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WIEN / Josefstadt: SCHICKELGRUBER

Die Rocky Horror Bunker Show

25.09.2025 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Theater in der Josefstadt

WIEN / Theater in der Josefstadt: 
SCHICKELGRUBER von
Jan Veldman / Neville Tranter
Eine Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin
Premiere: 25, September 2025.
besucht wurde die Generalprobe

Die Rocky Horror Bunker Show

Sitzt Adolf Hitler tatsächlich so tief in der deutschen und österreichischen Seele, dass man ihn jederzeit, auch ohne Anlass hervorholen kann und dafür des Beifalls sicher ist? (Denn seines 80. Todestages heuer wird man so wenig „gedenken“ wie anderer mit ihm verbundenen Daten.) Ist Hitler wirklich dermaßen eine „sichere Bank“, dass sein Konterfei am Titelbild von Illustrierten die Auflage hoch treibt, gierig gekauft in der Hoffnung, noch Grauenvolleres über den Grauenvollen zu erfahren?

Ist dieser Adolf Hitler nicht schon auserzählt – auch seine letzten Tage im Bunker? Im Kino hat man große Interpreten gesehen, ob Alec Guiness, ob Bruno Ganz, und Neues war über die gewaltige Literatur und Dokumentationen hinaus, die auch im Fernsehen immer wieder laufen, nicht zu entdecken.

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Und dennoch – im Mai dieses Jahres hat das Deutsche Theater Berlin „Schickelgruber“ herausgebracht, und „80 Jahre deutsche Befreiung“ waren ein guter Vorwand, Hitler wieder einmal in den Bunker zu folgen. Allerdings in ungewöhnlicher Form. Mit dem Tod als Grusel-Clown, wie man ihn aus zahllosen Horror-Filmen kennt…

Ursprünglich stammt das Stück, ein „Puppenspiel“, von Neville Tranter, ein australischer „Puppenspiel-Großmeister“, der das Ganze zusammen mit Jan Veldman schon vor Jahrzehnten geschaffen hat. Nun liegt der Abend (in der Co-Regie von Tranter) in den Händen des Grazers Nikolaus Habjan, der in Wien ja so glänzende Beziehungen hat, dass er in jedem großen Haus vertreten ist (demnächst inszeniert er an der Staatsoper „Fidelio“…). Also fiel eine Co-Operation mit der Josefstadt nicht schwer. Und da Habjan mit seinen grottenhässlichen Klappmaul-Puppen ja offenbar seine Fans hat, kann er sich also an dem „Noch-Föttinger-Haus“ an Hitler abarbeiten und vermutlich seinen üblichen Erfolg einfahren. Die jubelnden Berliner Kritiken kann man (in ausgewählten Passagen) auf der Josefstädter Homepage nachlesen. Hitler sells…

Allerdings konzediert man gerne, dass man zum Thema „Hitler im Bunker“ unter Umständen tatsächlich lieber hässliche Puppen sieht statt echter Menschen, die es schwer haben würden, es mit den Originalen, die man aus unzähligen Doku-Filmen kennt, aufzunehmen. Und so wirklich realistisch sind diese letzten Hitler-Tage zwischen seinem 56. Geburtstag am 20. April 1945 und seinem Selbstmord am 30, April ja nicht gemeint.

Da gibt es zu Beginn eine Geburtstagstorte, deren einzige Kerze der „Tod“ in Gestalt eines hässlichen Grotesk-Clowns am Ende ausbläst – ja, so schließt man klassisch einen Rahmen.

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Was passiert allerdings dazwischen? Nicht viel, eigentlich sehr wenig. Hitler selbst gewinnt kaum Profil, er überlässt das Feld einer hysterisch-zickigen Eva Braun. Goebbels wieselt herum, kurz kommt (mit Schweinsrüssel) Göring vorbei, und im übrigen kommen die sechs Kindern von Goebbels, die im Bunker dann getötet wurden, immer wieder vor und werden unendlich kitschig verwendet, wenn Söhnchen Helmut immer nach „Vaaati“ ruft…  Hier und da tänzelt der Tod vorbei, alles ist grausig und schaurig, eine Rocky Horror Bunker Show, allerdings ohne Substanz und  Aussage. Eh schon wissen. Ja – und?

Man täte dem eineinhalbstündigen, also dankenswert kurzen (und dennoch oft langweiligen) Abend Unrecht, wollte man die Leistungen von Nikolaus Habjan und seiner Kollegin Manuela Linshalm nicht in jenen hohen Tönen loben, die sie verdienen. Sie handhaben die Klappmaul-Monster nicht nur virtuos, ihr sprachliches Repertoire in der Differenzierung der einzelnen Figuren weisen sie auch als hochgradige Schauspieler aus.

Und doch, was bleibt? Machart des Abends: exzellent. Erkenntniswert: null.

Renate Wagner

 

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