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WIEN / Josefstadt: WARTEN AUF GODOT

14.12.2023 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Theater in der Josefstadt

WIEN / Theater in der Josefstadt:
WARTEN AUF GODOT von Samuel Beckett
Premiere: 14. Dezember 2023,
besucht wurde eine Voraufführung 

Wir warten auf Godot. Ach ja…

Das umfasst im Grunde das ganze Stück. Es hat gute 70 Jahre auf dem  Buckel und seinen Schöpfer, den irischen Schriftsteller Samuel Beckett, nach der Premiere 1953 in Paris weltberühmt gemacht. Es gab großartige Aufführungen allerorten, aber letztlich ist das Werk verwelkt wie das ganze „absurde Theater“, für das es steht (obwohl es noch um einiges mehr ist).

Nun darf ein berühmter Regisseur von gestern an der Josefstadt wieder einmal zeigen, dass er noch da ist – weil Claus Peymann sich offenbar von Wien nicht trennen kann, wo man ihm einst, als Burgtheaterdirektor, so viel Beachtung schenkte (und er so viel Erregung erzeugen konnte) wie nirgends sonst. Freilich ist „Warten auf Godot“ in seiner Inszenierung nun nicht der Abend, der einen vom Sessel reißt. Tatsächlich schleppt er sich längere Zeit nur so hin.

Denn die Landstreicher Wladimir und Estragon, die abgewrackte Menschheit, die auf etwas – ich weiß nicht, was – wartet, nennen wir es halt „Godot“, sind hier von Anfang an müde. Nun könnte man ihre Versuche, die tägliche Einöde der Existenz durch lahme Späßchen zu verkürzen, durchaus als Pointenfeuerwerk inszenieren, eine Buddy-Komödie, wenn es je eine gab, der Drängende und der Zögerliche, eine klassische Mischung. Peymann verweigert dies, was dem Publikum Becketts Zelebrieren der realen und geistigen  Einöde schmackhaft machen könnte.

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Aber auch wenn Pozzo auftritt, wird die Sache seltsamerweise nicht lebendiger, obwohl die Art, wie er mit seinem „Sklaven“ Lucky umgeht, durchaus „Action“-Potential hat, von der deutlich politischen Ebene, die sich durch diese perversen Herrschaftsverhältnisse auftut, ganz zu schweigen. Da hakt es an einem Darsteller, während der andere, Lucky, mit seinem „Denk-Monolog“ wirklich brilliert – nicht als Satire auf die Vergeblichkeit der menschlichen Bemühungen, die Welt und die Existenz durch Denken zu fassen, sondern als blanke Verzweiflung…

Vom Bühnenbild muss hier die Rede sein, nicht die übliche öde Landschaft im Nirgendwo, ein knorriger Baum, auch kein kleiner Junge am Ende. Dazu ist Peymann durchaus etwas eingefallen. Und der Bühnenbildner Paul Lerchbaumer erweckt mit einer zentralen, Richtung Zuschauerraum führenden, anfangs rot beleuchteten Straße, an deren Seite weiße, starre Gebäude aufragen, total die Erinnerung an de Chirico. Wenn Lucky allerdings in Rage die weißen Wände zerstört (es ist Papier, das er herunterreißt), ist das optische Chaos, das übrig bleibt, noch mehr de Chirico – und noch mehr absurd.

Den zweiten Teil lässt Peymann dann auf einer leicht abgedunkelten Bühne spielen, hier wird mit dem Absurden, wie Beckett es anfangs tat, nicht mehr gespielt, hier wird es hinterfragt. Und das ganz stark in Shakespeare-Manier – „Ich hatte einen Traum“.  Der Traum ein Leben? Sind wir wirklich da? Gibt es fortschreitende Zeit, oder findet alles nur im Moment statt, kann man gleichzeitig sehend und blind, sprechend und stumm sein? Bleibt das Leben nicht immer gleiches, hoffnungsloses, sinnloses Streben nach einem Unerreichbaren, das wir nicht kennen?

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Der kleine Junge, der bei Beckett die Botschaften (oder besser: Nicht-Botschaften) von Godot bringt, ist in diesem Fall eine Handpuppe, die Wladimir in die Hand nimmt und der er bauchrednerisch seine Stimme verleiht. Dass es Godot (schon gar nicht als „Gott“ mit weißem Bart) nicht gibt, dass er nur eine Erfindung der allein gelassenen Menschen ist, wird solcherart deutlich wie nie.

Bernhard Schir versucht als Wladmir mit trauriger Gewalt das Geschehen weiter zu treiben, das Marcus Bluhm als Melancholiker Estragon retardiert, aber die längste Zeit stimmt die Kommunikation nicht, der Funke, der das Interesse des Zuschauers entzünden würde, springt nicht über. Besonders enttäuschend der Auftritt von Stefan Jürgens. Man weiß, was Pozzo (oft mit überlebensgroßen Schauspielern besetzt) erreichen müsste, wie viel negative Vitalität sich verbreiten müsste – hier sieht man einen schlanken Mann im roten Gewand, der einen erbarmungswürdigen Gesellen mit sich herumschleppt, ohne dass es einen sonderlich interessierte. Erst wenn dieser Lucky, der so glücklich nicht ist, anfängt, seine Tirade über das Denken auszubreiten, kommt durch Nico Dorigatti Leben ins Geschehen. Wenn es dann nach der Pause noch trüber wird, begreift man die Melancholie als Konzept, ist aber nicht sicher, dass Regisseur Peymann immer richtig gewichtet hat.

Ja, wir wissen, Godot kommt nicht. Ja, wir wissen, Warten ist mühsam. Das wollte Beckett zeigen. Aber es dürfte kein mühsamer Theaterabend daraus werden…

Renate  Wagner

 

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