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WIEN / Josefstadt: GEHEIMNIS EINER UNBEKANNTEN

02.10.2020 | KRITIKEN, Theater


Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Theater in der Josefstadt:
GEHEIMNIS EINER UNBEKANNTEN von Christopher Hampton nach Stefan Zweig
Uraufführung
Premiere:  1. Oktober 2020
Besucht wurde die Generalprobe

Man kennt und schätzt Stefan Zweig, man kennt und schätzt Christopher Hampton, die Kombination der beiden kann nicht schief gehen. Wenn es dann doch nicht so perfekt wird, liegt es am Wesen der Vorlage. Dabei hat Hampton, Dramatiker auch aus eigenem Recht, mit Bearbeitungen seine größten Erfolge gehabt, besonders mit den „Gefährlichen Liebschaften“ des Choderlos de Laclos, die er auf die Leinwand und allerorten auf die Bühne brachte.

Und er hat sich, besonders in Zusammenarbeit mit der Josefstadt, für österreichische Themen und Literatur interessiert. Horvaths „Jugend ohne Gott“, „Eine dunkle Begierde“ (die heikle Dreiecksgeschichte zwischen Freud, Jung und Sabina Spielrein) und nun Stefan Zweig. Dessen Novelle „Briefe einer Unbekannten“ wurden zum „Geheimnis einer Unbekannten“, ein schmales Werk, ein schmaler, eineinviertelstündiger Theaterabend, der es nicht ganz leicht hat,

Es beginnt im Appartement des wohlhabenden Dichters und Junggesellen Stefan, ein sehr gepflegter Mann. Er würde sich nie schlecht benehmen, nicht einmal zu seinem Diener, am wenigstens zu den Damen, die für One-Night-Stands eingeladen sind. Michael Dangl spielt diesen Herren von Schnitzler-Zuschnitt exzellent – wir erkennen sofort seine Egozentrik, seine Unfähigkeit zu Beziehungen, seine Oberflächlichkeit auch. Aber die Fassade ist tadellos.

Irgendjemand schickt ihm jahrelang zum Geburtstag Rosen, nett, ohne dass er wirklich das Bedürfnis hegte zu wissen, was dahinter steckt. Wir wissen es. Und Tatsache ist, dass die Geschichte durch einen Brief vermittelt wird. Wenn es keine Lesung sein soll, sondern ein Theaterstück, dann muss hier Dialogisches geschehen.

Das funktioniert auch anfangs. Marianne ist schüchtern, liebenswert, er ist ein bißchen patronizing, sprich: freundlich von oben herab. Dass man sich wiedersehen sollte, steht nicht auf seinem Plan. Ein wenig funktioniert ja noch die dialogische Zweisamkeit, wenn Marianne langsam ihr Leben erzählt und gesteht, wie sie ihn gesucht hat, ihm aufgelauert hat (im Hintergrund steht manchmal ein kleines Mädchen an der Treppe, die auf ihn wartet), endlich die Beziehung hergestellt hat. Heute nennt man so was Stalken, damals war es, ja, Liebe, und viel eleganter.

Und Martina Ebm ist von schöner, dunkler Intensität, nie peinlich, weil immer so diskret darauf bedacht, dem Liebsten nicht zur Last zu fallen… schon gar nicht mit einem Kind, von dem er nichts zu wissen braucht.

 Christopher Hampton hat den Abend selbst  inszeniert, der Rahmen ist elegant, aber schlicht (Bühnenbild Anna Fleischle), die Kostüme sind es auch (Birgit Hutter), und der Kammerdiener (Michael Schönborn) hat nicht nur Stil, sondern ein Herz. Aber das Problem bleibt, die schöne Aufmachung  täuscht nicht darüber hinweg, dass irgendwann nur noch Marianne ihr Schicksal erzählt und Stefan zuhört, um am Ende ein wenig (nicht zu sehr) in sich zu gehen.

Aber nein, Stefan Zweig verstand etwas von Psychologie. Und er hat eine Novelle geschrieben. Und so geschickt Hampton als Dramatiker ist – das Monologische kriegt er nicht weg. Und wenn man Pech hat, empfindet man es irgendwann (bei aller Kürze des Abends) als monoton. Schließt die Augen, als hörte man Radio. Und innerlich schilt man sich, dass man diese weibliche Opfergeschichte auf die Dauer ein bißchen penetrant findet…

Fazit: Sehr schön, sehr edel, sehr gestrig und doch ein bisschen dürftig.

Renate Wagner

 

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