aber diese Frau müsste auf jeden Fall das Flair, den Reiz einer großen Künstlerin ausstrahlen. Auch dass sie nicht nur ein Opfer des egozentrischen Gemahls ist, sondern sein Spiel pariert, indem sie ihn eifersüchtig macht, kommt keine Sekunde heraus – am allerwenigsten im zweiten Akt, wo sie die Haare dann zwar offen trägt, aber das Kleid wirkt trotz Dekolleté nicht heraufordernder, und dass sie sich quasi „befreit“ hat, glaubt man ihr keine Sekunde. Erotischen Reiz strahlt sie nie aus.  Im letzten Akt, wenn sie das Happyend verwehrt, wirkt sie nur sauertöpfisch. Maria Köstlinger ist für Schir keine Partnerin, noch weniger eine Gegenspielerin.

Dass Schnitzler ein Stück geschrieben hat, zu dem ihm im Grunde nicht viel eingefallen ist (was er selbst am besten wusste!) – dafür können die Interpreten allerdings nichts. Und man wird es dem Schöpfer so unvergesslicher Meisterwerke auch nicht weiter übel nehmen, wenn ihm das eine oder andere nicht so gelungen ist.

Renate Wagner

 

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