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WIEN / Josefstadt: DER BAUER ALS MILLIONÄR

13.12.2018 | KRITIKEN, Theater


Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Theater in der Josefstadt:
DER BAUER ALS MILLIONÄR von Ferdinand Raimund
Premiere: 13. Dezember 2018

Denkt man an die unaussprechliche Zumutung, die das Theater in der Josefstadt kürzlich mit Schnitzler bereitet hat („Der einsame Weg“, inszeniert von Mateja Koleznik), sieht Raimunds „Der Bauer aus Millionär“ so, wie er aus den Händen von Regisseur Josef Ernst Köpplinger kommt, geradezu „werkgetreu“ aus. Was er natürlich im klassischen Sinn nicht ist – aber neben dem modernen „G’wandl“, das heutzutage unvermeidlich ist, hat der Regisseur noch genug Respekt vor Handlung und Sprache des Stücks, um es „kenntlich“, über weite Strecken sogar wirklich überzeugend auf die Bühne zu bringen. Und das, obwohl uns von dem Stück von 1826 bald 200 Jahre trennen…

Natürlich ist es ein „anderer“ Raimund, weil man Zeitgenossenschaft ja immer beweisen muss, indem Dinge glanzlos heutig aussehen – anders geht es ja nicht. Freilich könnte man zu dem (zugegeben praktischen) Gestänge, das sich auf der Drehbühne schnell und bescheiden verwandeln lässt (Bühnenbild: Walter Vogelweider) vielleicht ein paar Kostüme hinzufügen, die nicht ganz so reizlos alltäglich sind wie hier geboten (Kostüme: Alfred Mayerhofer) – es müsste ja nicht gleich Biedermeier-Lieblichkeit sein, die von dieser Ästhetik Äonen entfernt ist. Nur ein bisschen kleidsamer?

Schon Ferdinand Raimund hat die Geisterwelt, in der er die Geschichte des reich gewordenen Bauers Fortunatus Wurzel einbettet, natürlich nicht ernst genommen – vielleicht weniger brutal-holzhammer-komisch als hier, eher lockerer, aber Köpplinger verleugnet die Feenwelt nicht, juxt sie nicht verächtlich hinweg, sie sind da als Helfer oder Verführer der Menschen… Allerdings verströmt um die harsche Lakrimosa der Alexandra Krismer nur Alexander Pschill einigermaßen den schwäbelnden Ajaxerle-Charme, aber wir haben es eben nicht – wie einst – mit einem gewissermaßen „duftigen“ Bühnenkunstwerk zu tun, das Lebensweisheit in Geister-G’spaß versetzt hat…

In einem Theater, wo Erwin Steinhauer gewissermaßen die logische Besetzung des Fortunatus Wurzel wäre (wenn er die Rolle auch 2003 am Volkstheater gespielt hat), wundert es ein wenig, Michael Dangl zu sehen, der doch so elegant den Frack des „Schwierigen“ tragen kann. Aber er und Köpplinger haben Sprache und Körpersprache (ohne Schenkelklopfen) und vor allem die Mentalität des schlichten Bauern gefunden, der reich geworden ist, blöd geblieben, einigermaßen verblendet – und doch kein übler Kerl. Das fügt sich zu einer schönen, runden Figur. (Warum er, wenn das Alter ihm eine weiße Perücke aufsetzt, dann als Aschenmann mit einer grauen kommt, versteht man nicht ganz… logische Brüche.)

In seiner Dienerschaft werkt Johannes Seilern überzeugend als schleimig-intriganter Diener, während Paul Matic nur wie ein Zombie-Gespenst herumwankt, dies aber zugegeben sehr komisch tut. Ein Gelage bei Wurzel ist übel und laut – schade, dass Ljubiša Lupo Grujčić hier als Dichter singen muss, was er gar nicht kann, während er später ganz besonders komisch ist, wenn man ihm als Kammerdiener des Hasses wieder begegnet…

Ja, die Geisterwelt gewinnt erneut Überhand, es naht die schwerste, berühmteste Szene des Stücks, Weltliteratur, tiefste Menschenerkenntnis, wenn sich die Jugend von Wurzel verabschiedet. Noch heute sieht man gelegentlich ein Bild (in den Sträußel-Sälen der Josefstadt hängt es auch), wie Therese Krones einst in Weiß und Rosa mit Zylinder herbeigetänzelt ist und ganz Wien in sich verliebt machte. So romantisch sind wir nicht mehr, aber Theresa Dax darf (in nüchternem Rosa, androgyn, bubenhaft) die Szene wenigstens so spielen, dass sie nicht peinlich ist, nicht rührselig, nicht triefend, sondern dass man begreift, wie sie gemeint war… direkt in das ewig-menschliche Bewusstsein gezielt, dass alles zu Ende geht.

Als das Hohe Alter kommt Wolfgang Hübsch erst als eleganter alter Herr, bevor er in die klassischen, zynischen Hans-Moser-Töne verfällt, um die bevorstehenden Leiden des Alters anzukündigen. Das hätte ein wenig dämonischer ausfallen können, ist aber auch so sehr gut.

Wenn Fortunatus Wurzel, der einst durch das Walten böser Mächte reich geworden ist, das Geld nicht mehr will, wenn schon, denn schon, wenn er’s nicht mehr genießen kann, braucht es der Trotzkopf nicht mehr, dann sind doch noch einige Handlungsfäden zu knüpfen bis zum guten Ende. Wurzels Ziehtochter, das Feenkind Lottchen, ist bei Lisa-Carolin Nemec nett in schlichten Händen, ihr Liebster Karl gewinnt bei Tobias Reinthaller temperamentvolle Kontur, und Neid und Haß sind allemale prächtige Rollen, deren Wirkung sich Martin Niedermair und Dominic Oley nicht entgehen lassen.

Gegengewicht ist nötig, Auftritt der Zufriedenheit (wobei man nicht um die Wessely seligen Angedenkens zurückseufzen darf, die so viel Natürlichkeit für diese Dame mitbrachte): Julia Stemberger, etwas verkrampft wirkend, in einem reizlosen schwarzen Kleid als käme sie gerade vom Friedhof (und man würde doch mit der „Zufriedenheit“ etwas Helles assoziieren?), darf Charme und Lockerheit nur bedingt einsetzen. Dabei hätten die schrillen Geister hier eine echte Lichtgestalt als Gegenpol benötigt.

Aber wenn Wurzel als Aschenmann zur Erkenntnis seiner selbst und seiner Fehler kommt (das ist bei Raimund immer sehr wichtig – im Leben nicht auch?) – dann darf das Spiel zu Ende gehen. Regisseur Köpplinger hat dabei, und das ist eine heutzutage über die Maßen mutige Entscheidung, bei der Musik auf die klassischen Melodien zurück greifen lassen, statt das Publikum mit modernen Klängen zu ärgern, die nur den Text zerreißen würden (musikalische Leitung & Arrangements: Jürgen Goriup). Nein, „Brüderlein fein“, „An Asch’n“ und noch mehr ist da. (Und weil wir in Föttingers Josefstadt sind, muss uns Fortunatus Wurzel ungefragt in einer Zusatzstrophe verkünden, dass es „kalt von Rechts“ weht.)

Wie viel Raimund ist es geworden, trotz der etwas trostlosen heutigen Optik? Erstaunlich viel, im Glauben an den Text und die Geschichte. Man möchte dem Regisseur gleich die Raimundspiele in Gutenstein anbieten, damit dem Dichter auch dort wieder einmal mit Verständnis begegnet wird…

Renate Wagner

 

 

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